TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/7 95/18/0881

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Veröffentlicht am 07.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §22;
SGG;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S, derzeit in Strafhaft in der Justizanstalt Gerasdorf, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. März 1995, Zl. SD 131/95, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. März 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, unbestritten sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 19. Oktober 1994 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 2 und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Daß bei einer solchen Tat der Aufenthalt eines Fremden die öffentliche Sicherheit gefährde, könne wohl nicht bezweifelt werden. Ohne jeden Zweifel handle es sich angesichts der Tatsache, daß der 18-jährige Beschwerdeführer seit Geburt in Österreich lebe, bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes um einen sehr schwerwiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Im Hinblick auf die eminente Bedeutung einer effektiven Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und den Umstand, daß solchen Delikten die Wiederholungsgefahr geradezu wesensimmanent sei, sei der Eingriff zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, das heißt zur Verhinderung strafbarer Handlungen, des Schutzes der Gesundheit und der Verteidigung der öffentlichen Sicherheit, dringendst geboten und daher im Sinne des § 19 leg. cit. zulässig. Es wögen aber auch die öffentlichen Interessen und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei so schweren Delikten schwerer als, selbst bei völliger Integration, die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Ob dem Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft bereits hätte verliehen werden können, stehe gemäß § 20 Fremdengesetz bei einer Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht ist, der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Ansicht der belangten Behörde, daß aufgrund des oben wiedergegebenen, unbestritten gebliebenen Sachverhaltes der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, stößt auf keine Bedenken und wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.

Die Beurteilung, daß vorliegend die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei, entspricht im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0485, uva.). An dieser Beurteilung, zumal - wie hier - im Fall des Handels mit einer Übermenge, somit des 25-fachen einer großen Menge, die geeignet ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen im großen Ausmaß herbeizuführen, vermag der Umstand nichts zu ändern, daß es sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe und er erstmals einschlägig straffällig geworden sei. Auf keine Bedenken stößt die Ansicht der belangten Behörde, daß gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr sehr groß sei.

3. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vorgenommenen Interessenabwägung wurde auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, Bedacht genommen, und es wurden die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und dessen Familie als sehr schwerwiegend gewertet. Dieser zutreffenden Einschätzung stellte die belangte Behörde aber ebenso zutreffend das sehr große Gewicht der maßgeblichen, für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sprechenden, öffentlichen Interessen gegenüber. Wenn die belangte Behörde wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlung das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als schwerer wiegend ansah als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Diese Wertung ist angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1995, Zl. 95/18/0886).

4. Mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden (§ 22 Fremdengesetz); es wird jedoch nicht darüber abgesprochen, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (allenfalls) abgeschoben werde. Daß der Beschwerdeführer in ein für ihn "völlig fremdes Land" ausreisen müßte, ändert nichts am zutreffenden Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung).

5. Das Verbot der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 Fremdengesetz, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes verliehen hätte werden können, kommt dem Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - nicht zugute, weil die Ausnahmebestimmung einer Verurteilung wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung - auch unter Berücksichtigung des § 5 Z. 4 JGG - verwirklicht wurde.

6. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180881.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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