TE Vfgh Beschluss 1993/6/18 V6/91, G44/91

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Veröffentlicht am 18.06.1993
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Index

70 Schulen
70/09 Minderheiten-Schulrecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
LehrplanV 1966 idF BGBl 511/1988
StV Wien 1955 Art7 Z2
Minderheiten-SchulG f Krnt §16 Abs1
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Minderheiten-SchulG f Krnt und der LehrplanV 1966 betreffend den Pflichtgegenstand Slowenisch und die Unterrichtssprache Deutsch; Zurückweisung des Gesetzesprüfungsantrags als Folge einer unwirksamen (zur meritorischen Erledigung ungeeigneten) Bekämpfung der das Gesetz konkretisierenden Bestimmungen der LehrplanV 1966

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1.a) Der Antragsteller begehrt mit seinem auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG iVm §62 Abs1 VerfGG gestützten Antrag die Aufhebung der unter I.3.a wiedergegebenen Wortfolge in §16 Abs1 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten, BGBl. 101/1959, idF des Bundesgesetzes BGBl. 326/1988, als verfassungswidrig.

b) Er begehrt ferner mit dem unter einem gestellten, auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG iVm §57 Abs1 VerfGG gestützten Antrag, Bestimmungen der Verordnung des (damaligen) Bundesministers für Unterricht vom 24. Mai 1966, BGBl. 118, idF der Verordnung des (damaligen) Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 6. September 1988, BGBl. 511 (im folgenden: Lehrplan-Verordnung 1966), als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Der Antragsteller bringt unter anderem vor, daß er am 10. Mai 1981 geboren sei und (als Angehöriger der slowenischen Minderheit im Bundesland Kärnten) die vierte Klasse der Volksschule in Sittersdorf/Zitara vas besuche, wo er, obgleich zum Unterricht in slowenischer Sprache angemeldet (und nicht wieder abgemeldet), aufgrund des §16 Abs1 Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten und der entsprechenden Bestimmungen der Lehrplan-Verordnung 1966 in deutscher Sprache unterrichtet werde und die slowenische Sprache in nur mehr vier Wochenstunden als Pflichtgegenstand geführt werde. Der Antragsteller erachtet sich mit näherer Begründung durch die angefochtenen, seiner Ansicht nach gegen Art7 Z2 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. 152/1955, verstoßenden Vorschriften im Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache sowie in anderen näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

3.a) §16 Abs1 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten, BGBl. 101/1959, idF des Bundesgesetzes BGBl. 326/1988, hat folgenden Wortlaut (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"(1) An den zweisprachigen Volksschulen (Volksschulklassen, Volksschulabteilungen) ist der gesamte Unterricht auf der Vorschulstufe sowie auf den ersten drei Schulstufen in annähernd gleichem Ausmaß in deutscher und slowenischer Sprache zu erteilen; von der vierten Schulstufe an ist der Unterricht - unbeschadet des Abs2 - in deutscher Sprache zu erteilen, doch ist die slowenische Sprache mit vier Wochenstunden als Pflichtgegenstand zu führen. In Volksschulklassen mit deutschsprachigen und zweisprachigen Abteilungen ist der deutschsprachige Unterricht soweit wie möglich für alle Schüler der betreffenden Schulstufen gemeinsam zu erteilen."

b) Der Antrag auf Aufhebung von Bestimmungen der Lehrplan-Verordnung 1966 lautet folgendermaßen:

"... stellt der Bf den

A n t r a g

...

2. die auf §16 Abs1 MiSchG bezugnehmenden Bestimmungen der "Lehrplanverordnung 1966" BGBl. 118/1966 idF der 4. Novelle BGBl. 511/1988 in Anlage 1, als konkretisierende Norm zum MiSchG

in eventu

2. folgende Bestimmungen in der 'Lehrplanverordnung 1966', BGBl. 118/1966 idF der 4. Novelle BGBl. 511/1988, als konkretisierende Norm zum MiSchG für Kärnten und zwar

a) in Anlage 1, Erster Teil, Abschnitt II, unter Ziff. 3 die Wortfolge: 'Ab der 4. Schulstufe ist der Pflichtgegenstand Slowenisch als eigenständiger Unterrichtsgegenstand zu führen';

    b) in Anlage 1, Vierter Teil, unter 'Bemerkungen zur

Stundentafel' Ziff. 4, die Wortfolge: 'Ab der vierten Schulstufe

ist die Unterrichtssprache Deutsch, ... Die slowenische Sprache

ist mit vier Wochenstunden als Pflichtgegenstand zu führen'.

    als verfassungswidrig aufzuheben, ... "

4.a) Die Bundesregierung ist in einer schriftlichen Äußerung für die Zurückweisung, hilfsweise für die Abweisung des Gesetzesprüfungsantrages eingetreten.

b) Der Bundesminister für Unterricht und Kunst hat sich in einer schriftlichen Äußerung für die Zurückweisung des Verordnungsprüfungsantrages, in eventu für dessen Abweisung ausgesprochen.

II. Über die Anträge wurde erwogen:

1. Die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setzt zunächst voraus, daß die bekämpfte generelle Norm für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam wurde. Darüber hinaus wird verlangt, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des anfechtenden Normadressaten unmittelbar eingreift: wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - und seither in ständiger Rechtsprechung - dargelegt hat, muß ein solcher unmittelbarer und (deswegen) die Anfechtungslegitimation begründender Eingriff notwendig durch die strittige generelle Rechtsnorm selbst nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt sein und die (rechtlich geschützten) Interessen des Anfechtungswerbers aktuell - nicht bloß potentiell - beeinträchtigen (vgl. zB VfSlg. 8212/1977, 10359/1985).

Da das Ziel eines (Individual-) Antrages in der Behebung der geltend gemachten Rechtsverletzung zu erblicken ist, führt eine sinnorientierte Auslegung des Art140 B-VG (s. VfSlg. 8996/1981) zum Ergebnis, daß die Antragslegitimation nur dann bejaht werden kann, wenn die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung die Rechtsposition des Antragstellers (tatsächlich) verändert (VfSlg. 8156/1977, 229 f., 8212/1977, 462, 9096/1981, 10492/1985, 10593/1985, 12132/1989, 12178/1989; VfGH 17.6.1991 G281/89, G282/89). Anderenfalls wäre der (Individual-) Antrag unzulässig.

Das gleiche gilt, wenn sich der vom Anfechtungswerber als rechtswidrig gewertete Zustand durch Aufhebung der angefochtenen Bestimmung allein nicht beseitigen läßt, der behauptete Eingriff in die Rechtssphäre also nicht unmittelbar aufgrund der Gesetzesstelle, deren Aufhebung allein begehrt wurde, eintritt, sondern etwa erst durch eine unangefochten gebliebene Verordnung aktualisiert wird (vgl. etwa VfSlg. 8829/1980, 8978/1980, 11460/1987).

Der Verfassungsgerichtshof hat darum im Beschluß VfSlg. 12132/1989 einen (allein) gegen §16 Abs1 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten gerichteten (Individual-) Antrag mangels Legitimation des Antragstellers (unter Hinweis auf den Beschluß VfSlg. 11824/1988) mit der Begründung zurückgewiesen, daß in die vom Antragsteller relevierten Rechte, so auch in das Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache nach Art7 Z2 des Staatsvertrages von Wien, nicht bloß (ausschließlich) der angefochtene §16 Abs1 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten - nach Meinung des Antragstellers: verfassungswidrig - eingreife, sondern jedenfalls auch die diese Norm konkretisierende Lehrplan-Verordnung 1966, "welche die gesetzlichen Anordnungen (über Slowenischunterricht als Pflichtgegenstand ab der vierten Schulstufe im Ausmaß von vier Wochenstunden) wiederholt und präzisiert".

2. Die im Beschluß VfSlg. 12132/1989 (und in der dort zitierten Vorjudikatur) zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung führt auch im vorliegenden Fall zur Zurückweisung der (Individual-) Anträge.

a) (Auch) der (Individual-) Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, muß begehren, daß entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder daß bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden (§57 Abs1 erster Satz VerfGG). Um das strenge Erfordernis des §57 Abs1 erster Satz VerfGG zu erfüllen, müssen die bekämpften Verordnungen bzw. Verordnungsstellen genau und eindeutig bezeichnet sein (vgl. etwa die Erkenntnisse VfSlg. 7593/1975, 8550/1979, 9850/1983, 9880/1983, 11150/1986, 11722/1988, 11888/1988, denen zwar jeweils ein Gesetzesprüfungsantrag iS des Art140 Abs1 B-VG zugrunde lag, deren Ausführungen aber auch auf Verordnungsprüfungsanträge zutreffen (s. etwa VfSlg. 8594/1979, 499)).

b) Dieses Erfordernis erfüllt der die Lehrplan-Verordnung 1966 betreffende, primär gestellte Antrag nicht, da er keine konkrete(n) Bestimmung(en) dieser Verordnung bezeichnet, sondern sich lediglich pauschal auf "die auf §16 Abs1 MiSchG bezugnehmenden Bestimmungen" dieser Verordnung bezieht. Dieser Antrag ist demnach zur meritorischen Erledigung ungeeignet.

Der diese Lehrplan-Verordnung 1966 betreffende Eventualantrag wendet sich nun zwar gegen (zwei) exakt bezeichnete Bestimmungen dieser Verordnung, aus denen sich jeweils ergibt, daß nur auf den ersten drei Schulstufen der Unterricht auch in slowenischer Sprache zu erteilen ist. Damit aber erfaßt der Eventualantrag nicht einmal alle jene Bestimmungen dieser Verordnung, von denen der Verfassungsgerichtshof bereits im Beschluß VfSlg. 12132/1989 (derartige Bestimmungen nur beispielhaft anführend) ausdrücklich ausgesagt hat, daß sie - unter anderem - in das Recht auf Elementarunterricht in slowenischer Sprache (Art7 Z2 des Staatsvertrages von Wien) eingreifen. Dies trifft auf ArtI Z13 der Novelle BGBl. 511/1988 zu, der unter anderem die Anordnung enthält, daß ein näher umschriebener Unterricht "auf den ersten drei Schulstufen gemäß dem Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten in annähernd gleichem Ausmaß in deutscher und slowenischer Sprache zu erteilen ist". Die Aufhebung allein der mit dem vorliegenden Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen der Lehrplan-Verordnung 1966 vermöchte somit den vom Antragsteller als verfassungswidrig erachteten Eingriff in seine Rechtssphäre nicht zu beseitigen.

c) Ebenso wie in dem dem Beschluß VfSlg. 12132/1989 zugrundeliegenden Fall die Tatsache, daß die Lehrplan-Verordnung 1966 unangefochten geblieben war, zur Zurückweisung des (Individual-) Antrages gegen die dieser Verordnung (unter anderem) zugrundeliegende Gesetzesbestimmung (§16 Abs1 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten) führte, muß im vorliegenden Fall der Umstand, daß die hier maßgebenden Bestimmungen dieser Verordnung nicht wirksam (d.h. auf eine einer meritorischen Erledigung zugängliche Weise) angefochten sind, die Zurückweisung (auch) des Gesetzesprüfungsantrages zur Folge haben.

Die (Individual-) Anträge waren somit insgesamt wegen Fehlens der Legitimation zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Schulen, Minderheiten, VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse, Unterrichtssprache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V6.1991

Dokumentnummer

JFT_10069382_91V00006_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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