TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/14 95/06/0071

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.1995
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Jänner 1995, Zl. 03-12.10 L 36-1994/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. J in L, 2. Marktgemeinde L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Dezember 1989 wurde dem Erstmitbeteiligten die Widmungsbewilligung für die Errichtung eines Wirtschaftsunterstandes erteilt. Mit einem weiteren Bescheid vom 11. Jänner 1990 wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung des Wirtschaftsunterstandes erteilt. Ausdrücklich wurde festgehalten, daß dieses Gebäude ausschließlich für land- und forstwirtschaftliche Zwecke benützt werden darf. Es war keine Versorgung mit Trink- und Nutzwasser vorgesehen und auch keine Abwasserbeseitigung.

Mit Schreiben vom 26. Juli 1994 hat der Beschwerdeführer die mitbeteiligte Marktgemeinde auf Baumaßnahmen auf dem Grundstück Nr. n1, KG L aufmerksam gemacht, die durch die Baubewilligung vom 11. Jänner 1990 nicht gedeckt seien.

Am 20. Mai 1994 hat der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Benützungsbewilligung für die Errichtung einer Wirtschaftshütte auf dem Grundstück Nr. n1, KG L, beantragt, wobei er gleichzeitig erklärte, daß der bisherige Unterstand als Käserei genutzt werde. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. September 1994 wurde dem Erstmitbeteiligten die Benützungsbewilligung erteilt, gleichzeitig wurde die Baubewilligung für die geänderten Baumaßnahmen betreffend die "Wirtschaftshütte" erteilt. Dem Beschwerdeführer wurde dieser Bescheid am 6. Oktober 1994 zugestellt. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 18. Oktober 1994, die in der mitbeteiligten Marktgemeinde auch am 18. Oktober 1994 eingelangt ist, führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, der Erstmitbeteiligte habe zunächst die Errichtung eines Wirtschaftsunterstandes ohne Wasserversorgung, ohne Wasserbeseitigungsanlage (Senkgrube) und ohne Kamin beantragt. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei der besagte Unterstand baulich zum größten Teil fertiggestellt gewesen, es sei dem Beschwerdeführer schon damals aufgefallen, daß die Bewilligungsbehörde in keiner Art und Weise auf diese Ungesetzlichkeit (Schwarzbau) eingegangen sei. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 26. Juli 1994 an die Marktgemeinde L, daß die Bauarbeiten weit über das genehmigte Ausmaß hinausgingen, sei größtenteils unberücksichtigt geblieben. Diese Umstände erweckten im Beschwerdeführer den Eindruck, daß hier mit allen Mitteln die Legalisierung eines Schwarzbaues erreicht werden müsse. Dies beweise auch die vorliegende Benützungsbewilligung, die ohne dem Beschwerdeführer nun Gelegenheit zur Gegenäußerung zu bieten, alle eingangs erwähnten Änderungen ohne die entsprechenden Änderungsverfahren bewillige. Daß entsprechende Änderungsverfahren notwendig seien, gehe aus dem Unterschied der Bezeichnung (Wirtschaftsunterstand - Wirtschaftshütte) der Baumaßnahmen in den einzelnen Bescheiden hervor. Diese Berufung hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 1. Dezember 1994 als unzulässig zurückgewiesen, weil ein begründeter Berufungsantrag fehle.

Die dagegen eingebrachte Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 1995 abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, entgegen der Rechtsmeinung des Gemeinderates habe die Berufung des Beschwerdeführers eine Begründung enthalten, mit der er den Bescheid bekämpfte, weil er seiner Meinung nach dem erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogen worden sei und auch die notwendigen Änderungsbewilligungen nicht durch die Benützungsbewilligung ausreichend ersetzt worden seien. Die Berufungsbehörde hätte somit inhaltlich auf das Berufungsvorbringen einzugehen gehabt, es sei daher zu untersuchen, ob durch dieses Unterlassen Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden seien. Der Beschwerdeführer habe in keiner Weise zusätzlich in der Berufung dargelegt, inwieweit er durch die Erteilung der Änderungsbewilligung in einem Nachbarrecht gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung verletzt worden sei. Zwar wäre vor Erteilung der Baubewilligung (die zusammen mit der Benützungsbewilligung erteilt worden sei) eine Widmungsänderungsbewilligung zu erteilen gewesen, eine Verletzung in diesem Nachbarrecht habe der Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebracht. Lediglich ein allgemeines Vorbringen, wonach ein entsprechendes "Änderungsverfahren" notwendig sei, reiche nicht aus, um zu artikulieren, daß eine Baubewilligung erst nach Rechtskraft der Widmungs-(Änderungs-)bewilligung erteilt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch der Mitbeteiligte hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdevertreter bezeichnet in seiner Beschwerde das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" als belangte Behörde. Unter Hinweis darauf, daß die belangte Behörde nicht richtig bezeichnet sei, wendet diese der Sache nach die "mangelnde Passivlegitimation" ein und beantragt zunächst die Zurückweisung der Beschwerde.

Dazu besteht aus folgenden Gründen kein Anlaß: Der Beschwerdeführer legte seiner Beschwerde den angefochtenen Bescheid bei, auf dessen Kopf die Bezeichnung "Amt der Steiermärkischen Landesregierung - Rechtsabteilung - 3" aufscheint. Die Fertigungsklausel lautet "Für die Steiermärkische Landesregierung". In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Slg. NF. Nr. 12088/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn in einer Beschwerde als belangte Behörde deren Hilfsapparat (Amt der Landesregierung) bezeichnet ist, die Beschwerde deshalb nicht zurückzuweisen ist. Es bedüfe auch keines Mängelbehebungsauftrages gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Herbeiführung der richtigen Bezeichnung der belangten Behörde. Es sei jene Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens, einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen, sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation als belangte Behörde zu erkennen sei. Dies sei hier die Landesregierung. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß trotz der Bezeichnung des Hilfsapparates der belangten Behörde als belangte Behörde die Landesregierung zu erkennen ist. Eine (zur Zurückweisung führende) Bezeichnung einer anderen Behörde, als jene, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, liegt daher nicht vor (vgl. dazu etwa den hg. Beschluß vom 28 April 1992, Zl. 92/08/0068, sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0136).

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob die Berufungsschrift des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 30. September 1994 den gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 AVG entspricht, wonach die Berufung den Bescheid zu bezeichnen hat, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind ein Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung an sich unverzichtbarer Bestandteil einer Berufung im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG. Der Berufungsantrag bezeichnet das Thema, über welches die Berufungsbehörde abzusprechen hat und muß sinngemäß dahin lauten, den Bescheid zu beheben oder in bestimmter Weise abzuändern (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0252 und 89/04/0253 mit weiteren Hinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings eine formalistische Auslegung der Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd; es ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß eine Berufung, die den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, erkennen läßt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30.Mai 1990, Zl. 90/09/0029, sowie vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0080).

Auch die belangte Behörde geht der Begründung ihres Bescheides zufolge davon aus, daß die Berufung des Beschwerdeführers eine Begründung enthalten habe, mit der er den Bescheid bekämpfte, weil er seiner Meinung nach dem erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogen worden sei und auch die notwendigen Änderungsbewilligungen nicht durch die Benützungsbewilligung ausreichend ersetzt worden seien. Gegenstand des aufsichtsbehördichen Verfahrens war aber ausschließlich die Frage, ob die Berufungsbehörde die Berufung des Beschwerdeführers mit Recht zurückgewiesen hat, weil sie den gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 AVG nicht entsprochen habe. Vertritt die belangte Behörde aber die Ansicht, daß die Berufung des Beschwerdeführers den Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 AVG entsprochen hat, hätte sie den Bescheid des Gemeinderates aufzuheben gehabt und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, um dem Gemeinderat Gelegenheit zu geben, die Berufung inhaltlich zu erledigen. Die Gemeindeaufsichtsbehörde hatte aber nicht in der Sache selbst zu entscheiden und zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer die Verletzung solcher subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte geltend gemacht hat, die im § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 14/1989 (taxativ) aufgezählt sind.

Da sie dies verkannte, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060071.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten