TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/14 92/06/0052

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Veröffentlicht am 14.09.1995
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Index

L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg;
L81705 Baulärm Salzburg;
L82005 Bauordnung Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
BauPolG Slbg 1973;
B-VG Art130 Abs2;
GewO 1973 §79;
ROG Slbg 1968;
ROG Slbg 1977 §19 Abs3;
ROG Slbg 1977 §19;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, den Vizepräsidenten

Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde 1. des JR und 2. der AR, beide in G, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 13. Februar 1992, Zl. 7/03-314043/7-1992, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde X vom 13. November 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 zur Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage auf einer Teilfläche der Grundstücke 449/21 und 449/22, je KG X, abgewiesen. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß von den Beschwerdeführern mit Antrag vom 19. Dezember 1990 die Erteilung einer solche Ausnahmebewilligung für zwei Wohnhäuser mit Garage auf den Teilfächen der Grundstücke 449/21 und 449/22, je KG X, beantragt worden sei. Die Gemeindevertretung habe mit Bescheid vom 18. Dezember 1990 dieses Ansuchen mit der Begründung abgelehnt, daß es dem Räumlichen Entwicklungskonzept und dem Planungsinteresse der Gemeinde widerspreche; die Grundstücke lägen im Landschaftsschutzgebiet, seien "als Wald ausgewiesen" und würden an das Gewerbegebiet "M" anschließen. Dieser Bescheid sei von der belangten Behörde auf Grund einer Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Begründung aufgehoben worden, daß kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei. In der Folge hätten die Beschwerdeführer die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung (lediglich) eines Wohnhauses mit Doppelgarage beantragt. Nach den vorgelegten Unterlagen sei dafür die Stromversorgung, Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung sichergestellt. Ebenso liege eine Bestätigung des Landesgeologen über die Lage außerhalb des Gefährdungsbereiches des G.-Felsens vor. Die Anhörung der Anrainer habe ergeben, daß die Anrainerin K. grundsätzlich keinen Einwand habe, während die Anrainerin Firma

M. unter Hinweis auf ihre Betriebsführung eine Verbauung für nicht zweckmäßig halte. Der Sachverständige für Naturschutz habe in seiner gutachtlichen Stellungnahme die Erteilung einer Einzelgenehmigung nicht empfohlen. Vom Raumplaner sei ein Raumordnungsgutachten vorgelegt worden. Danach würde durch die Bebauung ein wichtiges Prinzip der Raumordnung, nämlich jenes der Konfliktvermeidung, durchbrochen. Dem Räumlichen Entwicklungskonzept sei zu entnehmen, daß aus Gründen der Konfliktfreiheit keine Wohnbauten in diesem Bereich errichtet werden sollten. Für bereits bebaute Grundstücke sei daher im Räumlichen Entwicklungskonzept sogar ein Rückwidmungsvorschlag eingearbeitet worden. Die Genehmigung auch nur eines einzelnen Wohnhauses würde daher der örtlichen Raumordnung widersprechen. Wenn auch die wirtschaftlichen Gründe der Beschwerdeführer verständlich seien, müsse die Gemeindevertretung die bestehende raumordnungsrechtliche Situation wahren, weshalb der Raumplaner empfehlen müsse, das Ansuchen abzulehnen.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Sie begründeten ihre Vorstellung damit, daß sich die Marktgemeinde X in der Begründung des Ablehnungsbescheides nur mit einem Teilaspekt des Ansuchens auseinandersetze. Es werde einzig und allein die Ablehnung des Ansuchens mit dem Hinweis auf die Konfliktvermeidung mit dem Nachbarbetrieb "M" begründet. Die übrigen Voraussetzungen für die Bebaubarkeit des Grundstückes und damit für die Erteilung der Ausnahmebewilligung lägen vor und seien unbestritten geblieben. Den Beschwerdeführern sei die Lage des Grundstückes in unmittelbarer Nähe zum Betrieb "M" und die damit verbundenen Folgen vollkommen bewußt, "weshalb die Absicht mehrfach erklärt wurde, sich dort dennoch ansiedeln zu wollen". Auch hätten die Beschwerdeführer erklärt, daß sie die Firma M. in diesem Zusammenhang klaglos halten wollten.

3. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 1992 diese Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 könne eine Ausnahmebewilligung nur erteilt werden, wenn das konkret zur Verwirklichung heranstehende Projekt dem Räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht der Gemeinde nicht entgegenstünde. Daß ein solches Hemmnis bestehe, ergebe sich aus den raumordnungstechnischen Darlegungen der Gutachten des Raumplaners vom 18. April 1991 bzw. vom 24. Juni 1991 im Zusammenhalt mit den im Akt befindlichen Plänen und Photos. Die Gemeindevertretung habe sich keineswegs allein auf die raumordnungstechnischen Aussagen ihres Raumplaners gestützt, sondern sie mache sich auch die ablehnende Stellungnahme des Anrainers Firma M. zu eigen, wonach die Errichtung des Wohnhauses in unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Betrieb nicht als zweckmäßig angesehen werde. Dieser Umstand komme unabhängig von den Ausführungen des Raumordnungssachverständigen für sich allein zum Tragen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei dies zulässig. Jede Ausnahmebewilligung bedeute eine Beeinträchtigung des als Verordnung erlassenen Flächenwidmungsplanes; deshalb bedürfe es ganz besonderer Gründe für die Erteilung der Ausnahmebewilligung. Solche Argumente hätten die Beschwerdeführer nicht vorgebracht; ihre finanzielle Lage, die sie zur Antragstellung bewogen habe, könne als Begründung für eine Ausnahmebewilligung nicht herangezogen werden. Die fraglichen Grundstücke seien der Kulturgattung "Wald" zuzuzählen. Sie seien vom Beschattungskegel des Untersbergmassivs voll erfaßt; sie dürften sich "rücksichtlich zu erwartender gesundheitlicher Schäden" gemäß § 12 Abs. 6 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 nicht für den privaten Wohnbau eignen, wobei gegebenenfalls entsprechende Ermittlungen durchgeführt werden müßten.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Für den Beschwerdefall bedeutsam ist § 19 Abs. 1 erster Satz bzw. § 19 Abs. 3 erster und zweiter Satz Salzburger Raumordnungsgesetz 1977, LGBl. Nr. 26, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 22/1991.

§ 19 Abs. 1 erster Satz leg. cit. lautet:

"Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich oder einer sonstigen, auf Grund baurechtlicher Vorschriften des Landes zu erteilenden Bewilligung o.dgl. bedürfen, können vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§ 12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden."

§ 19 Abs. 3 erster und zweiter Satz leg. cit. lauten:

"Die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß Abs. 1 können, wenn es sich nicht um Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen sechs Wochen lang ortsüblich kundzumachen."

Nach dieser Vorschrift darf eine Ausnahmebewilligung zwingend schon dann nicht erteilt werden, wenn ein Vorhaben dem Räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der grundsätzlichen Planungsabsicht entgegensteht; ist das nicht der Fall, so liegt es im Ermessen der Gemeinde, ob sie die Ausnahmebewilligung erteilt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 91/06/0060). Die Bewilligung einer Ausnahme von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 stellt eine Dispens mit Bescheidcharakter dar. Es handelt sich hiebei um eine Ermessensentscheidung. Die Entscheidung ist darauf abzustellen, ob die Ausnahme im Einzelfall geeignet wäre, konkret betrachtet die Erreichung von Planungszielen zu stören. Die Ausnahme ist nur dann am Platz, wenn besondere, von der Partei angeführte oder aus ihrem Vorbringen im Zusammenhang mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare Gründe dafür sprechen (vgl. dazu insgesamt das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1981, Slg. 10571/A).

2. Die Beschwerdeführer bringen zunächst vor, die belangte Behörde ginge in Verkennung der Rechtslage von der Fehlmeinung aus, es obliege den Antragstellern nachzuweisen, daß die Einzelgenehmigung dem Räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegenstünde. Der Gesetzgeber verpflichte nämlich die Gemeinde, diesen Nachweis zu führen. Dies umso mehr, als es sich um eine im behördlichen Ermessen gelegene Bewilligung handle und die Gefahr eines Ermessensmißbrauches groß sei. Die Entscheidung der Gemeinde beschränke sich auf die Behauptung, der Antrag auf Einzelgenehmigung stünde im Widerspruch zu einem Räumlichen Entwicklungskonzept; die Stattgebung des Antrages würde zu einer Änderung der gegebenen und angestrebten Strukturverhältnisse vor Ort führen. Es sei im Verfahren niemals nachgewiesen worden, daß es überhaupt ein rechtlich relevantes Entwicklungskonzept im Sinne der Bestimmungen des § 19 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 gebe, und, wenn ein solches vorhanden sei, inwieweit der Antrag damit im konkreten Widerspruch stünde.

Diesem Beschwerdevorbringen ist die unter 1. dargestellte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach eine Ausnahmebewilligung nur erteilt werden könne, wenn besondere, von der Partei angeführte oder aus ihrem Vorbringen im Zusammenhang mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare Gründe dafür sprechen. Von den Beschwerdeführern wurde als besonderer Grund in diesem Sinn vor allem - wie sich etwa aus ihrem Antrag vom 10. Dezember 1990 bzw. auch aus dem Beschwerdevorbringen (siehe unter 6.) ergibt - ihre - mangels Erwähnung im § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 - raumordnungsrechtlich aber gerade nicht relevante wirtschaftliche Lage angeführt; ausdrücklich bringt überdies das Räumliche Entwicklungskonzept X aus dem Jahre 1987 (siehe dazu noch unten) folgendes zum Ausdruck:

"Einzelgenehmigungen werden nur ... erteilt, wobei die o.g. Raumordnungskriterien und nicht eine wirtschaftliche Zwangslage Beurteilungsmaßstab sein soll." In der Folge haben die Beschwerdeführer dann die Nachweise betreffend die Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Energieversorgung sowie betreffend den Anschluß an die bestehende Verkehrsfläche erbracht. Als wesentliche Entscheidungsgrundlage wurde von den Gemeindebehörden darüber hinaus das Raumordnungsgutachten des Raumplaners vom 18. April 1991 bzw. das ergänzende Gutachten des Raumplaners vom 24. Juni 1991 herangezogen. In diese Gutachten sind im Befund die die Aufschließung betreffenden Bestätigungen und Nachweise der Beschwerdeführer eingeflossen. Das auf diesem Befund fußende und lediglich - soweit es noch auf die Errichtung von zwei Wohnhäusern bezogen war - nicht mehr relevante Gutachten vom 18. April 1991 hat folgenden Wortlaut:

"Die Gebäude sollen am Hangfuß des Untersbergmassives, ca. 400 m südwestlich des Ortskernes von X errichtet werden. Die weitere Umgebung des Grundstückes ist locker mit Einfamilienhäusern bebaut, sonst jedoch großräumig landwirtschaftlich genutzt. Ein Betrieb für industrielle Süßwarenproduktion (M...) befindet sich ca. 100 m (Widmungsgrenze) nordöstlich des geplanten Bauplatzes.

Das im Rahmen der Erstellung des REK ausgearbeitete Besonnungs-Beschattungsdiagramm zeigt, daß das zur Bebauung vorgesehene Grundstück in einem Teil des Gemeindegebietes von X liegt, welcher durch das Untersbergmassiv stark beschattet ist. Zudem weist der FWP 100 m nordöstlich des gegenständlichen Grundstückes ein Gewerbegebiet aus.

Eine der Hauptaufgaben der Raumordnung ist es, räumliche Funktionen so zu ordnen, daß Konflikte zwischen unterschiedlichen Funktionen (z.B. zwischen Produktion und Wohnen) vermieden werden. Durch die Bebauung der gegenständlichen Parzelle mit einem Wohnhaus würde jedoch dem Prinzip der Konfliktvermeidung (Nähe des Gewerbegebietes) nicht entsprochen und die grundsätzliche Aussage des REK durchbrochen:

Aus dem Siedlungsleitbild des REK ist zu entnehmen, daß wegen der oben genannten Zielsetzung der Konfliktfreiheit und der Funktionsbereinigung keine weiteren Wohnbauten in diesem Bereich errichtet werden sollen (Rückwidmungsvorschlag auch für bereits bebaute Grundstücke).

Wenngleich als besonderer Grund für die Einzelgenehmigung vom Genehmigungswerber dessen finanzielle Situation angeführt wird und dies aus menschlichen Gründen verständlich ist, kann ein Raumordnungsgutachten nur auf Belange der Raumordnung eingehen. Ein relevanter "besonderer Grund" für die Einzelgenehmigung kann aber aus der Sicht der Raumordnung nicht gefunden werden.

...

Da also durch die geplanten Neubauten den Bestimmungen

des ROG widersprochen und die strukturellen Grundlagen der örtlichen Raumordnung verändert würden, muß der Gemeindevertretung die Ablehnung der angestrebten Einzelgenehmigung empfohlen werden."

Das ergänzende Gutachten vom 24. Juni 1991, das deshalb eingeholt worden ist, weil der Antrag der Beschwerdeführer nur mehr auf die Errichtung eines Einfamilienhauses bezogen worden ist, hat folgenden Wortlaut:

"Nunmehr soll ein Einfamilienhaus (statt zwei) auf den o.g. Flächen errichtet werden.

Durch die Bebauung der gegenständlichen Parzelle mit einem Wohnhaus würde jedoch ebenfalls ein wichtiges Prinzip der Raumordnung nämlich jenes der Konfliktvermeidung durchbrochen. Dies gilt auch für den Fall, daß nur ein einziges Wohnhaus errichtet wird.

Aus dem räumlichen Entwicklungskonzept ist zu entnehmen, daß aus Gründen der Konfliktfreiheit keine Wohnbauten in diesem Bereich errichtet werden sollen. Für bereits bebaute Grundstücke wurde daher im REK sogar ein Rückwidmungsvorschlag eingearbeitet. Eine Genehmigung auch nur eines einzelnen Wohnhauses würde daher der örtlichen Raumordnung widersprechen. Wenn auch die wirtschaftlichen Gründe des Bewilligungswerbers verständlich sind, muß die Gemeindevertretung die bestehende raumordnungsrechtliche Situation wahren, weshalb empfohlen werden muß, das Ansuchen abzulehnen."

Vor diesem Hintergrund kann demnach keine Rede davon sein, daß im Verfahren die von den Beschwerdeführern behaupteten Mängel eingetreten sind. Bei dem in den schlüssigen Gutachten bezogenen räumlichen Entwicklungskonzept handelt es sich um das - dem Verwaltungsgerichtshof von der Marktgemeinde X in Kopie übermittelte - am 14. Dezember 1987 von der Gemeindevertretung

X beschlossene und am 16. Dezember 1988 durch Beschluß der Gemeindevertretung X modifizierte Räumliche Entwicklungskonzept

X. Eine von den Beschwerdeführern behauptete diesbezügliche Nachweispflicht bestünde allenfalls nur dann, wenn von Parteien bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren Zweifel über die Existenz eines solchen Konzeptes geäußert werden.

3. Die Beschwerdeführer bekämpfen auch die Annahme der Behörden, es handle sich bei der Firma M. um eine Anrainerin gemäß § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977. Anrainer könnten nur benachbarte Grundeigentümer sein, deren Grundstücke mit jenen der Antragsteller einen gemeinsamen Rain besäßen. Dies sei hier aber nicht der Fall, weil das Areal der Firma M. von den Grundstücken der Beschwerdeführer durchgehend durch die Kellerstraße getrennt sei, die im Eigentum der Gemeinde stünde und die den Rechtscharakter einer Gemeindestraße aufweise. Daß der Gesetzgeber zwischen Nachbarn und Anrainern im Salzburger Baurecht unterscheide, ergebe sich daraus, daß der frühere Anrainerbegriff, der der Salzburger Stadtbauordnung und der Landbauordnung innegewohnt habe, durch jenen des Nachbarn (vgl. § 7 Baupolizeigesetz) ersetzt worden sei. Dort, wo der Anrainer im eigentlichen Sinne des Wortes im Bauverfahren beigezogen werden sollte, werde er auch als solcher bezeichnet. Es sei daher unzulässig, Personen, denen keine Anrainerstellung in einem Verfahren gemäß § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 zukomme, als solche zu hören.

Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß der Begriff des Anrainers - anders als im Baupolizeigesetz - vom Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 19/1976, bewußt in das Raumordnungsgesetz 1977 übernommen worden ist (vgl. dazu Faber u. a., Das Salzburger Baurecht, S. 66, Anm. 26 zu § 19). Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des Anrainers ergibt sich, daß als anrainend nicht nur eine Liegenschaft anzusehen ist, die eine gemeinsame Grundgrenze (einen gemeinsamen Rain) besitzt, sondern auch eine Liegenschaft, die bloß durch eine Verkehrsfläche oder einen sonstigen schmalen, im Eigentum eines Dritten stehenden Grundes vom Baugrund getrennt ist. Wesentlich dabei ist, daß die Liegenschaft zu der zur Verbauung vorgesehenen in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, daß der geplante Bau oder dessen konsensgemäße Benutzung Rückwirkungen auf diese Liegenschaft ausüben können (vgl. neuerlich Faber u.a., Das Salzburger Baurecht, S. 66, Anm. 26, und die dort zitierte hg. Judikatur).

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken gegen die Annahme der Behörden, daß der Firma M. in diesem Sinn die Anrainerstellung und damit auch das Recht auf entscheidungsrelevante Anhörung gemäß § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 zugekommen ist.

4. Die Beschwerdeführer bringen - wie bereits in ihrer Stellungnahme vom 18. Dezember 1991 gegenüber der belangten Behörde - weiters vor, daß die Kellerstraße tatsächlich auch im südlichen, also bergseitigen Bereich, seit langer Zeit bebaut sei. Es handle sich dabei um eine gemischte Baustruktur, bestehend aus Wohn-, Büro- und Gewerbebauten. Einer dieser Bauten datiere aus jüngerer Zeit. Es handle sich daher im Beschwerdefall um die Verbauung einer Baulücke im Bereich der Kellerstraße. Beide anrainenden Grundstücke seien verbaut; niemals seien vergleichbare Versagungsgründe vorgebracht worden, die in der beantragten Verbauung eine Verletzung des Grünlandschutzes sehen würden.

Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden, dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde nach seiner Begründung zugrunde liegenden diesbezüglichen Plan ergibt sich, daß die von den Beschwerdeführern angesprochene Bebauung im Bereich der Kellerstraße Altbestand ist, der schon vor Erlassung des geltenden Flächenwidmungsplanes errichtet wurde. Überdies liegen - wie die mitbeteiligte Partei darüber hinaus in ihrer Gegenschrift weiters ausführt und auch dem erwähnten Plan zu entnehmen ist - diese Gebäude teilweise im Gefährdungsbereich eines Felssturzes aus dem Jahre 1959. Es stößt daher auf keine Bedenken, wenn die Behörden im Hinblick auf eine Neugestaltung für die Zukunft davon ausgegangen sind, daß der Altbestand an Wohnhäusern in der Umgebung der Grundstücke der Beschwerdeführer keinen besonderen Grund für eine Ausnahmebewilligung darstellen kann (vgl. dazu das

hg. Erkenntnis vom 24. März 1983, Zl. 06/2949/80, wonach die tatsächliche Verbauung in der unmittelbaren Nachbarschaft der Grundstücke, für die eine Ausnahmebewilligung angestrebt wird, also die konkrete konsentierte örtliche Situation, einen Entscheidungsfaktor im Bereich der Ausnahmebestimmung des § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 darstellt). Was die Behauptung der Beschwerdeführer anlangt, es sei in ihrer näheren Umgebung ein Haus "sogar" neu errichtet worden, ist darauf hinzuweisen, daß die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift (die Existenz als Altbestand bestätigend) ausführt, in diesem Fall sei nicht neu gebaut, sondern das Objekt mit Zustimmung des Landesgeologen saniert worden, weil es im Gefährdungsbereich des schon erwähnten Felssturzes aus dem Jahre 1959 liege.

Aus dieser Sicht kann demnach dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden.

5. Die Beschwerdeführer bringen in ihrer Beschwerde auch vor, es sei zwar richtig, daß der Bauplatz am späteren Nachmittag im Schatten des Untersberges liege. Daraus abzuleiten, daß dieser Bauplatz für eine Wohnverbauung ungeeignet wäre, weil für die Bewohner des geplanten Wohnhauses gesundheitliche Schäden zu erwarten seien, sei ebenfalls eine durch nichts begründete Behauptung der belangten Behörde und müßte zutreffendenfalls dazu führen, daß der überwiegende Teil aller Wohnbauten der Gemeinde gesundheitsgefährdet wäre, liege doch der Großteil des Gemeindegebietes im nachmittägigen Schatten des Untersberges.

Wie erwähnt, hat der Raumplaner in seinem Gutachten vom 18. April 1991 darauf hingewiesen, das im Rahmen der Erstellung des Räumlichen Entwicklungskonzeptes ausgearbeitete Besonnungs-Beschattungsdiagramm zeige, daß das zur Bebauung vorgesehene Grundstück in einem Teil des Gemeindegebietes von X liege, welcher durch das Untersbergmassives stark beschattet sei. In ihrer Gegenschrift weist die mitbeteiligte Partei in diesem Sinne darauf hin, daß nach dem Räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde das Kritierium "schlechte Besonnung großer Teile des Gemeindegebietes" ein entscheidender Gesichtspunkt gegen die Widmung als Baugebiet sei. Dem räumlichen Entwicklungskonzept ist - worauf auch in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei hingewiesen wird - konkret weiters zu entnehmen, daß folgende Kriterien für Einzelgenehmigungen nach § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 maßgebend sind:

"Einzelgenehmigungen werden nur für ästhetisch und

aufschließungsmäßig unproblematische Objekte, welche sich harmonisch dem Landschaftsbild unterordnen, nicht exponiert gelegen sind, sich in geologisch einwandfreier Lage befinden und der Grundaussage des REK entsprechen, erteilt, wobei die o.g. Raumordnungskriterien und nicht eine wirtschaftliche Zwangslage Beurteilungsmaßstab sein soll. Für ländliche Anwesen soll nur mehr die Einzelgenehmigung für ein Zuhause - pro Bauernhof - erteilt werden."

Eines dieser "o.g. Raumordnungskriterien" des räumlichen Entwicklungskonzeptes lautet:

"3. Vermeiden von Wohnbautätigkeit in ungünstigen und immissionsbeeinträchtigten Randlagen."

In diesem Sinne stößt es auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß auch die massive Beschattung des Grundstückes als einer von mehreren Gesichtspunkten im Beschwerdefall dafür maßgeblich ist, daß die von den Beschwerdeführern angestrebte Ausnahmebewilligung gemäß § 19 Abs. 3 leg.cit. dem Räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde widerspricht.

6. Die Beschwerdeführer bringen schließlich vor, daß die tatsächliche Ursache für die Ablehnung des Antrages in dem Umstand gelegen sei, daß der Gartenzaun einer angrenzenden Liegenschaft durch Lastzüge, die die Firma M. anfahren würden, wiederholt beschädigt worden sei, weil in diesem Bereich die Kellerstraße für einen solchen Verkehr zu schmal sein dürfte. Es wäre ein leichtes, die Gemeindestraße etwas zu verbreitern, allerdings zu Lasten der Firma M., deren Areal dort bis zu einer Tiefe von 100 m und mehr unbebaut sei. Aber auch diese Maßnahme dürfte - so die Beschwerdeführer - "nicht im Interesse dieses Unternehmens" gelegen sein. Die Beschwerdeführer hätten für sich und ihre Nachfolger die Erklärung abgegeben, daß aus dem Naheverhältnis die Firma klaglos gehalten und somit auf Anträge im Sinne der Bestimmung des § 79 GewO 1973 verzichtet werde. Trotzdem halte die Gemeinde an der Meinung fest, im Sinne einer Konfliktvermeidung zwischen "Produktion" und "Wohnen" die beantragte Einzelgenehmigung verweigern zu müssen. Angeblich sei sogar geplant, im Sinne einer derartigen Konfliktvermeidung "Rückwidmungen" von bereits bebauten Grundstücken durchzuführen. Es sei allerdings nicht näher dargelegt worden, was unter diesem Begriff zu verstehen sei. Die Weigerung der Gemeinde, dem Antrag auf Erteilung der Ausnahmebewilligung stattzugeben, führe de facto zu einer jedenfalls wirtschaftlichen Enteignung der Beschwerdeführer zugunsten der Firma M.; weil sich der landwirtschaftliche Betrieb der Antragsteller in der Nachbargemeinde befinde, sehe sich auch die Gemeinde nicht verpflichtet, auf die wirtschaftlichen Probleme der Beschwerdeführer einzugehen. Die Schutzfunktion, die die Gemeinde X "ihrer" Firma zu Lasten der Antragsteller angedeihen lasse, finde im Raumordnungsgesetz 1977 keine Deckung. Die Ablehnung des Antrages gehe einzig und allein von der durch nichts zu begründenden Annahme aus, daß es durch die Erteilung der Ausnahmebewilligung zu einer Beeinträchtigung der Flächenwidmung im Gewerbegebiet kommen würde, das jenseits der Gemeindestraße festgelegt sei. Eine derartige Schlußfolgerung, die lediglich auf einer schriftlichen Stellungnahme der Firma M. beruhe, sei aber gesetzlich unzulässig.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer ebenfalls nicht im Recht. Bereits aus dem Gutachten des Raumplaners vom 18. April 1991 ergibt sich im einzelnen, warum aus dieser Sicht das Vorhaben der Beschwerdeführer dem Räumlichen Entwicklungskonzept widerspricht. Im Gutachten ist nämlich ausgeführt, die Bebauung der fraglichen Parzelle mit einem Wohnhaus widerspreche der grundsätzlichen Aussage des Räumlichen Entwicklungskonzeptes deshalb, weil aus dem Siedlungsleitbild dieses Räumlichen Entwicklungskonzeptes zu entnehmen sei, daß wegen der genannten Zielsetzung der Konfliktfreiheit und der Funktionsbereinigung keine weiteren Wohnbauten in diesem Bereich errichtet werden sollten. Zentraler Abweisungsgrund ist demnach im Beschwerdefall - wie auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift ausführt - der Umstand, daß das Vorhaben der Beschwerdeführer dem räumlichen Entwicklungskonzept der Marktgemeinde X insoweit widerspricht, als nach diesem Konzept immissionsbeeinträchtigte Flächen von einer Bebauung freigehalten werden sollen (vgl. dazu den oben unter II. 5. wiedergegebenen Text des räumlichen Entwicklungskonzeptes). Die mitbeteiligte Partei weist in ihrer Gegenschrift auch zu Recht darauf hin, daß die Grundstücke der Beschwerdeführer als immissionsbeeinträchtigt eben deshalb angesehen werden müssen, weil sie unstrittigerweise nach dem Flächenwidmungsplan in der Nähe eines Gewerbegebietes liegen, das überdies nach dem Entwicklungskonzept im Nahbereich der Grundstücke der Beschwerdeführer erweitert werden soll. Mit ihren Beschwerdeausführungen bestätigen dies indirekt auch die Beschwerdeführer, leugnen sie doch nicht z.B. die Lärmbelästigung durch den Schwerverkehr zur und von der Firma M.

Es kann demnach keine Rede davon sein, daß - wie dies die Beschwerdeführer behaupten - eine einseitige Begünstigung der Firma M. zu Lasten der Beschwerdeführer der eigentliche Grund für die Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 gewesen ist. Die von den Beschwerdeführern auch in der Beschwerde angesprochene "Klaglosstellung" der Firma M. aus der Sicht des Gewerberechtes ist mangels gesetzlicher Grundlage im Anwendungsbereich des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 im übrigen ohne Bedeutung. Im Zusammenhang mit den Beschwerdevorbringen über die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführer wird auf die Ausführungen unter II. 2. verwiesen.

7. Aus den unter 2. bis 6. ausgeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992060052.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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