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L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dr. H in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. März 1995, Zl. 03-10.30 G 1-1995/4, betreffend Nichtigerklärung von Baubewilligungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insofern wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als er sich auf die Grundstücke 747/2, 747/3 und 747/6, KG W, bezieht.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 22. Jänner 1992 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Neubau von je einem Einfamilienwohnhaus auf den Grundstücken 747/2, 747/3, 747/4, 747/5 und 747/6, je KG W, erteilt; dies auf der Grundlage der Widmungsbewilligung vom 30. Oktober 1980.
Im Flächenwidmungsplan der Gemeinde W in der damals geltenden Fassung waren Teile der Grundstücke 747/4 und 747/5 als Vorbehaltsfläche nach § 26 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes für die Errichtung eines Rückhaltebeckens für den H-Bach (Hochwasserschutz) ausgewiesen. Dementsprechend enthielt der Spruch des zitierten Bescheides vom 22. Jänner 1992 die Einschränkung, daß "die Situierung der geplanten Einfamilienwohnhäuser auf den Grundstücken 747/4 und 747/5 so vorzunehmen sei, daß die Errichtung des Rückhaltebeckens nicht verhindert werde und vor Baubeginn das Einvernehmen mit dem Baubezirksamt Graz herzustellen sei". Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer die Berufung ein, die damit begründet wurde, daß die Vorschreibung betreffend die Situierung der Einfamilienwohnhäuser auf den Grundstücken Nr. 747/4 und 747/5 nicht der seinerzeitigen Widmungsbewilligung vom 30. Oktober 1980 entspreche. Er stelle daher den Berufungsantrag, für die Grundstücke Nr. 747/4 und 747/5 die Baubewilligung ohne Beschränkungen zu erteilen. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde W vom 22. April 1992 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 22. Jänner 1992 Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24. April 1992 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 1994 haben der Beschwerdeführer und eine weitere Grundeigentümerin einen Einlösungsantrag gemäß § 26 Abs. 2 ROG an die Gemeinde gestellt. Diesem Einlösungsantrag sind entsprechende Kontaktnahmen vorausgegangen.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1992 hat die Baubezirksleitung Graz-Umgebung mitgeteilt, daß zwar mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 30. Oktober 1980 die obgenannten Grundstücke gewidmet, jedoch durch den Flächenwidmungsplan 1.0 vom 18. Oktober 1982 in eine Vorbehaltsfläche zur Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens S-Bach - H-Bach umgewandelt worden seien. Auf das Rückhaltebecken könne aufgrund wasserwirtschaftlicher Überlegungen und zum Schutze der Unterlieger nicht verzichtet werden. Im nunmehr seit 3. Mai 1993 rechtsgültigen Flächenwidmungsplan 2.0 sei ebenfalls diese Ausweisung gegeben. Aufgrund des übermittelten Bauaktes stehe fest, daß der Bescheid des Bürgermeisters vom 22. Jänner 1992, mit welchem eine Baubewilligung für die Errichtung von
5 Einfamilienwohnhäusern auf vorgenannten Grundstücken unter verschiedenen Auflagen erteilt worden sei, aufgrund des Berufungsbescheides des Gemeinderates vom 22. April 1992 durch Zustellung vom 24. April 1992 rechtskräftig geworden sei. Nach § 32 Abs. 1 ROG 1974 dürften Bescheide einer Gemeinde nicht dem Flächenwidmungsplan widersprechen. Entgegen dieser Vorschrift erlassene Bescheide seien binnen 3 Jahren ab Rechtskraft solcher Bescheide mit Nichtigkeit bedroht. Es stehe aufgrund der Prüfung der Unterlagen fest, daß der im Spruch genannte Bescheid des Bürgermeisters, der durch die unbeeinspruchte Berufungsentscheidung des Gemeinderates rechtskräftig geworden sei, in Widerspruch zum Flächenwidmungsplan (1.0 und 2.0) der Gemeinde stehe und insbesondere der öffentlichen Zweckbestimmung einer Vorbehaltsfläche widerspreche.
Unter Hinweis auf § 101 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 hob die belangte Behörde den "Bescheid des Bürgermeisters bzw. des Gemeinderates vom 22.01.1992 bzw. 22.4.1992, beide GZ 96/1990/91", gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG wegen Nichtigkeit auf. Sie führte aus, es stehe fest, daß die Stadt Graz als zuständige Gebietskörperschaft im Sinne des § 26 Abs. 2 ROG den von den betroffenen Grundstückseigentümern gestellten Einlösungsantrag vom 13. Mai 1994 angenommen habe. Die Einwendung der Baubehörde, daß vom Rückhaltebecken angeblich nur die Grundstücke Nr. 747/4 und /5 betroffen seien, gehe ins Leere, da anläßlich der Nichtigerklärung eines Bescheides eine Trennung der Grundstücke Nr. 747/4 und /5 von den anderen Grundstücken /2, /3 und /6, laut dem alle Grundstücke /2 bis /6 betreffenden Baubescheid nicht rechtsmöglich erscheine.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem ausgeführten Beschwerdepunkt richtet sich die Beschwerde ausschließlich gegen den Teil des angefochtenen Bescheides, mit dem auch die Baubewilligungen betreffend die Grundstücke Nr. 747/2, 747/3 und 747/6 als nichtig erklärt wurden. Die Teilbarkeit des angefochtenen Bescheides vorausgesetzt, war daher der Beschwerde nur im Umfang der Anfechtungserklärung zu entsprechen.
Gemäß § 101 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 115/1967, kann außer im Fall des - hier nicht in Betracht kommenden - § 94 (Vorstellung) ein rechtskräftiger Bescheid eines Gemeindeorganes von der Aufsichtsbehörde nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes behoben werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist nach Ablauf von 3 Jahren nach Erlassung eines Bescheides dessen Behebung aus den Gründen des § 68 Abs. 4 lit. a (Z. 1) AVG nicht mehr zulässig. Gemäß § 97 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung hat die Aufsichtsbehörde unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter vorzugehen. Dieser (dem Art. 119 a Abs. 7 letzter Satz B-VG entsprechende) Grundsatz des § 97 Abs. 2 ist auch bei der Aufhebung von auf Gemeindeebene ergangenen Bescheid gemäß § 101 der Gemeindeordnung 1967 anzuwenden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof vom 27. Jänner 1977, VfSlg. 7978, und das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zlen. 86/06/0211, 85/06/0195, BauSlg. 1058).
Die Baubewilligung vom 22. Jänner 1992 wurde für 5 Einfamilienwohnhäuser auf 5 gesonderten Grundstücken erteilt; da die Einfamilienwohnhäuser durch keine gemeinsamen Anlagen verbunden sind, hätte - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - die Baubewilligung auch ohne weiteres für jedes Objekt gesondert erteilt werden können. Da unbestritten ist, daß die Ausweisung im Flächenwidmungsplan für die Errichtung des Rückhaltebeckens nur die Grundstücke Nr. 747/4 und 747/5 betrifft, hätte die belangte Behörde bei der Nichtigkeitserklärung schon in Entsprechung des im § 97 Abs. 2 der Gemeindeordnung normierten Schonungsprinzips die sachverhaltsbezogen mögliche Teilung des Baubewilligungsbescheides erkennen und berücksichtigen müssen und daher die Nichtigerklärung nur im Bezug auf die 2 betroffenen Grundstücke aussprechen dürfen. Der Hinweis der belangten Behörde, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 16. März 1989, Zl. 88/06/0084 ausgesprochen, daß in einem anderen Fall eine Baubewilligung für ein einheitliches Bauvorhaben vorgelegen sei, weil dem Bauvorhaben ein einheitlicher Bauwille zugrundegelegen sei, geht schon deshalb ins Leere, weil sich die damalige Baubewilligung auf nur einen Bauplatz bezogen hat und es sich um keine Nichtigerklärung eines Bescheides handelte, sodaß das Schonungsprinzip des § 97 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung nicht anzuwenden war.
Da die belangte Behörde zu Unrecht die Teilbarkeit des nichtigerklärten Baubewilligungsbescheides verneinte und die Nichtigerklärung auch auf Grundstücke ausdehnte, deren Bebauung nicht im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan steht, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Im Umfang der Anfechtung war daher der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060104.X00Im RIS seit
03.05.2001