TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/15 93/17/0299

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Veröffentlicht am 15.09.1995
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Index

L34007 Abgabenordnung Tirol;
L37017 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Tirol;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §201;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir §10 Abs1 lita;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir §6;
LAO Tir 1984 §151 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dkfm. F in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Juli 1993, Zl. 14/99-3/1993, betreffend Übertretung nach dem Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29. März 1993 wurde der Beschwerdeführer als gemäß § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß nach außenhin zur Vertretung berufenes Organ der näher bezeichneten

GesmbH & Co KG schuldig erkannt, für den genannten Betrieb in Innsbruck in der Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 15. Juni 1989 einen getränke- und speiseeissteuerpflichtigen Erlös von S 3,187.803,-- nicht erklärt, die darauf entfallende Getränkesteuer von S 318.780,-- nicht entrichtet und die Getränkesteuer um diesen Betrag verkürzt zu haben. Er habe dadurch § 6 iVm § 10 Abs. 1 lit. a Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz (Tir GetrStG), LGBl. Nr. 102/1973, verletzt. Über ihn werde gemäß § 10 Abs. 2 Tir GetrStG eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzarrest 3 Tage) verhängt. Ferner seien S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab und änderte den Spruch des Straferkenntnisses wie folgt:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß nach

außenhin zur Vertretung berufenes Organ der ... zu verantworten, daß für den Filialbetrieb in I ... in der Zeit vom 01.01.1986 bis 15.06.1989

ein getränke- und speiseeissteuerpflichtiger Erlös von S 3.187.803,-- nicht erklärt und die darauf entfallende Getränkesteuer von S 318.780,-- nicht entrichtet bzw. dadurch die Getränkesteuer um diesen Betrag verkürzt wurde. Im übrigen bleibt der Spruch unverändert."

In der Begründung führte die belangte Behörde zu der in der Berufung unter anderem geltend gemachten Verjährung nach § 31 VStG im wesentlichen aus, es sei richtig, daß von der Erstbehörde der Tatzeitraum vom 1. Jänner 1986 bis 15. Juni 1989 eingeschränkt worden sei, jedoch könne daraus der Tatbestand einer Verjährung nicht abgeleitet werden. Bei der Abgabenhinterziehung handle es sich um ein fortgesetztes Delikt und es sei dieses so lange verwirklicht, als die Getränkesteuer nicht ordnungsgemäß entrichtet, bzw. diese mit Bescheid vorgeschrieben werde. Auf die unrichtige Erklärung und die Abgabenverkürzung sei man erst im Zuge einer Betriebskontrolle im November 1992 gekommen. Der Bescheid über die Gesamtnachforderung sei am 13. November 1992 ergangen. Ein Schuldvorwurf gegen den Beschwerdeführer sei durch die Abfertigung der Strafverfügung am 21. Jänner 1993 erhoben worden. In Anbetracht der Tatsache, daß der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied der näher bezeichneten AG am 11. März 1992 ausgeschieden und zwischen diesem Zeitpunkt und dem Zeitpunkt der Verfolgungshandlung kein Jahr verstrichen sei, sei davon auszugehen, daß eine Verjährung nicht eingetreten sei. Als Schuldform sei Fahrlässigkeit anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht nur bei Vorliegen eines Straftatbestandes und dem Fehlen von Straf- oder Schuldausschließungs- oder -aufhebungsgründen sowie insbesondere in seinem Recht, nicht für verjährte Straftatbestände bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a des Gesetzes vom 23. Oktober 1973 über die Erhebung einer Abgabe vom Verbrauch von Getränken und von Speiseeis (Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz - Tir GetrStG), LGBl. Nr. 102/1973, begeht unbeschadet der Strafbestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung eine Verwaltungsübertretung, wer durch Handlungen oder Unterlassungen die Getränke- oder die Speiseeissteuer hinterzieht, verkürzt oder der Verkürzung aussetzt.

Der in Rede stehende Straftatbestand des § 10 Abs. 1 lit. a Tir GetrStG ist dem Tatbild nach ein Erfolgsdelikt. Das Tatbild ist dabei auf die Herbeiführung eines Erfolges, der Verkürzung der Abgabe entweder durch ein aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen (unechtes Unterlassungsdelikt) abgestellt. Eine Verkürzung liegt in solchen Fällen bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung einer Erklärungspflicht (§ 6 Tir GetrStG) nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wird (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1970, Zl. 94/69). Mit der Verkürzung ist auch der Erfolg eingetreten, das Delikt nach dem Tir GetrStG nicht nur vollendet, sondern auch beendet. Spätere nach Ablauf des vorgesehenen Termins vorgenommene Handlungen oder weiter andauernde Unterlassungen vermögen an der bereits eingetretenen Verkürzung nichts zu ändern. Ein solches Verhalten nach diesem Zeitpunkt ist auch nicht vom Tatbild erfaßt. Vielmehr sind nur die Handlungen und Unterlassungen vom Tatbild erfaßt, die in einem Kausalzusammenhang mit der Verkürzung stehen (arg.: durch Handlungen oder Unterlassungen ... hinterzieht, verkürzt oder der Verkürzung aussetzt). Dies kann bei einem Verhalten nach bereits eingetretenem Erfolg nicht mehr der Fall sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.

Gemäß § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Sind seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz VStG ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden.

Die strafbare Tätigkeit bzw. Untätigkeit ist nach dem Tatbild spätestens mit der Verkürzung der Abgabe abgeschlossen, der Erfolg ist damit eingetreten. Die Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG berechnet sich daher ab diesem Zeitpunkt, nämlich der Verkürzung der Abgabe. Ein tatbildmäßiges strafbares Verhalten danach enthält der Tatbestand nicht, sodaß die Verjährungsfrist in diesen Fällen keineswegs erst dann zu laufen beginnt - wie dies die belangte Behörde vermeint -, wenn eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung erfolgt ist.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die Verkürzungen jeweils bereits in den Zeitpunkten der Nichterklärung der erteilten getränkesteuerpflichtigen Entgelte und der Nichtentrichtung der Abgaben zu den jeweils gesetzlich vorgesehenen Abrechnungszeitpunkten eingetreten sind und ab diesen Zeitpunkten die einjährige Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 2 VStG zu laufen begonnen hat.

Eine Reihe von Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten, werden nach Lehre und Judikatur (vgl. OGH vom 3. Juni 1975, 10 Os 45/75, SSt 46/26) als ein fortgesetztes Delikt behandelt. Bei fortgesetzten Delikten sind alle gleichartigen Verletzungen einer abgabenrechtlichen Pflicht als Einheit aufzufassen. Es liegt also eine Mehrheit von Handlungen oder Unterlassungen vor, die jede für sich allein betrachtet das Tatbild ein- und desselben Finanzvergehens darstellt, wobei die Summe der einzelnen Handlungen oder Unterlassungen eine Einheit bildet

(vgl. hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1984, Zl. 82/17/0114).

Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen einem fortgesetzten Delikt und einer Mehrzahl von Einzeldelikten liegt im Bereich des Strafrechtes auch in der Beurteilung der Verjährung der Strafbarkeit. Die Verjährungsfrist bei fortgesetzt begangenen vollendeten Abgabenhinterziehungen beginnt nämlich erst mit der Verjährungsfrist der letzten Verkürzung der Abgaben zu laufen. Entscheidend ist dabei aber, daß die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluß getragen werden. Die Annahme eines einheitlichen auf die Verkürzung von Abgaben durch mehrere Jahre hindurch gerichteten Willensentschlusses ist allerdings bei einem Fahrlässigkeitsdelikt ausgeschlossen (vgl. hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 91/13/0021).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht Vorsatz, sondern Fahrlässigkeit angelastet. Ein fortgesetztes Steuerdelikt ist jedoch im Falle fahrlässiger Begehung ausgeschlossen, sodaß die belangte Behörde im Beschwerdefall schon deshalb rechtswidrig von einem fortgesetzten Abgabendelikt und bei den im angefochtenen Bescheid angeführten Verkürzungen von einer Deliktseinheit ausgegangen ist. Unter der Annahme einer fahrlässigen Begehung lagen eine Mehrheit von Einzeldelikten vor, die jeweils insbesondere auch im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist gesondert zu beurteilen waren. Abgesehen davon, erschöpft sich die Begründung des angefochtenen Bescheides in der bloßen Feststellung, es handle sich bei der "Abgabenhinterziehung" um ein fortgesetztes Delikt, ohne daß näher auf die objektiven Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes - enger zeitlicher, räumlicher und sachlicher Zusammenhang der einzelnen Tathandlungen - näher eingegangen worden wäre.

In diesem Zusammenhang wird klarstellend darauf hingewiesen, daß ein Dauerdelikt nur dann vorliegt, wenn das gesetzliche Tatbild sich nicht darin erschöpft, die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes zu pönalisieren, sondern auch die Aufrechterhaltung dieses Zustandes in das Tatbild einbezogen ist. Das in Rede stehende Tatbild des § 10 Abs. 1 lit. a Tir GetrStG pönalisiert die Aufrechterhaltung des Zustandes nicht, sodaß ein Dauerdelikt nicht gegeben ist.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den Zeitpunkt des Beginns der Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 1 VStG rechtswidrigerweise erst mit der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung für alle Abrechnungszeiträume angenommen hat. Weiters waren die fahrlässigen Verkürzungen nicht als fortgesetztes Delikt zu qualifizieren. Durch die Annahme eines fortgesetzten Delikts hat aber die belangte Behörde rechtswidrigerweise den Beschwerdeführer betreffend Verkürzungen von Abgaben, hinsichtlich derer die einjährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung - nach Darstellung der belangten Behörde mit Abfertigung der Strafverfügung am 21. Jänner 1993 - bereits abgelaufen war, trotz Vorliegens eines Strafausschließungsgrundes bestraft.

Die vorstehenden Ausführungen bedürfen keiner Entscheidung eines nach § 13 VwGG gebildeten Senates, weil damit von der Rechtsprechung zum Tir GetrStG nicht abgegangen wurde, insofern aber auch keine uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegt.

Im übrigen war im Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses vom 29. März 1993 die Strafbarkeitsverjährung auch nach § 31 Abs. 3 erster Satz VStG bereits gegeben. Nach Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab den Verkürzungszeitpunkten durfte ein Straferkenntnis (vgl. hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1991, Zl. 91/03/0069) - oder eine bestätigende Berufungsentscheidung (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zl. 93/17/0272) - nicht mehr gefällt werden. Schon das Straferkenntnis vom 29. März 1993 erging nach den vorstehenden Ausführungen nach Ablauf dieser Frist.

Aus den angeführten Erwägungen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993170299.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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