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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des D in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. März 1995, Zl. SD 107/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes,
Spruch
A. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B. den Beschluß gefaßt:
Der Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Dezember 1994, Zl. IV-400.022/FrB/94, wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß über den Beschwerdeführer, der sich zu diesem Zeitpunkt seit etwa zwei Jahren im Bundesgebiet aufgehalten habe, bereits im Mai 1986 wegen mehrfacher Verwaltungsübertretungen (unerlaubter Aufenthalt, Unterlassen der polizeilichen Anmeldung, Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung und dem Kraftfahrgesetz, Ordnungsstörung und Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden sei. Aufgrund dieses Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwar verlassen, sei aber bereits im Jahre 1987 illegal nach Österreich zurückgekehrt. Nach Ablauf des daraufhin gewährten Vollstreckungsaufschubes sei er weiterhin illegal in Österreich verblieben und habe im November 1987 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Daraufhin habe er einen Befreiungsschein und - versehentlich, trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes - einen Sichtvermerk erhalten. Die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes sei neuerlich aufgeschoben worden. Während dieser Zeit sei er je zweimal wegen Übertretungen nach § 5 Abs. 2 StVO und § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden. Ebensooft sei ihm der österreichische Führerschein wegen Trunkenheit entzogen worden. Überdies sei er mehrfach gerichtlich verurteilt worden (Gebrauch eines gefälschten jugoslawischen Führerscheines, Widerstand gegen die Staatsgewalt, vorsätzliche Körperverletzung, Einbruchsdiebstahl). Ab dem Jahre 1991 (nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes) sei der Beschwerdeführer neuerlich zweimal wegen der Übertretung nach § 5 StVO und dreimal wegen Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden. Im Jahre 1992 sei er vom Gericht wegen gefährlicher Drohung, versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Urkundenunterdrückung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Noch während der Verbüßung dieser Freiheitsstrafe sei ihm die Absicht der Behörde zur Kenntnis gebracht worden, neuerlich ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Am 7. Jänner 1993 habe der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit einem Sattelkraftfahrzeug verursacht. Er habe einen jugoslawischen Führerschein vorgewiesen, der sich nach kriminaltechnischer Untersuchung als Fälschung herausgestellt habe. Daraufhin sei er vom Landesgericht Korneuburg wegen Urkundenfälschung, gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Zur Verbüßung dieser und weiterer Freiheitsstrafen, deren bedingte Nachsicht vom Gericht widerrufen worden sei, befinde er sich nunmehr bis Anfang 1996 in Strafhaft.
Aufgrund dieser Umstände bedürfe es keiner weiteren Eröterung, daß eine ganze Reihe von bestimmten Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in geradezu drastischer Weise die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Da Frau und Kind des Beschwerdeführers in Österreich lebten, liege ein beträchtlicher Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG vor. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die offensichtliche Unverbesserlichkeit des Beschwerdeführers zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten und der Gesundheit anderer dringend geboten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen so schwer, daß den zweifellos sehr schwerwiegenden Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie kein auch nur annähernd gleichwertiges, geschweige denn überwiegendes Gewicht zukomme. Dem stehe auch die lange Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Aufenthalt weitestgehend nicht rechtmäßig bzw. während des bestehenden Aufenthaltsverbotes nur durch Vollstreckungsaufschub ermöglicht gewesen sei und weil dem Beschwerdeführer zu keiner Zeit seines Aufenthaltes die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, erkennbar inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die aufgrund des obigen Sachverhaltes zutreffende Beurteilung der belangten Behörde, daß die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG verwirklicht seien und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, wird vom Beschwerdeführer ebensowenig bekämpft, wie die gleichfalls unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.
2. Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG und führt dazu ins Treffen, daß er sich bereits seit dem Jahre 1982 in Österreich aufhalte, seit Mai 1991 verheiratet und seit Juli 1992 Vater einer ehelichen Tochter sei. Gattin und Tochter seien - ebenso wie die in Österreich lebende Mutter des Beschwerdeführers - österreichische Staatsbürger. Er bewohne mit seiner Familie eine Gemeindewohnung in Wien, für deren "Anschaffung" seine Gattin einen Kredit in der Höhe von S 130.000,-- aufgenommen habe. Er hafte für diesen Kredit als Mitschuldner zur ungeteilten Hand. Da es in Jugoslawien keine Arbeitsplätze gebe, würde seine "Vertreibung" aus Österreich den "finanziellen und wirtschaftlichen Ruin" für seine Familie, die während seiner Haft eine Sondernotstandshilfe beziehe, bedeuten. Der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofes müsse sich darüber im klaren sein, daß in diesem Fall seine Frau und sein Kind "für lange Zeit der Sozialfürsorge anheimfallen würden".
Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden wesentlichen Umstände ohnehin berücksichtigt hat und davon ausgegangen ist, daß das Aufenthaltsverbot "zweifellos sehr schwerwiegende Auswirkungen" auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie habe. In den den zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden, gegen verschiedene Rechtsgüter gerichteten strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit den ebenfalls zahlreichen Verwaltungsübertretungen, insbesondere den Verstößen gegen § 64 Abs. 1 KFG und § 5 StVO, manifestiert sich jedoch eine derart hohe Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, daß der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie zum Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Es muß berücksichtigt werden, daß der Beschwerdeführer in zahlreichen Fällen und in sehr unterschiedlichen Bereichen immer wieder gegen Gesetze verstoßen hat. Er hat damit seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung deutlich dokumentiert. Es besteht daher auch in mehrfacher Hinsicht (zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Rechte anderer, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens) ein massives öffentliches Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Familie sei auf sein im Inland erzieltes Einkommen angewiesen, sei hinzugefügt, daß er sowohl Unterhaltszahlungen als auch Kreditrückzahlungen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch aus dem Ausland leisten kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1142).
3. Nach dem Gesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Da dies bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
5. Der Antrag auf ersatzlose Aufhebung (auch) des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Dezember 1994, Zl. IV-400.022/FrB/94, war zurückzuweisen, da es dem Verwaltungsgerichtshof an einer diesbezüglichen Zuständigkeit fehlt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995180887.X00Im RIS seit
11.07.2001