TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/18 95/18/1184

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Veröffentlicht am 18.09.1995
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der J in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 1995, Zl. SD 247/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin am 10. Jänner 1990 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist sei und am 7. März 1990 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe. Wenige Tage später habe sie aufgrund dieser Eheschließung einen Befreiungsschein "und Sichtvermerke" erhalten. Der zuletzt erteilte Sichtvermerk sei bis 3. Mai 1994 gültig gewesen. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12. Juli 1993 sei die Ehe für nichtig erklärt worden. Die Beschwerdeführerin habe nicht bestritten, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Die ausschließliche Eingehung einer Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle aber einen evidenten Rechtsmißbrauch dar, der die öffentliche Ordnung gefährde und seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG "gleichzuhalten ist". Dazu komme noch der unerlaubte Aufenthalt seit 3. Mai 1994. Aufgrund des Gesamtfehlverhaltens könne kein Zweifel daran bestehen, daß die Beschwerdeführerin "den Tatbestand des § 18 Abs. 1 FrG verwirklicht".

Aufgrund des mehr als vierjährigen Aufenthaltes könne der Beschwerdeführerin "eine gewisse Integration nicht abgesprochen werden". Da sich auch deren beide Kinder im Bundesgebiet befänden, greife das Aufenthaltsverbot jedenfalls in das Privat- und Familienleben ein. Die Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher (im Grunde des § 19 FrG) zulässig. "Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes" seien die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes höher zu bewerten gewesen, als die damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie.

2. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid wegen behaupteter Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluß vom 29. Juni 1995, B 1805/95-3, abgelehnt und diese Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die maßgebliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach sie die Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen sei und aufgrund der Eheschließung Befreiungsscheine und Sichtvermerke (gültig bis 3. Mai 1994) erhalten habe.

Sie wendet sich indes gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Das "Eingehen einer nichtigen Ehe" stelle nach österreichischem Recht kein strafbares Verhalten dar. Es seien lediglich zivilrechtliche Sanktionen daran geknüpft. Daraus resultiere, daß die Eingehung einer derartigen Ehe nicht in öffentliche Interessen eingreife. Zu berücksichtigen sei auch, daß dieses Verhalten im Katalog des § 18 Abs. 2 FrG nicht enthalten sei und auch keinem der dort enthaltenen Tatbestände gleichzusetzen sei. Den von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1993, Zl.93/18/0482, und vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582, lägen jeweils nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde, bei denen dem jeweiligen Beschwerdeführer neben der mißbräuchlichen Eingehung einer Ehe noch ein weiteres Fehlverhalten vorzuwerfen gewesen sei.

1.2. Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Eingehung einer Ehe nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen um einen Rechtsmißbrauch handelt, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0505). Dieses Fehlverhalten ist seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stellt eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigt (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 95/18/0505). So hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582, ausgeführt, daß "jede der beiden in Rede stehenden Verhaltensweisen (rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe und Verwendung eines deutschen Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich) für sich einen das öffentliche Interesse erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten ist". Im vorliegenden Fall kommt überdies noch die weitere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch den unberechtigten Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit Mai 1994 dazu. Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, daß sie aufgrund des Gesamtverhaltens der Beschwerdeführerin die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gegeben erachtete.

1.3. Die Beschwerdeführerin bekämpft in den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen nicht die - unbedenkliche - Auffassung der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.

Sie führt jedoch aus, daß die belangte Behörde (bei der Interessenabwägung nach § 20 FrG) zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie überwögen. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 1990 in Österreich. Sie sei für ihre beiden Kinder im Alter von sechzehn und achtzehn Jahren, welche "voll in ihren neuen Lebensraum integriert sind", sorgepflichtig. Auch diesbezüglich seien die beiden von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht vergleichbar, weil sich die dort betroffenen Beschwerdeführer erst "relativ kurz" (Zl. 93/18/0482) bzw. erst "seit etwas mehr als zwei Jahren" (Zl. 93/18/0582) in Österreich aufgehalten hätten.

1.4. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin nur bis zum 3. Mai 1994 erlaubt war und die Erlaubtheit dieses Aufenthaltes nur auf ihr in Rede stehendes mißbräuchliches Verhalten zurückzuführen ist. Dies bewirkt, daß die aus der Dauer des Aufenthaltes resultierende Integration nicht wesentlich zugunsten der Beschwerdeführerin zu veranschlagen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0441). Den Aufenthalt der Kinder im Inland hat die belangte Behörde ohnehin zugunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Die Unterhaltszahlungen kann die Beschwerdeführerin allerdings auch vom Ausland aus erbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1142).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und des hohen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen stößt das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung auf keine Bedenken.

2. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181184.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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