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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der G in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Februar 1994, Zl. IV-720.778/FrB/94, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 1994 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den der Beschwerdeführerin am 11. August 1992 erteilten Wiedereinreisesichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz 1992 für ungültig. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, die Beschwerdeführerin sei am 5. April 1993 vom Landesgericht (für Strafsachen) Wien wegen § 164 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und Abs. 3 erster Satz zweiter Fall zweiter Satz StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt auf drei Jahre rechtskräftig verurteilt worden. Sie sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, jedoch hätten Erhebungen ergeben, daß sie ihren Gatten zuletzt vermutlich im September 1992 gesehen habe und sie habe auch zugegeben, daß es sich bei dieser Ehe lediglich um eine Gefälligkeitsehe handle. Tatsächlich lebe sie in Gemeinschaft mit einem slowenischen Staatsbürger. Sie gehe derzeit einer geregelten Beschäftigung nach; es seien Bindungen zum Bundesgebiet nicht absprechbar, jedoch hätte sie durch ihre Angaben gegenüber der Behörde versucht, höherwertigere Bindungen darzulegen, welche nicht der Wahrheit entsprächen. Da dieser Sachverhalt einen Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz darstelle und dies zweifelsohne die Versagung des Sichtvermerkes zur Folge gehabt hätte, sei aus Gründen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit der Sichtvermerk für ungültig zu erklären.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:
1. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Parteiengehörs mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe in ihrem Bescheid ausgeführt, daß "Erhebungen ergeben hätten, daß die Beschwerdeführerin ihren Gatten vermutlich im September 1992 das letzte Mal gesehen und es sich bei der eingegangenen Ehe lediglich um eine Gefälligkeitsehe gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin lebe mit einem slowenischen Staatsbürger in Gemeinschaft." In ihrer Stellungnahme vom 28. Dezember 1993 habe sich die Beschwerdeführerin auf einen völlig konträren Sachverhalt gestützt und es sei ihr später "in keinster Weise" Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Erhebungen zu äußern.
Bei diesem Vorbringen dürfte der Beschwerdeführerin entgangen sein, daß sie - nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes - am 24. Jänner 1994 von der belangten Behörde vernommen wurde und die Begründung des angefochtenen Bescheides zur Gänze durch den Inhalt der Aussage der Beschwerdeführerin gedeckt ist. Die nunmehrige Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist somit nicht nachvollziehbar.
2. Ihren Vorwurf, die belangte Behörde habe "in dem angefochtenen Bescheid mehr oder weniger zugegeben, daß sie über die tatsächlichen Verhältnisse der Integration nur äußerst unzureichend Erhebungen angestellt hat", begründet die Beschwerdeführerin mit dem Bescheidinhalt, daß die Beschwerdeführerin "vermutlich zuletzt im September 1992 ihren Gatten gesehen habe". Sie übersieht dabei, daß die belangte Behörde mit dieser Wendung keine eigene Vermutung anstellte, sondern die Aussage der Beschwerdeführerin "zuletzt gesehen habe ich Herrn L. glaublich im September 1992" übernahm. Von "zweideutigen Indizien", die die belangte Behörde zur Begründung herangezogen hätte, kann keine Rede sein.
3. Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit meint die Beschwerdeführerin, der festgestellte Sachverhalt stelle keine Tatsache dar, welche die Versagung des Sichtvermerkes rechtfertigen würde.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die Beschwerdeführerin meint, die rechtskräftige Verurteilung zu einer zur Gänze bedingten Strafe rechtfertige nicht die Annahme eines einzelnen schweren Verstoßes, weshalb schon aus diesem Grund eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit als Sichtvermerksversagungsgrund nicht heranzuziehen gewesen wäre und es hätte bei rechtsrichtiger Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzipes die Ungültigkeit des Sichtvermerkes nicht ausgesprochen werden dürfen.
Dem vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Zutreffend nahm die belangte Behörde auf Grund des dargestellten Sachverhaltes an, daß der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz gefährden würde und somit der der Beschwerdeführerin erteilte Sichtvermerk im Grunde des § 11 Abs. 1 Fremdengesetz ungültig zu erklären sei. Die Verwirklichung des Tatbestandes der Hehlerei und das Eingehen einer "Gefälligkeitsehe" (nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin wegen ihrer "Probleme mit der Arbeitskarte bzw. mit dem Visum") lassen auf eine schwerwiegende Mißachtung der Vorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) und der öffentlichen Sicherheit (Schutz des Eigentums anderer) durch die Beschwerdeführerin schließen.
Das Ergebnis der bei Heranziehung des § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen Interessen an der Versagung (bzw. im Grunde des § 11 Abs. 1 leg. cit. an der Ungültigerklärung) eines Sichtvermerkes gegen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die "Gefälligkeitsehe" der Beschwerdeführerin kann nicht zu ihren Gunsten ausschlagen und es bleibt nur eine berufliche Integration. Das Gewicht dieser Integration wird jedoch nicht unbeträchtlich dadurch gemindert, daß die Beschwerdeführerin bei ihrem Sichtvermerksantrag unrichtige Angaben über ihren Beruf und ihren Dienstgeber getätigt hatte. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin wiegen daher keineswegs so schwer wie die auf den oben angeführten Gründen beruhenden öffentlichen Interessen an der Ungültigerklärung ihres Sichtvermerkes.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180136.X00Im RIS seit
20.11.2000