TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/18 95/18/0093

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Veröffentlicht am 18.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §9 Abs3;
AVG §39 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1994, Zl. 108.473/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 17. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes abgewiesen.

Begründet wird der angefochtene Bescheid damit, daß "nunmehr" die für das Bundesland Wien in der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 72/1994 festgesetzte Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen erreicht sei. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers könne ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 2 Abs. 1 AufG hat die Bundesregierung für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen; gemäß § 2 Abs. 2 AufG sind hiebei die Bewilligungen auf die Länder aufzuteilen. Mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, wurde für das Land Wien eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgelegt. Gemäß § 9 Abs. 3 AufG dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl erreicht ist. Nach dem zweiten Satz des § 9 Abs. 3 AufG ist die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen. Gemäß § 3 Abs. 3 zweiter Satz AufG kann "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen ... wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung ... volljährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern oder von Fremden, die sich rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet aufhalten, erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.".

2. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie hätte den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht abweisen dürfen, sondern die Entscheidung hierüber gemäß § 9 Abs. 3 AufG wegen Vorliegens der in § 3 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. normierten Voraussetzungen verschieben müssen. Wie nämlich dem Berufungsvorbringen des Beschwerdefühers zu entnehmen sei, lebe die Mutter des Beschwerdeführers seit mehr als zwei Jahren in Österreich und genieße eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung. Der Beschwerdeführer sei aufgrund eines in Österreich erlittenen Arbeitsunfalles praktisch arbeitsunfähig und wirtschaftlich von seiner Mutter abhängig, welche auch für seinen Unterhalt aufkomme und sich verpflichtet habe, dies auch weiterhin zu tun. Er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes pflegebedürftig und daher noch über die wirtschaftliche Abhängigkeit hinausgehend auf seine Mutter und deren Betreuung angewiesen.

Im Hinblick auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerde vor, daß die belangte Behörde in keiner Weise begründet habe, warum sie davon ausgehe, daß im Fall des Beschwerdeführers eine besondere Härte im Sinne des § 3 Abs. 3 AufG nicht vorliege und ihm diesbezüglich keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei.

3. Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ausgeführt, daß er in den Jahren 1971 bis 1988 in Österreich gelebt habe und ab 1988 sich teilweise in Österreich, teilweise in Jugoslawien aufgehalten habe. Im Jahr 1993 habe er einen Unfall mit einer multiplen Schädelfraktur und einem schweren Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Seither sei seine Arbeitsfähigkeit stark gemindert. Er werde von seiner seit vielen Jahren in Österreich lebenden Mutter finanziell unterstützt, mit welcher er auch zusammen lebe und habe keinerlei familiäre oder persönliche Bindung mehr zu seinem Heimatland.

Mit diesem - auch in der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz wiederholten - Vorbringen hat sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz für einen Fremden eine besondere Härte im Sinne des § 3 Abs. 3 AufG darstellen, wenn sich dieser viele Jahre in Österreich aufgehalten hat, hier einen schweren Arbeitsunfall erlitten hat, aufgrund dessen seine Arbeitsfähigkeit stark herabgemindert ist, und von seiner Mutter, mit der er in Österreich zusammenlebt, wirtschaftlich abhängig ist. Die belangte Behörde hätte daher ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall gemäß § 39 Abs. 2 AVG nähere Feststellungen darüber treffen müssen, ob es sich im Fall des Beschwerdeführers - insbesondere im Hinblick auf den Grad seiner durch den in Österreich erlittenen Arbeitsunfall verursachten Behinderung - um einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne des § 3 Abs. 3 zweiter Satz AufG handelt. Da sich die belangte Behörde mit dieser Frage jedoch überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da im Hinblick auf § 24 Abs. 1 VwGG die Einbringung von nur zwei - mit je S 120,-- zu vergebührenden - Beschwerdegleichschriften erforderlich war, konnte Stempelgebührenersatz von insgesamt nur S 270,-- zugesprochen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180093.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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