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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/05/0141Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des E in Hermagor, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, und 2. des
F in Hermagor, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. April 1995, Zl. 8 BauR1-173/2/1995, betreffend Einwendungen in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Hermagor-Presseger See, vertreten durch den Bürgermeister,
2. O), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von je S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 14. Februar 1994 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die "Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung dreier Traunsteinsilos auf den Parzellen n1 der KG V und n2 der KG E". Die drei Silos sollen auf Grund der Baubeschreibung eine Länge von 25 m und eine lichte Breite von 3,50 m haben; die lichte Höhe soll mit 1 m hergestellt werden. Der Boden der Silos soll eine Grobschotterunterlage und darauf eine 12 cm starke Betonplatte mit 4 % Gefälle aufweisen. Die Umfassungswände der beiden Silos werden betoniert. Die Errichtung der Siloanlage ist auf Grundstücken vorgesehen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hermagor - Pressegger See als "Grünland-Landwirtschaft" ausgewiesen sind.
In der mündlichen Bauverhandlung wendete der Erstbeschwerdeführer ein, die Anlage werde unmittelbar an seiner Besitzgrenze errichtet; seine Grundstücke seien als Bauland ausgewiesen und es bestehe seitens seiner Besitznachfolger die Absicht, in diesem unmittelbaren Bereich ein Wohnobjekt zu errichten. Es sei damit zu rechnen, daß es zu Interessenskonflikten kommen werde, welche infolge Beeinträchtigung durch Geruchsbelästigungen sowie auftretende Sickerwässer entstehen könnten. Unklar sei, wie die bauliche Anlage errichtet werden soll, da auch beabsichtigt sei, Anschüttungen vorzunehmen.
Der Zweitbeschwerdeführer begründete seine Einwendungen damit, daß die Siloanlage einen derart starken Geruch (Gärgase) verursachen werde, daß ein Wohnen in unmittelbarer Nähe sowie der Aufenthalt im Freien unzumutbar erscheinen werde.
Mit Bescheid vom 17. Jänner 1995 erteilte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Partei antragsgemäß die Baubewilligung, wobei u.a. folgende Auflagen vorgeschrieben wurden:
"3.)
Es dürfen keine Silosäfte in den Untergrund versickern bzw. in Gewässer abgeleitet werden.
4.)
Für den Saftabfluß ist der Silo mit einem Längsgefälle von 2 % auszustatten, sodaß die Ableitung in einen zu errichtenden Sammelschacht erfolgt.
5.)
Der Sammelschacht hat einen Mindestinhalt von 1/3 m3 aufzuweisen.
...
7.) Der Silosammelschacht ist flüssigkeitsdicht herzustellen
..."
Die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen "hinsichtlich der Geruchsbelästigungen und allenfalls auftretender Sickerwässer" wurden "als unbegründet zurückgewiesen".
Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung. Die Berufungsbehörde übermittelte im Zuge des Berufungsverfahrens den Beschwerdeführern ein Gutachten des Sachverständigen Ing. V, Bediensteter der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Kärnten, Außenstelle Hermagor, vom 8. März 1994, welcher bezüglich der Geruchsbelästigung zum gegenständlichen Bauprojekt ausführte:
"Fahrsiloanlagen, Traunsteinsiloanlagen verursachen bei Einhaltung der Siliergrundsätze keine Immissionen. Durch die Errichtung einer befestigten Fahrsiloanlage wird die Bodensilierung ersetzt, die Gärqualität wird verbessert, Fehlgärungen mit Geruchsentwicklung treten nicht mehr auf und es ist in Summe mit einer Verbesserung der Situation zu rechnen. Fahrsiloanlagen entsprechen grundsätzlich dem Stand der Technik in der Landwirtschaft."
Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von welcher sie jedoch keinen Gebrauch machten.
Mit Bescheid vom 17. März 1995 gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erwähnten Bescheid des Bürgermeisters keine Folge.
In der dagegen erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 36 der Kärntner Bauvorschriften unter anderem aus, Senkgruben für Schmutzwässer seien nicht nur wasserdicht herzustellen und tragfähig abzudecken, sondern auch mit einer Einstiegsöffnung zu versehen. Eine geeignete Beseitigung der Silosäfte sei im bekämpften Bescheid nicht vorgesehen. Die Baubehörden wären verpflichtet gewesen, die Frage der Geruchsentwicklung der Siloanlage durch einen Amtssachverständigen oder durch eine andere allgemein beeidete oder zu beeidende Person aufzuklären. Ing. Grader sei kein Sachverständiger im Sinne des § 52 Abs. 2
AVG.
Mit Bescheid vom 26. April 1995 wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführer könnten sich auf § 36 der Kärntner Bauvorschriften (richtig wohl: § 42) nicht erfolgreich berufen, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens keine Senkgrube, sondern eine Siloanlage, also keine Abwasserbeseitigungsanlage, sei. Dem Nachbarn komme kein allgemeiner Immissionsschutz zu. Aus § 3 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 (Grünland) lasse sich kein Immissionsschutz für Nachbarn ableiten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. April 1987, Slg. Nr. 12448/A).
Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Nichtbewilligung des beantragten Bauvorhabens verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 21 Kärntner Bauordnung 1992 (BO) ist im Baubewilligungsverfahren dem Eigentümer, jenen Servitutsberechtigten, deren Recht durch das Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, und den Anrainern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichzuhalten.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind Anrainer die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke.
Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen können Parteien im Sinne des Abs. 1 und 2 gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien (Abs. 4) im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechtes oder der Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen.
Das Mitspracherecht der Nachbarn im baurechtlichen Bewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, u.v.a.). Hat der Nachbar als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß geladen wurde, rechtzeitig - spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung vor der Behörde oder während der Verhandlung - gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben, dann ist anzunehmen, daß er dem Bauvorhaben zustimmt. Verspätet erhobene Einwendungen finden keine Berücksichtigung. Der Nachbar hat also nur hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des unterinstanzlichen Bescheides. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben die Rechtsfolgen der Präklusion zu berücksichtigen. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorhaben die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur vor, wenn dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294, mit weiteren Nachweisen).
Die Beschwerdeführer haben gegen das bewilligte Bauvorhaben vorgebracht, es würden unzumutbare Geruchsbelästigungen und Sickerwässer auftreten.
Der Nachbar besitzt ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 21 Abs. 5 BO darauf, daß für ein im Hinblick auf die damit verbundenen Immissionen in einer bestimmten Widmungskategorie unzulässiges Bauvorhaben eine Baubewilligung nicht erteilt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1974, Slg. Nr. 8579/A, vom 21. Februar 1979, Slg. Nr. 9775/A, vom 13. Juni 1988, Zl. 84/06/0196 und vom 14. April 1987, Zl. 87/05/0049, BauSlg. Nr. 908). Dies gilt auch für die Rechtslage auf Grund der Novelle 1992, LGBl. Nr. 26 (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 254).
Es bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung, ob die bewilligte Siloanlage zulässigerweise auf den Grundstücken der zweitmitbeteiligten Partei mit der Flächenwidmung "Grünland-Landwirtschaft" errichtet werden darf, da sich der Einwand der Geruchsbelästigung entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf anfallende Sickerwässer, sondern auf entstehende Gärgase bezogen hat und auf Grund des - in seiner Richtigkeit auch in der Beschwerde nicht bekämpften - Gutachtens des Sachverständigen Ing. Valentin Grader vom 8. März 1994 feststeht, daß eine Geruchsentwicklung durch die Siloanlage nicht auftreten wird.
Daß die Anlage auf Grund des bestehenden Flächenwidmungsplanes nicht errichtet werden dürfte, wurde von den Beschwerdeführern nicht eingewendet. Im übrigen gewährt die Flächenwidmung Grünland-Landwirtschaft dem Nachbarn keinen Immissionsschutz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1987, Slg. Nr. 12448/A zu § 3 Abs. 3 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes, nur Rechtssatz).
Bezüglich ihres Einwandes hinsichtlich der anfallenden Sickerwässer (nur vom Erstbeschwerdeführer erhoben) verweisen die Beschwerdeführer auf § 42 der Kärntner Bauvorschriften, welcher im hier maßgeblichen Umfang folgenden Wortlaut hat:
"(1) Bei allen Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen ist unter Bedachtnahme auf ihren Verwendungszweck für das Sammeln und Beseitigen der Fäkalien, der Schmutzwässer und der Niederschlagswässer vorzusorgen ....
(2) Fäkalien und Schmutzwässer sind in einen Kanal oder in eine Senkgrube oder auf eine andere unschädliche und belästigungsfreie Art abzuleiten. Werden Fäkalien und Schmutzwässer nicht in einen Kanal oder in eine Senkgrube abgeleitet, sind sie zu klären."
Gestützt auf § 15 Abs. 2 lit. c BO, wonach eine Baubewilligung für die im § 4 lit. a bis c leg. cit. genannten Bauvorhaben nur erteilt werden darf, wenn kein Grund nach § 11 Abs. 2 entgegensteht und eine der Art und Lage und Verwendung des Vorhabens entsprechende Abwasserbeseitigung sichergestellt ist, führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, es handle sich hiebei um eine gesetzliche Bestimmung, die nicht in spezifischer Weise dem Schutz der Anrainer im Rahmen der Kärntner Bauordnung diene. Auf § 42 der Kärntner Bauvorschriften könnten sich die Beschwerdeführer nicht berufen, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens keine Senkgrube sondern eine Siloanlage, also keine Abwasserbeseitigungsanlage, sei.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich in diesem Zusammenhang zu der Klarstellung veranlaßt, daß zwar § 15 Abs. 2 BO, wonach ein Vorhaben nur dann bewilligt werden darf, wenn unter anderem eine entsprechende Abwasserbeseitigung sichergestellt ist, den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht nicht einräumt, allerdings die Vorschrift des § 42 Abs. 2 erster Satz der Kärntner Bauvorschriften, soweit damit eine unschädliche und belästigungsfreie Ableitung garantiert werden soll, auch dem Interesse der unmittelbar betroffenen Nachbarn und nicht nur dem öffentlichen Interesse dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1979, Zl. 637 und 638/79). Hiebei kommmt es nicht darauf an, ob das zu beurteilende Bauvorhaben eine Abwasserbeseitigungsanlage ist, sondern ob das nach § 4 lit. a bis c BO zu bewilligende Bauvorhaben eine im Sinne des § 15 Abs. 2 lit. c leg. cit. entsprechende Abwasserbeseitigung vorsieht, welche gemäß § 42 Abs. 2 erster Satz Kärntner Bauvorschriften Fäkalien und Schmutzwässer auf unschädliche und belästigungsfreie Art ableitet.
Auf Grund der im Bewilligungsbescheid erteilten Auflagen vermag jedoch der Verwaltungsgerichtshof einen Verstoß der Baubehörden gegen § 42 der Kärntner Bauvorschriften im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Ein solcher wird von den Beschwerdeführern auch nicht in für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise in der Beschwerde vorgetragen.
Die Beschwerden erweisen sich somit insgesamt als unbegründet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050140.X00Im RIS seit
28.09.2001