TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/19 95/05/0101

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Veröffentlicht am 19.09.1995
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Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der M in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. Dezember 1994, Zlen. R/1-V-93166/00 und R/1-V-93166/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben und Parteistellung in einem anderen Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. C Gesellschaft m.b.H. in W, 2. Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 3754, KG B, das neben dem Grundstück Nr. 3755 derselben Katastralgemeinde liegt.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde beantragte am 2. Juli 1993 die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 3755, das laut Flächenwidmungsplan als Grünland-Sportgebiet gewidmet ist. In der mündlichen Verhandlung über dieses Bauvorhaben bestritt die Beschwerdeführerin den Grenzverlauf zwischen dem Grundstück Nr. 3755 und ihrem Grundstück sowie die Zulässigkeit der Einfriedung nach dem Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz 1976. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. Juli 1993, Zl. 26/1993, wurde die Einfriedung bewilligt. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 13. August 1993 mit der Begründung abgewiesen, daß der bewilligte Zaun der Flächenwidmung nicht widerspreche. Bezüglich des strittigen Grenzverlaufes verwies er die Beschwerdeführerin auf den Zivilrechtsweg, es wurde jedoch ausgeführt, daß der Zaun vorerst in einem Abstand von 30 cm von der in der Natur ersichtlichen Grenze errichtet werde. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid zurück, weil der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde das Ansuchen vom 2. Juli 1990 mit Schreiben vom 9. September 1994 an die Aufsichtsbehörde zurückgezogen habe.

In einem anderen Verfahren betreffend die Errichtung eines Entsorgungsbetriebes durch die erstmitbeteiligte Partei beantragte die Beschwerdeführerin am 27. August 1993 beim Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Anerkennung als Partei des Verfahrens und die Zustellung des Baubewilligungsbescheides. Dieses Ansuchen der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom 27. September 1993 abgewiesen, da die Beschwerdeführerin im zitierten Verfahren keine Parteistellung habe. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 23. Dezember 1993 abgewiesen. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung wies die Beschwerdeführerin nochmals auf ihre Parteistellung hin, sie sei zwar nicht unmittelbare Nachbarin, das Bauvorhaben könne aber ihre subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Die Erstmitbeteiligte teilte am 16. September 1994 mit, daß sie das Ansuchen um Errichtung ihrer Anlage "storniere".

Nachdem der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden war, daß beide Bauansuchen zurückgezogen worden seien, erklärte die Beschwerdeführerin der Aufsichtsbehörde ausdrücklich, daß sie auf der Behandlung ihrer Vorstellung beharre. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde auch die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 23. Dezember 1993 als unzulässig zurückgewiesen, dies unter Hinweis auf die Zurückziehung des Bauansuchens mit der Bemerkung, im Falle der Zurückziehung des Bauansuchens könne das Ansuchen zumindest in der Sphäre des Bauwerbers keine Rechtswirkung mehr ausüben, eine Rechtsverletzung durch einen derartigen Bescheid sei somit ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß die den Entsorgungsbetrieb sowie die Zaunerrichtung betreffenden Baubewilligungsbescheide in Rechtskraft erwachsen sind, sodaß nicht ausgeschlossen werden kann, daß von den Baubewilligungen schon wegen ihrer dinglichen Wirkung auch von einem Rechtsnachfolger Gebrauch gemacht werden könnte. Daran änderten in bezug auf die beschwerdeführende Nachbarin auch die nach Erlassung der Berufungsentscheidungen durch den Gemeinderat erfolgten Zurückziehungen der beiden Bauansuchen nichts.

Die Vorstellungsbehörde hat ihrer Entscheidung die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vorlag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 90/05/0170, u.v.a.). Die Vorstellungsbehörde hätte daher nicht mit einer Zurückweisung der Vorstellung vorgehen dürfen, sondern sich mit den in der Vorstellung gegen die Bescheide des Gemeinderates behaupteten Rechtsverletzungen inhaltlich auseinandersetzen müssen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der von der belangten Behörde zitierte hg. Beschluß vom 28. Juni 1994, Zl. 94/05/0013, bezog sich auf einen anderen Sachverhalt, weil im damaligen Beschwerdefall der beschwerdeführende Bauwerber SEIN EIGENES Bauansuchen während des Beschwerdeverfahrens zurückgezogen hatte, womit die Beschwerde gegenstandslos geworden war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Verletzung der Entscheidungspflicht durch Gemeindebehörden und Vorstellungsbehörden Zulässigkeit der Vorstellung Parteistellung und Rechtsansprüche der Parteien (außer der Gemeinde) im Vorstellungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050101.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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