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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §825;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993, Zl. MD-VfR - B V - 7/92, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Eva P u.a., alle in W, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 1962 zunächst einen 428/4878-Anteil an der Liegenschaft EZ 1050, Grundstück Nr. 1133/1 (Wien, Ecke N-Gasse 44 - S-Gasse 3), von der "D."-Gemeinützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft mit beschränkter Haftung. Nach Punkt VI dieses Vertrages wurde mit den kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteilen das Wohnungseigentum am gesamten Erdgeschoß des Straßentraktes mit Ausnahme der gemeinsamen Einfahrt laut genehmigten Bauplänen und den im Hof gelegenen Serviceboxen verbunden. Aus dem am 11. Oktober 1963 mit der Beschwerdeführerin und 29 weiteren Wohnungseigentümern abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag ergibt sich, daß hinsichtlich des nunmehr festgestellten 940/9132-Anteiles der Beschwerdeführerin das Wohnungseigentum am Geschäftslokal mit den Bestandteilen "Tankstelle/AR, Lagerraum, V, Gd, Waschraum, WC und 3 PKW-Boxen" im Ausmaß von 850,02 m2 verbunden ist.
Die Mitbeteiligten sind Wohnungseigentümer in dem auf der gegeständlichen Liegenschaft errichten Gebäude.
Hinsichtlich des früheren, mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. August 1992 versagten Bauvorhabens ist auf die Sachverhaltsdarstellung im Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 93/05/0105, zu verweisen. Die Beschwerdeführerin suchte am 15. September 1992 neuerlich um Baubewilligung an, wobei sich das neue Projekt vom früheren vor allem dadurch unterschied, daß der schon bestehende vorhandene Füllschacht im Einfahrtsbereich weiterhin für die Mineralölsorten Super und Normalbenzin Verwendung finden sollte, hingegen ein neuer Füllschacht für Diesel und Super-Bleifrei jetzt im Bereich des neuen Lagerbehälters außerhalb des unterkellerten Gebäudeteiles errichtet werden soll.
Mit Bescheid vom 25. September 1992 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, das geänderte Projekt. Da jetzt der Füllschacht nicht mehr an einer in einem gemeinsamen Bestandteil des Hauses liegenden Stelle errichtet werde, liege der von der Bauoberbehörde herangezogene Versagungsgrund nicht mehr vor.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachten die Miteigentümer vor, daß der vergrößerte Tank samt Baugrube auch im Bereich der Allgemeinfläche liege, daß die im Zuge der Bauarbeiten notwendig gewordene Sperre der Durchfahrt eine Allgemeinfläche betroffen habe und daß die Durchfahrtshöhe wegen der erfolgten Niveauanhebung vermindert worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid abermals auf und versagte die beantragte Baubewilligung. Zum rechtlichen Ergebnis, daß auch diesem Ansuchen alle Miteigentümer hätten zustimmen müssen, gelangte sie aufgrund folgender Feststellungen:
"Dem einen Bestandteil des Bescheides bildenden Plan ist zu entnehmen, daß der neu einzubauende Lagerbehälter über den auszutauschenden (daher gelb umrandet dargestellten Behälter) um ca. 60 cm hinausragt, hiezu kommt noch, daß die vorgesehene Betonplatte um ca. 1 m über die ursprünglich vorgesehene Abdeckung des alten Lagerbehälters hinaussteht.
Die Ein- und Ausfahrt ist in diesem Plan mit 5,50 m kotiert bis zur Behälterkante des alten Behälters sowie um weitere 50 cm bis zum Rand der Einfahrt. Dies entspricht den 6 m, wie sie im Genehmigungsplan des Baubewilligungsbescheides eingetragen sind. Es ergibt sich daraus einwandfrei, daß der nunmehr vorgesehene Behälter gegenüber dem genehmigten Behälter in den gemeinsamen Teil des Hauses um mehr als 1,50 m hineinragt."
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab. In ihrer Ergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Baubewilligung und in den aus dem Bewilligungsbescheid erster Instanz erfließenden Rechten verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Die Mitbeteiligten erstatteten gleichfalls eine Gegenschrift und legten ein Urkundenkonvolut, betreffend insbesondere das gewerberechtliche Verfahren und ein Verfahren vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien (im folgenden BO) in der im Beschwerdefall anzuwendenen Fassung LGBl. Nr. 28/1987 lautet:
"(1) Dem Ansuchen um Baubewilligung hat der Bauwerber anzuschließen:
...
c) die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist. Im Falle des Wohnungseigentums ist die Zustimmung aller Miteigentümer nicht erforderlich, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betrifft; ..."
Die belangte Behörde hat die ständige hg. Judikatur richtig wiedergegeben, wonach dann, wenn die Zustimmung zur Bauführung im Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens überhaupt nicht vorgelegen hat oder später weggefallen ist, die Zustimmung des Miteigentümers zu einer Voraussetzung für die positive Erledigung des Bauansuchens wird, die auch im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung gegeben sein muß (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 288). Daß die Miteigentümer ihre fehlende Zustimmung als Partei des Bauverfahrens geltend machen können, ergibt sich aus § 134 Abs. 3 erster Satz BO. Diese Bestimmung lautet:
"Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien; im Falle des Wohnungseigentums ist nur der betreffende Wohnungseigentümer Partei, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betrifft; ..."
Daraus folgt, daß die Baubewilligung zufolge der nicht erteilten Zustimmung der zur Berufung legitimierten Miteigentümer zu versagen ist, wenn eine der in beiden Bestimmungen ident geregelten Sachvoraussetzungen gegeben ist.
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mit der Begründung vor, daß die belangte Behörde von den Feststellungen der Erstinstanz abgewichen sei, ohne der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör (i.S.d. § 45 Abs. 3 AVG) zu gewähren.
Die Baubehörde erster Instanz kam nach Beurteilung des eingereichten Projektes zu dem Ergebnis, daß der alte Füllschacht belassen wurde und ein weiterer Füllschacht zwischen zwei Domschächten des neuen Behälters und damit nicht mehr an einer in einem gemeinsamen Bestandteil des Hauses liegenden Stelle angebracht werde. Diese Bescheidbegründung war insoferne mangelhaft, als die Baubehörde erster Instanz die wesentliche Feststellung, ob das (gesamte) Vorhaben gemeinsame Teile betrifft oder nicht, unterließ. Die Berufungsbehörde holte diese fehlende Feststellung zwar nach, ließ dabei aber wesentliche Verfahrensvorschriften außer Acht.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG ist die Berufungsbehörde wohl berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Bei Nachholung von im erstinstanzlichen Bescheid fehlenden Feststellungen hat die Berufungsbehörde aber jedenfalls die Bestimmung des § 45 AVG zu beachten; in ihrer Gegenschrift meint sie, bei den aus den Plänen übernommenen Maßen und Darstellungen handle es sich um Tatsachen, die offenkundig seien und daher (i.S.d. § 45 Abs. 1 AVG) keines Beweises bedürften.
Der Verwaltungsgerichtshof kann sich bei seiner nachprüfenden Kontrolle dieser Auffassung nicht anschließen. Die herangezogene Eintragung "5,50 m" betrifft die Entfernung zwischen einer Säule und einer an der Achse des alten, abzutragenden Behälters angelegten Normale. Die Eintragung "Ein-Ausfahrt" befindet sich in keiner unmittelbaren Nahebeziehung zur genannten Kotierung; es läßt sich aus der Bezeichnung "Ein-Ausfahrt" auch nicht unzweifelhaft entnehmen, ob damit allein die im Kaufvertrag vom 9. Oktober 1962 genannte "gemeinsame Einfahrt" gemeint ist. So fällt etwa auf, daß die zum Hof führende "Durchfahrt" nur mehr 3,5 m breit ist. Im Gegensatz zu dem dem Bescheid vom 27. August 1992 zugrundegelegten Plan reicht die Eintragung der Worte "Ein-Ausfahrt" auch nicht mehr in die Betonplatte hinein, die den Lagerbehälter bedecken soll.
Somit kann der Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehen, daß sich die Inanspruchnahme gemeinsamer Flächen aus dem Plan "offenkundig" ergäbe. Die Berufungsbehörde wäre daher verpflichtet gewesen, in einem nach den Grundsätzen des § 45 Abs. 2 AVG durchgeführten Ermittlungsverfahren insbesondere die beabsichtigte Änderung bzw. Ergänzung im festzustellenden Sachverhalt gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Beschwerdeführern vorzuhalten (siehe die Nachweise bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 420 ff).
Im fortgesetzten Verfahren wird zu klären sein, wie breit exakt die gemeinsame Durchfahrt ist und wo der der Beschwerdeführerin gehörige Tankstellenbereich beginnt. Der den Genehmigungsvermerk vom 17. Juli 1963 tragende Plan mag zwar ein Indiz sein, jedoch ist keinesfalls gesichert, daß mit der dortigen Einzeichnung einer Betankungsinsel bereits die äußerste Grenze der der Beschwerdeführerin gehörenden Fläche erreicht wurde. Allenfalls muß ermittelt werden, wo sich die Grenzen der laut Wohnungseigentumsvertrag der Beschwerdeführerin zugeschriebenen 850,02 m2-Fläche befinden. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa im Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/05/0264, zur Frage, ob sich eine Decke zwischen zwei Wohnungseigentumsobjekten befinde, ausgeführt, daß es auf die Festlegung der Objekte in der Nutzwertfestsetzung bzw. Parifizierung und den darauf beruhenden Wohnungseigentumsvertrag ankomme. Hingegen kann den Ergebnissen eines Besitzstörungsprozesses jedenfalls keine bindende Wirkung zugebilligt werden.
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage der Bewilligungspflicht ist - wie schon im Erkenntnis betreffend den Bescheid vom 27. August 1992 ausgeführt - darauf zu verweisen, daß sich die Bewilligungspflicht selbstverständlich auch aus § 60 Abs. 1 lit. b BO ergeben kann.
Nicht im Recht befinden sich die Mitbeteiligten mit ihrer Auffassung, gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Garagengesetz sei die beabsichtigte Veränderung unzulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof in seiner diesbezüglichen Rechtsprechung ausgeführt hat, daß die in dieser Gesetzesbestimmung getroffene Einschränkung nur für Neuerrichtungen, nicht aber für Veränderungen oder Vergrößerungen gilt (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer aaO, 660 f). Zu bemerken ist weiters, daß allein das Projekt selbst, aber nicht die Bauausführung die genannten Voraussetzungen gemäß § 63 Abs. 1 lit. c BO bzw. 134 Abs. 3 erster Satz BO erfüllen muß, sodaß die Verwendung gemeinsamer Flächen allein zur Bauausführung nicht schadet; diesbezüglich schafft § 126 BO Abhilfe.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993050162.X00Im RIS seit
17.08.2001