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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992, Zl. MD-VfR - B V - 2/92, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Eva P u.a., alle in W, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 14.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 1962 zunächst einen 428/4878-Anteil an der Liegenschaft EZ 1050, Grundstück Nr. 1133/1 (Wien, Ecke N-Gasse 44 - S-Gasse 3), von der "D."-Gemeinützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft mit beschränkter Haftung. Nach Punkt VI dieses Vertrages wurde mit den kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteilen das Wohnungseigentum am gesamten Erdgeschoß des Straßentraktes mit Ausnahme der gemeinsamen Einfahrt laut genehmigten Bauplänen und den im Hof gelegenen Serviceboxen verbunden. Aus dem am 11. Oktober 1963 mit der Beschwerdeführerin und 29 weiteren Wohnungseigentümern abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag ergibt sich, daß hinsichtlich des nunmehr festgestellten 940/9132-Anteiles der Beschwerdeführerin das Wohnungseigentum am Geschäftslokal mit den Bestandteilen "Tankstelle/AR, Lagerraum, V, Gd, Waschraum, WC und 3 PKW-Boxen" im Ausmaß von 850,02 m2 verbunden ist.
Die Mitbeteiligten sind Wohnungseigentümer in dem auf der gegeständlichen Liegenschaft errichten Gebäude.
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, am 4. Februar 1991 die Baubewilligung für bestimmte Änderungen an dieser Tankstelle. Nach dem technischen Bericht sollten u.a. der Lagerbehälter mit 2 Kammern a 10.000 Liter, sämtliche Abgabestellen (Pumpen) und alle dazugehörigen Verrohrungen abgebrochen und der für die Befüllung notwendige vorhandene Füllschacht im Einfahrtsbereich stillgelegt werden. Neu sollten ein 40 m3 fassender Lagerbehälter mit 4 Kammern a 10.000 Liter (entsprechend dem nunmehrigen Angebot von 4 Mineralölsorten) eingebaut und 2 Multiprodukt-Zapfsäulen aufgestellt werden. Die Befüllung sollte über einen neu herzustellenden zentralen Füllschacht im Einfahrtsbereich außerhalb des unterkellerten Gebäudeteiles erfolgen (laut Plan unmittelbar neben dem vorhandenen Füllschacht). Die gesamte Anlage sollte mit einem Gasrückführsystem ausgestattet werden.
Mit Bescheid vom 15. November 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, gemäß § 70 BO und gemäß den Bestimmungen des Wiener Garagengesetzes die begehrte Baubewilligung. Die Mitbeteiligten waren dem Verfahren nicht beigezogen worden; der Bewilligungsbescheid wurde ihnen nicht zugestellt, sondern "nur zur Information" dem Rechtsvertreter der Mitbeteiligten ausgehändigt.
In ihrer gegen die Baubewilligung erstatteten Berufung gründeten die Mitbeteiligten ihre Parteistellung auf die Bestimmung des § 134 Abs. 3 erster Satz BO. Sie machten geltend, daß praktisch alle Baumaßnahmen außerhalb der zur Tankstelle gehörenden Räumlichkeiten zum Teil im allgemein zugänglichen Tankstellenbereich stattfänden. Die Baumaßnahmen hätten eine Änderung der baulichen Anlage zu Folge.
Vor der Berufungsbehörde gab ein Vertreter der Beschwerdeführerin niederschriftlich vernommen an, daß durch die Neuverlegung der Zuleitungen zu den Zapfsäulen und die Entlüftungsleitungen keine gemeinsamen Teile des Hauses betroffen würden. Die Leitungen lägen frei zwischen Kellerdecke und Fahrbahn und beeinträchtigten nicht die Tragkonstruktion.
Die belangte Behörde hob mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid auf und versagte die begehrte Baubewilligung. Dem mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Einreichplan sei zu entnehmen, daß in der als gemeinsamer Teil des Hauses anzusehenden Ein- und Ausfahrt ein Füllschacht sowie eine Rohrtrasse für Fülleitungen und Gaspendelleitungen neu errichtet bzw. ein ursprünglich dort befindlicher Füllschacht mit Rohrtrassen entfernt werden solle. Dies sei auch den gleichfalls einen Teil des Bescheides bildenden technischen Beschreibungen zu entnehmen.
Dementsprechend hätte dem Ansuchen um Baubewilligung gemäß § 63 Abs. 1 lit. c BO die Zustimmung aller Miteigentümer angeschlossen werden müssen. Durch die Berufung von 18 Miteigentümern sei erwiesen, daß die Zustimmung im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht vorliege.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof ab. In ihrer Ergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Baubewilligung und in den aus dem Bewilligungsbescheid erster Instanz erfließenden Rechten verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Die Mitbeteiligten erstatteten gleichfalls eine Gegenschrift und legten ein Urkundenkonvolut, betreffend insbesondere das gewerberechtliche Verfahren und ein Verfahren vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien (im folgenden BO) in der im Beschwerdefall anzuwendenen Fassung LGBl. Nr. 28/1987 lautet:
"(1) Dem Ansuchen um Baubewilligung hat der Bauwerber anzuschließen:
...
c) die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist. Im Falle des Wohnungseigentums ist die Zustimmung aller Miteigentümer nicht erforderlich, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betrifft; ..."
Die belangte Behörde hat die ständige hg. Judikatur richtig wiedergegeben, wonach dann, wenn die Zustimmung zur Bauführung im Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens überhaupt nicht vorgelegen hat oder später weggefallen ist, die Zustimmung des Miteigentümers zu einer Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens wird, die auch im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung gegeben sein muß (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 288). Daß die Miteigentümer das Fehlen ihrer Zustimmung als Partei des Bauverfahrens geltend machen können, ergibt sich aus § 134 Abs. 3 erster Satz BO. Diese Bestimmung lautet:
"Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft Parteien; im Falle des Wohnungseigentums ist nur der betreffende Wohnungseigentümer Partei, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betrifft; ..."
Daraus folgt, daß die Baubewilligung zufolge der nicht erteilten Zustimmung der zur Berufung legitimierten Miteigentümer zu versagen ist, wenn eine der in beiden Bestimmungen ident geregelten Sachvoraussetzungen gegeben ist.
Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Füllschacht und die Rohrtrasse für Fülleitungen und Gaspendelleitungen gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch nähmen. Diese Sachvoraussetzung bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Sie meint aber, daß für die die gemeinsamen Teile betreffenden Bauführungen keine Bewilligungspflicht bestehe. Die Erneuerung des Füllschachtes sei nicht einmal als "Umbau" i.S.d. § 60 Abs. 1 BO anzusehen.
Dabei verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, daß ein Bauansuchen grundsätzlich als unteilbares Ganzes anzusehen ist und nur so bewilligt werden kann, wie es dem Parteibegehren entspricht. Steht es auch nur in einem Punkt mit zwingenden Vorschriften der Bauordnung in Widerspruch, muß es zur Gänze abgewiesen werden (Geuder-Hauer aa0, 322). Der Akteninhalt bietet keinen Hinweis dafür, daß sich das Bauvorhaben in mehrere trennbare selbständige Vorhaben zerlegen ließe.
Darüber hinaus enthält weder § 63 Abs. 1 lit. c noch § 134 Abs. 3 BO eine Einschränkung auf Bauvorhaben nach § 60 Abs. 1 lit. a BO. Auch unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen kann kein Rechtsirrtum darin erblickt werden, daß die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführte, das Vorhaben - und zwar schon allein der Füllschacht samt den Rohrleitungen - sei gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtig, weil es sich um eine sonstige bauliche Anlage unter der Erde handle, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werde und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sei, öffentliche Rücksichten zu berühren. An dieser Bewilligungspflicht ändert der Umstand nichts, daß schon vorher an benachbarter Stelle ein Füllschacht errichtet war.
Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, sie sei dem Berufungsverfahren nicht beigezogen worden, mag berechtigt sein, weil die Aufnahme einer Niederschrift mit einem Angestellten der Beschwerdeführerin nur als Beweisaufnahme gewertet werden kann. Die Beschwerdeführerin läßt aber Ausführungen darüber vermissen, ob die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wenn die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben hätte, zumal der Sachverhalt, nämlich die Bauführung auf gemeinsamen Teilen des Hauses, unbestritten ist.
Aus demselben Grund war auch keine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung zu erwarten, weshalb gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von einer Verhandlung abgesehen werden konnte.
Somit erwies sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Ein gesonderter "Streitgenossenzuschlag" ist nicht vorgesehen.
Schlagworte
Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Beweismittel Zeugenbeweis Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993050105.X00Im RIS seit
03.05.2001