TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/19 94/05/0283

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Veröffentlicht am 19.09.1995
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §7 Abs1;
BauO NÖ 1976 §8 Abs3;
BauRallg;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der G-Ges.m.b.H. in B, vertreten durch den Geschäftsführer E, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. August 1994, Zl. R/1-V-84177/04, betreffend die Versagung einer nachträglichen Baubewilligung, (mP: Gemeinde H, vertr durch den BM), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom

28. Mai 1976 wurde den damaligen Eigentümern des Grundstückes

Nr. 7/1 der Liegenschaft EZ. 538, KG. B, entsprechend der am

28. September 1967 erteilten Baubewilligung die

Benützungsbewilligung für ein Wohnhaus erteilt. Mit Bescheid

des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom

20. September 1980 wurde dem damaligen Eigentümer die

Bewilligung für den Zu- und Umbau dieses Wohnhauses

entsprechend dem Ergebnis der Bauverhandlung vom

19. September 1980 erteilt. Mit Bescheid der Baubehörde erster

Instanz vom 4. September 1981 wurde der Beschwerdeführerin auf

Grund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom 3. September 1981

die Baubewilligung für den beantragten Umbau am vorgenannten

Haus erteilt. An Ort und Stelle wurde in der Bauverhandlung

festgestellt, daß die Straßenfluchtlinie "geradlinig von der

Einfriedungsecke des Schulgartens auf die Einfriedungsecke des

Anrainers X" verlaufe. Im Zuge einer am 20. Juli 1982

durchgeführten "besonderen Beschau" wurde von der Baubehörde

erster Instanz festgestellt, "daß die straßenseitigen

Baulichkeiten nicht plan- und beschreibungsgemäß ausgeführt"

würden. Laut genehmigtem Einreichplan sei eine breite

Aufgangsstiege mit nicht überdecktem Vorplatz vor dem

Hauseingang bewilligt worden. Nunmehr sei ein Zubau von

Wohnräumen beabsichtigt. Umfassungswände des straßenseitigen

Zubaus und ein Kamin seien bereits teilweise im Rohbau

fertiggestellt. Außerdem sei "die festgelegte Baufluchtlinie

von Gebäudeecke X Gebäudeecke Y nicht eingehalten". Mit

Bescheid vom 20. Juli 1982 erteilte hierauf der Bürgermeister

gemäß § 109 Niederösterreichische Bauordnung 1976 der

Beschwerdeführerin den baupolizeilichen Auftrag, die im

Beschauprotokoll angeführten Maßnahmen, welche einen

wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten,

durchzuführen. Der bestätigende Bescheid des Gemeinderates der

Gemeinde H vom 30. August 1982 wurde von der

Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 19. Jänner 1993 behoben

und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den

Gemeinderat der mitbeteiligten Partei verwiesen. Mit Bescheid

vom 16. August 1983 wurde sodann der Beschwerdeführerin vom

Gemeinderat der mitbeteiligten Partei gemäß § 109 der

Niederösterreichischen Bauordnung 1976 aufgetragen, "im Sinne

der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden

Niederschrift vom 20. Juli 1982, die auf der Parzelle Nr. 7/1,

KG. B, über die entgegen den Baubewilligungen vom

20. September 1980, (.......) und vom 4. September 1981,

(.......), festgesetzte Baufluchtlinie von der Gebäudeecke X

zur Gebäudeecke Y in Richtung Straße begonnenen Baulichkeiten in einer Breite von 1,27 m, beginnend bei der Einfahrt und nach einer Länge von 4,85 m verringernd auf 0,85 m, sowie einer Breite von 0,85 m und verringernd nach einer Länge von 1,35 m (Hausecke Y) auf 0,00 m zu entfernen". Dieser Bescheid wurde in der Folge neuerlich durch Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. März 1984 behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei verwiesen. Die Baubehörde habe es unterlassen, vor Erlassung des Abbruchauftrages zu prüfen, ob die Möglichkeit einer nachträglichen Bewilligung des ohne eine solche errichteten Baubestandes bestehe. Gleichzeitig verwies die Vorstellungsbehörde darauf, daß "über das Ansuchen um nachträgliche Bewilligung der Abweichungen vom genehmigten Projekt zu entscheiden" sei.

Schon am 22. Dezember 1982 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung laut beigelegtem Änderungsplan. In der am 24. März 1983 diesbezüglich über Aufforderung der Baubehörde erster Instanz vorgelegten Baubeschreibung wurde als Zweck angeführt: "Erweiterung der Aufenthaltsräume im Erdgeschoß um 30,88 m2. Beheizbarkeit der Räume gemäß § 52

Nö. Bauordnung 1976 durch eine Rauchfanggruppe."

Mit Eingabe vom 6. Oktober 1983 an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 2 AVG die Entscheidung über ihren Antrag vom 22. Dezember 1982 durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei.

In der am 3. Juli 1984 durchgeführten Bauverhandlung des nunmehr zuständig gewordenen Gemeinderates wurde festgehalten, daß die Baufluchtlinie dem Bebauungsplan entnommen werden könne und geradlinig zwischen dem westlichen Eck des Gebäudes von Grundstück Nr. 115/2, Orientierungs-Nr. 37, und dem westlichen Eck des Grundstückes Nr. 170, Orientierungs-Nr. 74, je KG. B, verlaufe (siehe auch Gutachten des Dipl.-Ing. K vom 27. Juli 1984). Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 14. September 1984 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um Erteilung der Bewilligung zur Durchführung von Zu- und Umbauten am Haus Nr. 77, KG. B, abgewiesen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. April 1985 Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei verwiesen, da die Begründung nicht einmal in den Grundzügen einer Beschlußfassung unterzogen worden sei.

Mit Bescheid vom 28. Mai 1985 versagte sodann der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei der Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung der beantragten Baubewilligung für die durchgeführten Um- und Zubauten am Haus Nr. 77, KG. B.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. November 1986 Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei verwiesen. Im hier maßgeblichen Umfang führte die Vorstellungsbehörde in der Begründung aus, anstelle der ursprünglich bewilligten straßenseitigen Einfriedung sei der Eingangstrakt, bestehend aus Windfang, Gasflaschenlagerraum und Aufgangsstiege, sowie ein unterkellerter Vorraum mit offenem Kamin, errichtet worden. Diese baulichen Maßnahmen des Eingangstraktes hätten auch Auswirkungen auf das Dachgeschoß. Bei der baubehördlichen Beurteilung der Zulässigkeit dieses Eingangstraktes müsse als Rechtsgrundlage der seit 5. Jänner 1984 gültige Bebauungsplan herangezogen werden.

Mit hg. Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 86/05/0177, wurde der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. November 1986 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Hiezu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Beschwerdeführerin habe mit Recht die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene und damit infolge der Aufhebung des baubehördlichen Bescheides den Gemeindebehörden überbundene Rechtsansicht, § 2 Z. 12 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 lasse nur eine Dachgeschoßebene zu, bekämpft. Aus § 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 8200-1 und 8200-2 könne nicht das Verbot der Teilung des Dachgeschosses abgeleitet werden.

Auf Grund des den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 28. Mai 1985 aufhebenden Ersatzbescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. März 1990 faßte der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 10. September 1993 folgenden Spruch:

"1. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V. mit § 100/2 und § 21/11 N.ö. BauO wird der Antrag um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für die durchgeführten Um- und Zubauten laut Antrag vom 22. Dezember 1982 auf dem Grundstück Nr. 7/1, KG. B (Haus Nr. 77, vormals Nr. 75, in der KG. B) abgewiesen.

2. Der Bauwerberin wird aufgetragen, binnen drei Monaten den gesetzlichen Grundlagen entsprechende Einreichunterlagen zur Begründung ihres Anspruches auf Änderung des Verwendungszweckes von Räumlichkeiten betreffend das Haus B Nr. 77 (vormals Nr. 75) vorzulegen."

Im wesentlichen wurde dies damit begründet, der Antrag auf nachträgliche baubehördliche Bewilligung des konsenswidrig errichteten Windfanges, des Gasflaschenlagerraumes und der Aufgangsstiege sowie eines unterkellerten Vorraumes mit offenem Kamin (und damit auch vom WC und Waschraum im Obergeschoß) sei erst nach Kundmachung der nunmehr in Kraft befindlichen Bebauungsbestimmung, insbesondere der Baufluchtlinie, gestellt worden. Die Baufluchtlinie verlaufe entsprechend den rechtsgültigen Bebauungsbestimmungen in der Natur von der nordöstlichen Ecke des Wohngebäudes der Familie X (Grundstück Nr. 980/6) geradlinig zum nordwestlichen Eck des Wohnhauses der Eheleute Y (Grundstück Nr. 981/2). Unter Berücksichtigung dieser Baufluchtlinie ergäbe sich, daß der straßenseitige Trakt des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens wesentlich (ca. 1 m) über die Baufluchtlinie rage. Gemäß § 21 Abs. 11 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 dürften außerhalb der Baufluchtlinien unbeschadet der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Z. 13 und der §§ 47, 86 und 89 leg. cit. nur Kleinbauten sowie unterirdische Baulichkeiten, Brunnen, Schwimmbecken und Schächte, die letztgenannten höchstens 1 m über das Niveau ragend, errichtet werden. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung der konsenslos errichteten, die Baufluchtlinie überragenden und außerhalb der Baufluchtlinie liegenden Gebäudebestandteile bzw. Baulichkeiten sei demgemäß entsprechend der Niederösterreichischen Bauordnung nicht möglich. Daraus folge, daß der Bauwerberin zur baubehördlichen Bewilligung der geänderten Nutzungsart und der Änderungen im Inneren der Auftrag zu erteilen gewesen sei, binnen drei Monaten Projektsunterlagen vorzulegen, welche Gegenstand einer neuerlichen Entscheidung des Gemeinderates sein werden. Darüber hinaus sei die nachträgliche Baubewilligung hinsichtlich des die Baufluchtlinie überragenden Gebäudeteiles und sohin des beantragten Zu- und Umbaus zu verweigern.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. August 1994 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin "betreffend den Spruchteil 1 des angefochtenen Bescheides (.....) als unbegründet abgewiesen. Betreffend den Spruchteil 2 des angefochtenen Bescheides wird der Vorstellung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, für das hier zu beurteilende Grundstück lege der seit 5. Jänner 1984 geltende Bebauungsplan der Gemeinde Hochleithen u.a. eine vordere Baufluchtlinie fest, an welcher Anbaupflicht bestehe. Der Zubau, der mit dem gegenständlichen Antrag bewilligt werden solle, bestehe aus einem abgeänderten Eingangstrakt mit folgenden Gebäudeteilen: Windfang, Gasflaschenlagerraum und Aufgangsstiege, einem unterkellerten Vorraum, sowie einem WC bzw. Waschraum im Dachgeschoß. Die Gemeinde H habe am 20. Dezember 1983 erstmals einen Baubauungsplan erlassen. Die Gemeindebehörde habe die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgebende Rechtslage anzuwenden, soweit nicht die Vorschrift des § 8 Abs. 3 der Niederösterreischischen Bauordnung 1976 anzuwenden sei. Da es sich im gegenständlichen Fall um keine Änderung des Bebauungsplanes, sondern um eine Neuerlassung handle, käme diese Bestimmung nicht zum Tragen. Beim Lokalaugenschein am 17. April 1986 habe der bautechnische Amtssachverständige bezüglich des Verlaufes der im Bebauungsplan festgelegten vorderen Baufluchtlinie

zwei Varianten ausgearbeitet. Die Aufsichtsbehörde habe sich in ihrem Bescheid vom 13. November 1986 für Variante 1 entschieden. Nach dieser Variante überrage der umstrittene Zubau die Baufluchtlinie um ca. 1 m. Eine Veranda sei ein gedeckter, manchmal auch verglaster Anbau (vgl. Hans Koepf, "Bildwörterbuch der Architektur"). Er hebe sich architektonisch vom übrigen Bau ab und sei ein in Leichtbauweise errichteter, eigener Baukörper. Bezüglich Wärme-, Schall- und Brandschutz erfülle er nicht die Voraussetzungen, die an Wohnräume gestellt würden. Wie aus der Nordansicht des gegenständlichen Auswechslungsplanes vom Juni 1982 ersichtlich sei, handle es sich bei dem hier zu beurteilenden Zubau um keine Veranda im oben beschriebenen Sinne, für die der Gesetzgeber nach der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Z. 2 lit. a der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 eine Überschreitung der vorderen Baufluchtlinie zulasse. Auch die Baubeschreibung vom 20. Dezember 1982 enthalte keinen gegenteiligen Anhaltspunkt. Ebensowenig könne dem zitierten Plan eine Freitreppe entnommen werden. Aus dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei gehe hervor, daß mit den durchgeführten Zu- und Umbauten der Windfang, der Gasflaschenraum, die Aufgangsstiege, ein unterkellerter Vorraum mit offenem Kamin (und damit auch WC und Waschraum im Obergeschoß) gemeint sei. Spruchteil 2 (Auftrag, Projektsunterlagen vorzulegen) finde in der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 keine Deckung. Eine solche Aufforderung könnte sich nur auf § 113 Abs. 2 lit. b leg. cit. stützen. Diese habe aber nicht in Bescheidform zu ergehen. Da Spruchteil 2 des bekämpften Bescheides gesetzwidrig sei, habe er ersatzlos behoben werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch Spruchteil 1 des angefochtenen Bescheides in dem Recht auf nachträgliche Baubewilligung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin vermeint, daß die festgesetzte Baufluchtlinie im bestehenden Bebauungsplan der mitbeteiligten Partei für das gegenständliche Ansuchen nicht maßgeblich sei, da der Bebauungsplan nach Antragstellung erlassen worden sei.

Sowohl in der Beschwerde als auch in der Vorstellung geht die Beschwerdeführerin von der unbestrittenen Feststellung im Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei - welche von der Vorstellungsbehörde übernommen worden ist - aus, daß der erstmals am 20. Dezember 1983 erlassene Bebauungsplan der mitbeteiligten Partei mit 5. Jänner 1984 in Kraft getreten ist. Dieser setzt für das gegenständliche Grundstück der Beschwerdeführerin erstmals eine vordere Baufluchtlinie fest, welche mit dem hier zu beurteilenden Um- und Zubau um 1 m überschritten worden ist.

Bereits in seinem Vorerkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 86/05/0177, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß die Rechtslage im Zeitpunkt des Ergehens des letztinstanzlichen Bescheides der Gemeindebehörden maßgeblich ist. Für einen Zubau, wie er hier zweifellos vorliegt, ist daher auch die in einem neuen Bebauungsplan festgesetzte Baufluchtlinie maßgeblich.

Für die Änderung des Bebauungsplanes sieht § 8 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 im Abs. 3 vor, daß die im Zeitpunkt der Kundmachung (§ 7 Abs. 1) bereits anhängigen Verfahren durch die Änderung des Bebauungsplanes nicht berührt werden. Diese Bestimmung soll einerseits den Bauwerber davor schützen, daß ein schon zur baubehördlichen Bewilligung eingereichtes Bauvorhaben durch eine Änderung des Bebauungsplanes vor der Entscheidung über seinen Antrag vereitelt wird, und andererseits die Gemeinde davor, daß eine beabsichtigte Änderung des Bebauungsplanes durch die Einreichung eines Bauvorhabens, das der beabsichtigten Festlegung nicht entspricht, bei der Baubehörde vor ihrem Inkrafttreten unterlaufen wird. Sie schließt auch aus, daß eine Änderung des Bebauungsplanes zugunsten des Bauwerbers in einem schon anhängigen Baubewilligungsverfahren berücksichtigt wird; jedoch kann der Bauwerber seinen Antrag zurückziehen und nach dem Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplanes neuerlich einbringen (siehe hiezu die bei Hauer-Zaussinger, Niederösterreichische Bauordnung, 4. Auflage, S. 104, wiedergegebenen Erläuterungen zu § 8 Abs. 3). Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1976 und dem aus den Erläuternden Bemerkungen hervorleuchtenden Zweck dieser Bestimmung läßt sich daher zweifelsfrei entnehmen, daß sich die Abweichung von der grundsätzlichen Regel, wonach die Rechtslage im Zeitpunkt des Ergehens des letztinstanzlichen Bescheides der Gemeindebehörde maßgebend ist, nur auf die Änderung des Bebauungsplanes, jedoch nicht auf seine Neuerstellung bezieht. Die in der Beschwerde vertretene gegenteilige Rechtsansicht ist nicht begründet. Dem Gemeinderat der mitbeteiligten Partei ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn er davon ausgegangen ist, daß für das am 22. Dezember 1982 von der Beschwerdeführerin eingebrachte Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für einen bereits errichteten Um- und Zubau der am 5. Jänner 1984 neu erlassene Bebauungsplan der mitbeteiligten Partei anzuwenden ist.

Mit dem Vorwurf, der angefochtene Bescheid sei auch deshalb mit einem Mangel behaftet, weil eine ständige Verweisung auf diverse andere Bescheide sowohl der ersten Instanz als auch der Aufsichtsbehörde vorgenommen werde, ohne daß diese Bescheide dem gegenständlichen Bescheid angeheftet oder beigefügt worden wären, und diese ständigen Verweisungen offensichtlich nur dazu dienten, die über Jahre hindurch vorgefallenen Fehler seitens der Behörde zu kaschieren, vermag die Beschwerdeführerin einen relevanten Verfahrensmangel schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil in der Beschwerde nicht aufgezeigt wurde, welche Feststellungen die belangte Behörde zu treffen gehabt hätte, um zu dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Ergebnis zu gelangen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK geboten, da die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente unbestritten feststanden. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher nicht (vgl. das Urteil des EGMR vom 26. April 1995, 52/1993/447/526).

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994050283.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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