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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AHG 1949 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des JM in W, 2. des HR und 3. der IR, letztere in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Juni 1995, Zl. MD-VfR - B VI - 1 u. 3/95, betreffend Vorschreibung des Kostenersatzes für eine Ersatzvornahme gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführer haben mittels Kaufverträgen mit dem Verkäufer J.V. Miteigentum an bestimmten Liegenschaftsanteilen verbunden mit dem Wohnungseigentum an je einer Wohnung (Keller) des Gebäudes auf der Liegenschaft EZ n1, Grundbuch Mariahilf, BG Innere Stadt Wien, mit der Grundstücksadresse S-Gasse 16-18, erworben. Nach den Beschwerdeführern erwarb eine Baugesellschaft m.b.H. mit Kaufvertrag Wohnungseigentum am gesamten Dachgeschoß mit dem Recht, diesen mit Eigentumswohnungen auszubauen. Diese Baugesellschaft erhielt mit Bescheid vom 4. November 1992 die baubehördliche Bewilligung zum Umbau des Dachbodens in ein Dachgeschoß mit drei Wohnungen mit den top-Nummern 26 bis 28.
Am 11. November 1994 wurde vom Magistrat der Stadt Wien folgender Aktenvermerk betreffend dieses Gebäude festgehalten:
"Im Zuge des Dachgeschoßausbaues wurde die gesamte Dachdeckung einschließlich der Dachstuhlkonstruktion abgetragen. Aufgrund der mangelhaften bzw. beschädigten Isolierung der obersten Geschoßdecke kommt es zu heftigem Wassereinbruch in die darunterliegenden vier Wohnungen und das Stiegenhaus. Als Sicherheitsmaßnahmen wären zu treffen die Instandsetzung der Isolierung bzw. Errichten einer provisorischen Dachkonstruktion."
Dieser Aktenvermerk wurde u.a. J.V., zuhanden der Hausverwaltung, zugestellt. Gleichzeitig wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, eine Begehung des Hauses angeordnet und vorgenommen. Es wurde versucht, mit verschiedenen Firmen zumindest eine provisorische Abdeckung durchzuführen, die den unmittelbaren Wassereinbruch hintanhalten sollte. Am 18. November 1994 wurde die Firma M. Ges.m.b.H. & Co KG vom Magistrat der Stadt Wien mit der Herstellung des Notdaches beauftragt. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Jänner 1995 wurden "den Eigentümern der Liegenschaft Wien 6, S-Gasse 16-18," gemäß "§ 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien die mit S 597.199,20 bestimmten Kosten für die Durchführung folgender dringender Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen vorgeschrieben: Aufbau eines Notdaches über die offene letzte Geschoßdecke." Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Änderung bestätigt, daß im Spruch anstelle der Worte "den Eigentümer" die Worte "den Eigentümern" zu treten haben.
Da, wie der Sachverständige festgestellt habe, Gefahr im Verzug vorgelegen sei, habe die Behörde gemäß § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers des Gebäudes anordnen und sofort vollstrecken lassen können. Es sei unbestritten geblieben, daß sich die notstandspolizeilichen Maßnahmen auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränkt hätten. Im Erkenntnis vom 17. Jänner 1955, Slg. Nr. 3622/A, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß es der Verpflichtete hinnehmen müsse, wenn die Kosten der für die Durchführung des baupolizeilichen Auftrages erforderlichen und auch tatsächlich verrichteten Arbeiten höher seien, als sie bei Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären. Das gleiche gelte auch bei Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen. Gleichfalls habe nicht berücksichtigt werden können, ob bzw. daß ein privatrechtlicher Vertrag vorliege, der die Kostentragung durch die Bau Ges.m.b.H. festlege. § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien schreibe ausdrücklich vor, daß auf Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) Maßnahmen angeordnet und sofort vollstreckt werden können. Der bekämpfte Bescheid sei gemäß dem Spruch an die Eigentümer des Hauses gerichtet, und aus der Zustellverfügung gehe eindeutig hervor, daß der Bescheid den Miteigentümern zugestellt worden sei. Es sei daher die nötige Bestimmtheit des Spruches des Bescheides gegeben. Der Einwand bezüglich des Wohnungseigentumes gehe ins Leere, da es sich bei dem Dach um einen gemeinsamen Teil des Hauses handle. Soweit der Quadratmeterpreis als überhöht beanstandet werde, werde auf die genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Weiters sei der Rechnung ein Plan angeschlossen, aus dem alle Maße (insbesondere die Quadratmeterzahl) ersichtlich seien. Die Rechnung sowie der Plan seien vom Amtssachverständigen überprüft und geringfügig korrigiert worden. Die Beschwerdeführer hätten es unterlassen, konkret darauf hinzuweisen, welche Maße ihrer Ansicht nach in der Planskizze falsch eingetragen worden seien. Die Berichtigung habe gemäß § 62 Abs. 4 AVG erfolgen können.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
§ 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 7/1990 lautet:
"(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Behörde auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen."
Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß, obwohl der verfahrensgegenständliche Bauschaden durch unfachgemäße Bauarbeiten einer Mit- und Wohnungseigentümerin verursacht worden sei, sämtliche Eigentümer zur Beseitigung des Schadens finanziell herangezogen würden und die Kosten der Ersatzvornahme auch allen anderen Wohnungseigentümern auferlegt werden. Sie hätten in dem abgeschlossenen Kaufvertrag niemals Haftungen für die Tätigkeit der Bauges.m.b.H. in ihrem Wohnungseigentumsobjekt übernommen. Vielmehr habe ihnen der Verkäufer J. V. ausdrücklich Schad- und Klagloshaltung gegen jedweden Anspruch zugesagt. Ihre Heranziehung zur Tragung der Ersatzvornahmekosten sei durch die im angefochtenen Bescheid bezogene Gesetzesstelle des § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien nicht gedeckt. Da gesetzwidrige Baumaßnahmen innerhalb eines für die Beschwerdeführer verschlossenen Wohnungseigentumsobjektes "Dachgeschoß" durch hiezu nicht befugte Beauftragte der Wohnungseigentümerin dieses Objektes von den Beschwerdeführern weder kontrolliert noch verhindert hätten werden können, werde ihnen durch § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien (nach der Änderung des § 63 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 - Wegfall der Zustimmungspflicht zu bestimmten Änderungen innerhalb eines Wohnungseigentumsobjektes durch die Miteigentümer) eine gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Freiheit des Eigentums verstoßende unerfüllbare Verpflichtung auferlegt, aus der die Beschwerdeführer aufgrund ihres Wohnungseigentums schwersten Vermögensschaden erlitten.
Zunächst ist den Beschwerdeführern entgegenzuhalten, daß § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien die Heranziehung der Beschwerdeführer als Miteigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes zur Tragung der Ersatzvornahmekosten in einem Fall wie dem vorliegenden jedenfalls deckt, da von der notstandspolizeilichen Maßnahme ein gemeinsamer Teil des Hauses betroffen war. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß sich bei einer Kostenersatzforderung für eine notstandspolizeiliche Maßnahme gemäß § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien die Verpflichtung des Eigentümers zur Beseitigung des Gebrechens, die nicht durchgesetzt werden konnte, in eine Kostenschuld umwandelt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1955, Zlen. 1559, 2274/54). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zu der mit § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien im Hinblick auf Bezeichnung der Verpflichteten vergleichbaren Regelung des § 129 Abs. 2 leg. cit. die Auffassung vertreten, daß jeder Miteigentümer zur Vornahme von Instandhaltungsarbeiten verpflichtet ist und dementsprechend für die gesamten Kosten der Ersatzvornahme solidarisch mit den übrigen Miteigentümern haftet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 87/05/0185). Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtlich jedenfalls nicht bedenklich, wenn die Kosten einer bei Gefahr im Verzug notwendig werdenden Ersatzvornahme, die einen gemeinsamen Teil des Hauses betrifft, allen Eigentümern (Miteigentümern) vorgeschrieben werden, auch wenn unter Umständen - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich ein Miteigentümer Verursacher des die Ersatzvornahme auslösenden Baugebrechens war. Gegen einen solchen, das Baugebrechen auslösenden Miteigentümer können die anderen Miteigentümer privatrechtliche Regreß- bzw. Schadenersatzansprüche geltend machen. Es trifft auch nicht zu, daß die Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatten, das verfahrensgegenständliche Wohnungseigentumsobjekt zu betreten und selbst eine Maßnahme gegen das vorhandene Baugebrechen vorzunehmen. Gemäß § 13 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz, BGBl. Nr. 417/1975, hat der Wohnungseigentümer das Betreten und die Benutzung der Wohnung zu gestatten, soweit dies zur Erhaltung der gemeinsamen Teile der Liegenschaft, wie das Dach des Hauses, erforderlich ist.
Wenn sich die Beschwerdeführer weiters auf die aus der Bauordnung für Wien sich ergebende Aufsichtspflicht der Behörde berufen, so ändert dies nichts an der Verpflichtung des Eigentümers (bzw. Miteigentümers) gemäß § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien. Ein allenfalls behaupteter eingetretener Schaden könnte gegenüber der Gemeinde Wien in einem Amtshaftungsverfahren geltend gemacht werden.
Zu der abschließend ohne nähere Konkretisierung von den Beschwerdeführern geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens ist zu bemerken, daß dieser Rüge schon deshalb keine Berechtigung zukommt, weil die Beschwerdeführer, was im Lichte der hg. Judikatur zu § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG geboten ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 30. Jänner 1967, Slg. Nr. 7070/A), die Wesentlichkeit eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt haben.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050241.X00Im RIS seit
03.05.2001