TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0041

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Okotber 1994, Zl. 4.249.051/6-III/13/93, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste am 9. Dezember 1988 in das Bundesgebiet ein. Am 15. Dezember 1988 stellte er einen Asylantrag und wurde dazu am 23. Dezember 1988 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an, im Jahre 1985 den Oppositionellen Volksmodjahedin beigetreten zu sein, wobei es seine Aufgabe gewesen sei, Flugblätter herzustellen und unter den Gegnern des Regimes zu verteilen. Im Februar 1986 sei ein Kollege von ihm festgenommen worden, weshalb er seine Heimatstadt M aus Furcht, verhaftet zu werden, verlassen habe. Nach einem mißlungenen Versuch, nach Pakistan zu flüchten, sei er nach Teheran zurückgekehrt, wo er sich bei einem Onkel etwa ein Jahr lang aufgehalten habe. Danach sei er nach M zurückgekehrt und habe sich dort bei verschiedenen Freunden aufgehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe er keinen Kontakt mehr zu den Volksmodjahedin gehabt. Während seiner Abwesenheit sei sehr oft in seinem Elternhaus nach ihm gefragt worden, sodaß er habe rechnen müssen, verhaftet zu werden, was sicherlich mit der Todesstrafe geendet hätte.

Mit Bescheid vom 3. März 1989 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich den Asylantrag des Beschwerdeführers ab.

Die dagegen vom Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 1992, zugestellt am 13. Februar 1992, abgewiesen.

Die daraufhin vom Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0318 ebenfalls abgewiesen.

Am 2. März 1993 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme seines Verfahrens und begründete diesen Antrag damit, er habe am 20. Februar 1993 ein neues Dokument erhalten, welches geeignet sei, sein bisheriges Vorbringen über seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Es handle sich dabei um eine Bestätigung des Präsidenten Banisadr, der - obwohl demokratisch gewählt - von Khomeni abgesetzt worden sei, weil er mit den Modjahedin zusammengearbeitet habe. In diesem Schreiben werde bestätigt, daß der Beschwerdeführer Mitglied der Modjahedin im Iran gewesen sei und durch diese Mitgliedschaft und seine damit in Zusammenhang stehenden politischen Aktivitäten vom iranischen Regime politisch verfolgt worden sei. Zum abgeschlossenen Asylverfahren selbst führte der Beschwerdeführer aus, seine Berufung sei von einer Österreicherin geschrieben worden, die jedoch keine Kenntnis von der Verfassung einer Berufung gehabt habe. Die Divergenz betreffend das Datum seines Eintrittes bei den Volksmodjahedin (1986/1985) habe in der sehr komplizierten Umrechnung des iranischen Sonnenkalenders in den europäischen Kalender ihre Begründung gehabt. Im übrigen bekräftigte der Beschwerdeführer seine bereits anläßlich seines Erstinterviews gemachten Angaben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens im wesentlichen mit der Begründung ab, eine Wiederaufnahme komme nur dann in Betracht, wenn der Wiederaufnahmegrund allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schreiben des Präsidenten Banisadr sei zwar ein neues Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, hätte aber - selbst wenn es vorher bekannt gewesen wäre - keinen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeiführen können. In dem den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0318, sei festgehalten worden, daß selbst für den Fall, daß man seinen Angaben über seine Mitgliedschaft bei den Volksmodjahedin als glaubwürdig eingestuft hätte, daraus nicht abzuleiten gewesen wäre, daß die wohl dann zunächst anzunehmende wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auch später noch bestanden hätte, zumal er in seine Heimatstadt zurückgekehrt sei, wo er sich (keineswegs versteckt) bis zu seiner Ausreise aufgehalten habe, ohne Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden gehabt zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Parteien nicht geltend gemacht werden konnten, und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Eine der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist sohin die Entscheidungswesentlichkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel. Der belangten Behörde ist im vorliegenden Beschwerdefall darin beizupflichten, daß dem nunmehr vorgelegten neuen Beweismittel, nämlich der Bestätigung des im Exil lebenden Expräsidenten des Iran, Banisadr vom 13. Februar 1993, eine derartige Entscheidungsrelevanz nicht zukommt. So wurde bereits in dem den Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0318, klargestellt, daß selbst dann, wenn man seinen in erster Instanz gemachten Angaben zu seinen Fluchtgründen

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anders als die belangte Behörde - volle Glaubwürdigkeit zuerkannt hätte, nicht davon ausgehen hätte können, daß die auf Grund seiner Zugehörigkeit zu den Volksmodjahedin und den für sie in Opposition zum iranischen Regime durchgeführten Aktivitäten drohende Verfolgungsgefahr auch noch bis zu seiner Ausreise aus seinem Heimatland (21. Jänner 1988) angedauert hätte. Der Beschwerdeführer geht in seiner nunmehrigen Beschwerde gänzlich darüber hinweg, daß er anläßlich seiner Ersteinvernahme ausdrücklich deponiert hat, in Teheran etwa ein Jahr unbehelligt bei seinem Onkel gelebt, auch nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt M sich - offenbar ebenfalls unbehelligt - bei verschiedenen Freunden aufgehalten und in diesem Zeitpunkt keinen Kontakt mehr zu den Volksmodjahedin gehabt zu haben. Die nunmehr vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung über seine Zugehörigkeit zu den Volksmodjahedin ist in jedem Fall nur im Umfang der darin enthaltenen Bestätigung beachtlich, kann aber die darüber hinaus konkret auf ihn selbst bezogenen persönlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht entkräften. Die Behörde hätte daher auch bei Vorliegen dieses Beweismittels das Vorliegen einer AKTUELLEN Verfolgungsgefahr, also des zeitlichen Zusammenhanges zwischen den zu befürchtenden Verfolgungshandlungen und der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatstaat zu prüfen gehabt. Insoweit die Beschwerde erstmals die Behauptung aufstellt, auf Grund der seinerzeitigen Aktivitäten des Beschwerdeführers für die Volksmodjahedin sei im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland nach wie vor eine Gefahr für sein Leben gegeben

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welche Behauptung im Antrag auf Wiederaufnahme nicht enthalten ist - ist darauf zu verweisen, daß die Behörde grundsätzlich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auf die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung abzustellen hat (vgl. u.a. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. 11.237/A); andererseits jedoch die Wiederaufnahme nicht mit neuen Tatsachen, die bereits im abgeschlossenen Verfahren hätten vorgebracht werden können, begründet werden kann. Im übrigen wird auf das Rückschiebeverbot des § 37 Fremdengesetz verwiesen.

Da sich aus diesen Gründen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200041.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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