TE Vwgh Beschluss 1995/9/20 94/13/0039

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/13/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge der H GmbH in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom jeweils 21. Juli 1993, Zl 6/2-630/26/92-05, betreffend Feststellung gemäß § 5 Z 10 KStG 1988, und Zl 6/2-630/26/1/92-05, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Z 10 KStG 1988, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Den Anträgen wird stattgegeben.

Begründung

Die am 6. September 1993 überreichten Beschwerden der Antragstellerin wurden mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1994, 93/13/0190 und 93/13/0191, jeweils zugestellt am 22. März 1994, wegen Versäumung der sechswöchigen Einbringungsfrist zurückgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide der Antragstellerin nicht wie in den Beschwerden angegeben, am 26. Juli 1993, sondern bereits am 23. Juli 1993 zugestellt worden waren.

In ihren am 14. Februar 1994 (somit innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der jeweiligen Gegenschrift der belangten Behörde, worin auf die Verspätung hingewiesen worden war) überreichten Wiedereinsetzungsanträgen machte die Antragstellerin jeweils gleichlautend als Wiedereinsetzungsgrund geltend, daß auf Grund der durchgeführten Erhebungen ein Verschulden in der Person der Antragstellerin und deren Rechtsvertreters verneint werden müsse:

In der Zeit vom 28. Juni 1993 bis 30. Juli 1993 sei bei der Antragstellerin eine Ferialpraktikantin, Frau W, beschäftigt gewesen, zu deren Aufgaben die Vertretung der Telefonistin, die Eingabe von Rechnungen in den Computer und die Entgegennahme und Aufteilung der Post gehört habe. Die Ferialpraktikantin sei in den ersten Tagen von den Mitarbeitern der Antragstellerin eingeschult und vom Geschäftsführer der Antragstellerin in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit täglich kontrolliert worden. Die einlangende Post sei von der Ferialpraktikantin mit dem Datum des Einlangens abgestempelt, in das Postbuch eingetragen und dem Geschäftsführer sodann am gleichen Tag vorgelegt worden. In den ersten zwei Wochen ihrer Beschäftigung habe sich der Geschäftsführer von der Antragstellerin täglich Postbuch und Rückscheinkuverts vorlegen lassen und dabei festgestellt, daß die jeweiligen Eintragungen ordentlich, gewissenhaft und richtig durchgeführt worden seien. Nach den ersten zwei Wochen habe der Geschäftsführer die Kontrolle nur mehr stichprobenartig durchgeführt. Auch hiebei seien keine Fehler festgestellt worden.

Nach der von der Antragstellerin versuchten Rekonstruktion habe sich folgendes ergeben: Am 23. Juli 1993 (einem Freitag) sei um 12,00 Uhr Dienstschluß gewesen. Mit der Bearbeitung der Post bzw Aufteilung in die Postmappen sei die Ferialpraktikantin bis ca 11,00 Uhr fertig gewesen. Die Poststücke seien dem Geschäftsführer der Antragstellerin, wie bereits oben ausgeführt, sodann vorgelegt worden. Auch der ständige Briefträger habe sich damals auf Urlaub befunden und sei seinerseits aushilfsweise vertreten worden. Die Ferialpraktikantin könne sich ihren Fehler nur dadurch erklären, daß die bezughabenden Bescheide erst nach 11,00 Uhr - also nach der Postaufteilung - vom Zusteller überbracht worden seien. Wahrscheinlich, weil sie nach der Übernahme der Poststücke durch eine andere Angelegenheit abgelenkt worden sei, sei ihr offensichtlich der Fehler unterlaufen, daß die Poststücke unerledigt bis 26. Juli 1993 liegen geblieben und dann irrtümlich mit der Eingangspost 26. Juli 1993 mitbehandelt worden seien. Auch im Postbuch habe sie die Zustellung dieser Poststücke erst mit 26. Juli 1993 eingetragen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin, welchem das Schriftstück mit dem Eingangsstempel 26. Juli 1993 an diesem Tag vorgelegt worden sei, habe nicht den geringsten Zweifel an der Richtigkeit dieses Datums gehabt. Auch der Rechtsvertreter habe keinen Hinweis gehabt, daß das aus dem Stempel ersichtliche Zustelldatum unrichtig sein könnte.

Nach Einvernahme von Frau W und des Geschäftsführers der Antragstellerin erscheint der dargestellte Sachverhalt bescheinigt, zumal der Geschäftsführer - im Zusammenhalt mit der Aussage von Frau W, sie habe den Auftrag gehabt, das jeweilige Kuvert seinem Inhalt anzuheften - glaubhaft darauf hinwies, daß die im Antrag erwähnte Kontrolle insbesondere dadurch erfolgt sei, daß er den auf dem Inhalt der Postsendungen eingebrachten Eingangsstempel anfänglich regelmäßig, nach einiger Zeit - nachdem er sich von der Richtigkeit der Durchführung seiner Aufträge überzeugt hatte - aber nur noch stichprobenweise mit dem auf dem Kuvert angebrachten Poststempel des Zustellpostamtes, welches regelmäßig dem Datum des Zustellversuches, bei gelungenem Zustellversuch somit der Zustellung entspreche, verglichen habe. Glaubhaft aufgeklärt wurde auch der dargelegte Umstand, daß am 23. Juli 1993 erst nach Aufteilung der Post dieses Tages der Postzusteller die beiden Schriftstücke überbracht hat, damit, daß die normale Post vom Postamt abgeholt werde, die Poststücke mit Zustellnachweis aber vom Zusteller überbracht würden.

Ausgehend von dem somit als bescheinigt anzusehenden Sachverhalt erweisen sich die Wiedereinsetzungsanträge als berechtigt, weil der Partei bzw deren gesetzlichem Vertreter, in deren Bereich der zugegebene Fehler unterlaufen ist, kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden hinsichtlich ihrer Organisations- und Überwachungspflicht unterlaufen ist. Die Überwachungspflicht geht nämlich nicht so weit, daß jede einzelne, einfache Arbeitsverrichtung von Angestellten zu überwachen ist.

Den Wiedereinsetzungsanträgen war daher nach ihrer Verbindung zu gemeinsamer Entscheidung stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994130039.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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