TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0045

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. September 1994, Zl. 4.343.141/2-III/13/94, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, der am 5. Juni 1993 in das Bundesgebiet eingereist war, hat am 14. Juni 1993 schriftlich einen Antrag auf Asylgewährung gestellt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Juli 1993 wurde dieser Antrag infolge Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 abgewiesen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 1994 wurde die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Gewährung von Asyl versagt. Die belangte Behörde begründete - anders als die Behörde erster Instanz - ihre Entscheidung damit, aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 13. Juli 1993 gehe hervor, daß er die Türkei am 1. Juni 1993 verlassen habe und per Lastkraftwagen, sohin auf dem Landwege, nach Österreich gereist sei. Auf Grund der geographischen Lage der Türkei und der von ihm angeführten Reiseart bzw. Reisedauer sei es als erwiesen anzusehen, daß er sich nach dem Verlassen der Türkei entweder in Bulgarien, in Griechenland oder in der russischen Föderation aufgehalten haben müsse. Da es während seines Aufenthaltes in diesen Ländern möglich gewesen sei, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen, sei er dort keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen und sei auch nicht Gefahr gelaufen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Bulgarien sei seit 12. Mai 1993, Griechenland seit dem 5. April 1960 und die russische Föderation seit dem 2. Februar 1993 Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention und nichts spreche dafür, daß diese Staaten ihre aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Pflichten (insbesondere das im Art. 33 statuierte Refoulementverbot) etwa vernachlässigten. Im übrigen befaßte sich die belangte Behörde mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991, wobei sie die Rechtslage richtig erkannt hat. Abschließend stellt die belangte Behörde fest, daß eine Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ausgeschlossen sei, da der Beschwerdeführer jedenfalls in einem der genannten Länder Verfolgungssicherheit erlangt habe. Das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. sei demnach nicht mehr zu prüfen gewesen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines gesetzlichen Vertreters (des zuständigen Jugendamtes) am 7. Juni 1994 rechtswirksam zugestellt.

Mit Eingabe vom 19. August 1994 beantragte der Beschwerdeführer die "Wiederholung des Asylverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 AsylG" und begründete dies damit, er sei jetzt im Besitze von Bescheinigungsmitteln, die ihm im Asylverfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich gewesen seien, nämlich die beglaubigte Übersetzung eines Schreibens des Gemeindevorstehers von Cumhuriyet vom 18. Juli 1994, in welchem bestätigt werde, daß er von der Gendarmerie wegen Unterstützung der PKK gesucht werde und ein Schreiben vom 18. August 1994 der FEYKOM, dem Verband von kurdischen Vereinen in Österreich, in welchem bestätigt werde, daß er Kurde sei, welche Urkunden er mit seinem Antrag der belangten Behörde vorlegte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen - von ihr zutreffenderweise als Wiederaufnahmeantrag gewerteten - Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, die vom Beschwerdeführer nunmehr vorgelegten Bescheinigungsmittel seien schon abstrakt nicht geeignet, einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid als jenen vom 30. Mai 1994, mit dem sein Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sei, herbeizuführen, da beide Urkunden lediglich die Frage seiner Flüchtlingseigenschaft beträfen und mit der einzig tragenden Begründung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides, nämlich dem Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 (Verfolgungssicherheit), in keinem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang stünde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Bereits die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß Voraussetzung für die Stattgebung eines Antrages auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nicht nur das Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, sondern auch - und zwar kumulativ - deren Entscheidungsrelevanz ist. Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde behauptet, im Bescheid vom 30. Mai 1994 habe lediglich das Fehlen eines Verfolgungstatbestandes zur Abweisung seines Asylantrages geführt, nicht jedoch die Annahme der Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991, so erweist sich dies als aktenwidrig. Während noch das Bundesasylamt die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint hat, stützte die belangte Behörde ihre abweisliche Entscheidung - wie bereits oben ausgeführt - lediglich auf diesen Asylausschließungsgrund, ohne die Flüchtlingseigenschaft einer Überprüfung unterzogen zu haben. Demgemäß trifft es auch zu, wenn die belangte Behörde im nunmehr bekämpften Bescheid ausführt, eine anderslautende Entscheidung im Asylverfahren lediglich zur Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers - und die von ihm vorgelegten Urkunden beziehen sich ausschließlich auf diese - könne zu keinem anderen Ergebnis des Asylverfahrens führen (vgl. insbesondere zur Frage der Entbehrlichkeit der Feststellungen über die Flüchtlingseigenschaft bei Anwendung dieses Ausschließungsgrundes hg. Erkenntnisse vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0474 und vom 23. März 1994, Zl. 94/01/0115).

Insoweit der Beschwerdeführer darauf verweist, er habe während seiner Reise durch die angeblich sicheren Drittländer keine Gelegenheit zum Verlassen seines Versteckes im Laderaum eines LKWs gehabt, ist lediglich darauf zu verweisen, daß eine allenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung oder eine im Verwaltungsverfahren unterlaufene Verfahrensverletzung nach ständiger Judikatur nicht geeignet ist, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu begründen (vgl. insbesondere die unter Nr. 52 in Hauer-Leukauf, AVG, zu § 69 veröffentlichten hg. Erkenntnisse).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Andere rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200045.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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