TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/20/0055

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden

1.) der A M, (zu hg. Zl. 95/20/0055) und 2.) des K S, (zu hg. Zl. 95/20/0056), beide in N, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in O, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 31. Oktober 1994,

Zlen. 4.340.110/1-III/13/92 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 4.339.991/1-III/13/92 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar iranischer Staatsangehörigkeit, das am 29. August 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. September 1992 Asylanträge gestellt hat, haben die Bescheide des Bundesasylamtes jeweils vom 8. September 1992, mit denen ihre Asylanträge abgewiesen wurden, mit Berufung bekämpft.

Die Erstbeschwerdeführerin hatte bei ihrer am 7. September 1992 vor dem Bundesasylamt erfolgten Einvernahme zu ihren Fluchtgründen befragt, angegeben, sie habe den Iran deshalb verlassen, weil ihr Gatte (der Zweitbeschwerdeführer) seit 13 Jahren keiner geregelten Arbeit habe nachgehen können, da er - wie sie selbst auch - der armenischen Minderheit angehöre. Sie hätten immer gehofft, daß sich die Lage im Iran bessern würde, da dies nicht der Fall gewesen sei, hätten sie sich entschlossen, das Land zu verlassen. Auf Grund ihrer Glaubenszugehörigkeit würden sie im Iran benachteiligt und könnten weder ein Geschäft eröffnen noch eine geregelte Arbeit finden. Dies sei nur Moslems vorbehalten. Konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder sonstigen Gründen sei sie selbst bis zu ihrer Ausreise nicht ausgesetzt gewesen. Lediglich die Benachteiligungen auf Grund ihres Glaubens habe sie zur Flucht bewogen. Auch der gemeinsame Sohn sei in der Schule benachteiligt worden, der Direktor dieser Schule gehöre dem moslemischen Glauben an. Sie habe auch für den Sohn keine Zukunftsaussichten im Iran gesehen. Sie selbst habe sich auch mit den Beschränkungen, die den Frauen im Iran auferlegt würden, nicht abfinden können.

Der Zweitbeschwerdeführer hat anläßlich seiner am selben Tag vor dem Bundesasylamt erfolgten Einvernahme zu seinen Fluchtgründen befragt angegeben, auch er gehöre im Iran der armenischen Minderheit an. Im Jahr 1978 habe er seine Arbeitsstelle als Damenfriseur verloren, weil es nicht statthaft gewesen sei, Frauen islamischer Bürger als "Unreiner" zu berühren. Da er nicht dem islamischen Glauben angehöre, gelte er im Iran als "unrein". Im Jahre 1978 sei ihm vorerst gestattet worden, einen Autoverleih zu betreiben. Dieser sei jedoch im Jahr 1979 auf Grund seines Glaubens geschlossen worden. Vor der Revolution im Jahr 1978 hätten auch Angehörige des armenischen Glaubens armenische Schulen besuchen dürfen; seit diesem Zeitpunkt würden an diesen Schulen jedoch nur zwei Stunden pro Woche in armenisch unterrichtet. Er sei auch zweimal auf Grund seines Glaubens inhaftiert worden, einmal für vier und einmal für fünf Tage. Er sei bei diesen Inhaftierungen nicht geschlagen worden. Seit dem Jahre 1979 sei er arbeitslos, da er als Armenier im Iran keine Arbeit habe finden können. Er habe nur gelegentlich Fahrten mit seinem PKW für Fremde unternommen, um seine Familie mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Da er immer geglaubt habe, daß sich die Lage im Iran bessern würde, und er den Autoverleih wieder betreiben könne, habe er erst jetzt den Iran verlassen. Konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen oder anderen Gründen sei er bis zu seiner Ausreise nicht ausgesetzt gewesen.

Die Abweisung der beiden Asylanträge durch das Bundesasylamt wurde im wesentlichen damit begründet, die Beschwerdeführer seien in ihrem Heimatstaat zwar auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur armenischen Minderheit benachteiligt, jedoch konkreten Verfolgungen niemals ausgesetzt gewesen.

In ihrer gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes gerichteten Berufung der Erstbeschwerdeführerin wurden neue Sachverhaltselemente nicht vorgebracht. Demgegenüber hat der Zweitbeschwerdeführer in einem Nachtrag zu seiner Berufung gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes ergänzend ausgeführt, er habe 1983 eine Taxiagentur eröffnet, jedoch keine Bewilligung dafür erhalten, sondern sei für fünf Tage eingesperrt und gefoltert worden. Sein Körper sei mit einer Klinge verletzt (zerschnitten) worden, diese Narben seien an seiner Schulter noch immer sichtbar. 1984 sei er vom "Komitee" neuerlich, diesmal für vier Tage, eingesperrt und mit Zigaretten gefoltert worden, weil er seiner Arbeit privat nachgegangen sei. Die Narben seien auf seiner Haut ebenfalls noch zu sehen. Die Verweigerung seiner Taxilizenz sei damit begründet worden, daß Christen nicht qualifiziert seien, solche Genehmigungen zu erhalten. Er sei daher seiner Mittel zum Geldverdienen beraubt worden. Obwohl das Geschäft ihm gehört habe, habe er nicht das Recht gehabt, es zu benutzen. Er habe sich jedoch regelmäßig um die Ausstellung einer Genehmigung bemüht. Schließlich habe man ihm gesagt, die einzige Möglichkeit, eine Genehmigung zu erhalten, wäre, einen moslemischen Partner zu suchen und 20 % des Einkommens an verwundete Soldaten zu geben. Er habe jedoch einen Moslem als Partner nicht gewollt; sein Einkommen sei auch nicht groß genug gewesen, um es sich leisten zu können, 20 % für verwundete Soldaten herzugeben. Diese Regeln gälten nur für religiöse Minderheiten. Nachdem er das Angebot ausgeschlagen gehabt habe, habe man begonnen, alle seine Bewegungen zu beobachten, um sicherzugehen, daß er sein Auto nicht vermiete. Er habe versucht, eine andere Arbeit zu finden, das sei jedoch unmöglich gewesen, weil niemand einen Christen anstellen habe wollen. Zweimal hätten Hausdurchsuchungen stattgefunden, ohne daß es für eine Anklage gereicht hätte. Auch sein Kind habe in der Schule anstatt die Bibel den Koran lesen gelernt, auch seine Frau sei mehrmals von den "Pasdors" belästigt worden.

Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (jeweils Spruchpunkte 1 der angefochtenen Bescheide), bewilligte den Beschwerdeführern jedoch den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bis 31. Oktober 1995 (jeweilige Spruchpunkte 2 der angefochtenen Bescheide).

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufungen - in den wesentlichen Punkten gleichlautend - damit, die Beschwerdeführer hätten Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen nicht zu gewärtigen bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in ihre Heimat zu befürchten gehabt, weshalb ihnen Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Im Iran lebten vielmehr verschiedene ethnische Minderheiten, denen die Verfassung der Islamischen Republik, insbesondere in den auch von der belangten Behörde zitierten Artikeln 13, 14 und 19, gleiche Rechte einräume. Bei den Beeinträchtigungen, denen armenische Christen wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt seien, handle es sich um asylrechtlich unbeachtliche Diskriminierungen, die sowohl für sich als auch in ihrer Gesamtschau mangels Intensität des Verfolgungseingriffes nicht den Tatbestand einer Verfolgung erfüllten. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten auch religiösen Minderheit sei kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Auch müßten, um wohlbegründete Furcht vor Verfolgung annehmen zu können, die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre.

Wirtschaftliche Gründe allein rechtfertigten die Anerkennung als Flüchtling nicht, ebensowenig der Wunsch nach Emigration. Vom bestehenden islamisch-fundamentalistischen Regime im Heimatland der Beschwerdeführer seien alle Bürger gleichermaßen betroffen. Die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers diesem System gegenüber bilde keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Zu der vom Zweitbeschwerdeführer eingebrachten Berufungsergänzung verneinte die belangte Behörde den zeitlichen Konnex zur Ausreise (die von ihm geschilderten Vorfälle trugen sich in den Jahren 1983 und 1984 zu) und qualifizierte im übrigen das ergänzende Berufungsvorbringen als "überschießend" und deshalb als nicht beachtlich, da - ohne Vorliegen einer der Gründe des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 - der Entscheidung lediglich das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen gewesen sei (§ 20 Abs. 1 AsylG 1991).

Gegen diese Bescheide (inhaltlich nur gegen die jeweiligen Spruchpunkte 1) richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

Die Beschwerdeführer halten den Ausführungen der belangten Behörde im wesentlichen - und in diesem Punkte gleichlautend - entgegen, sie seien durch das Vorgehen des Regimes in ihrer Existenz, sohin in ihrem Leben grundlegend bedroht und gefährdet worden, wobei sich diese konkrete Verfolgung auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit und der Angehörigkeit zur armenischen Minderheit ergeben habe. Ein weiterer Verbleib in ihrem Heimatland sei nicht nur unerträglich, sondern für sie auch unmöglich geworden. Der subtile Verfolgungsmechanismus des Regimes hätte den Beschwerdeführern jegliche Existenzmöglichkeit genommen. Die von der belangten Behörde zitierten Verfassungsbestimmungen stünden in eklatantem Widerspruch zur politischen Praxis im Iran.

Die belangte Behörde befindet sich aber mit der Rechtslage im Einklang, wenn sie - unter Zitierung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen auch die Ausführungen in den Beschwerden keinen Anlaß bieten - darlegt, daß allgemeine Diskriminierungen von Minderheiten weder für sich noch in der Gesamtschau mangels Intensität des Verfolgungseingriffes den Tatbestand einer Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 darzustellen vermögen, daß für die Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung vielmehr die Zustände im Heimatland eines Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein müssen, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers dort unerträglich wäre. Diese Ausführungen werden von den Beschwerdeführern in ihren Beschwerden auch expressis verbis nicht weiter bekämpft. Ihren Behauptungen, auf Grund der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit sei es beiden () Beschwerdeführern nicht möglich gewesen, einen (neuen) Arbeitsplatz zu finden, ist entgegenzuhalten, daß es für die Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes im Zusammenhang mit dem Verlust eines Arbeitsplatzes bzw. auch langjähriger Arbeitslosigkeit, nicht nur darauf ankommt, ob diese mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention (insoweit inhaltsgleich mit § 1 Z. 1 AsylG 1991) angeführten Gründe im Zusammenhang steht, sondern auch, daß der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. die jahrelange Arbeitslosigkeit nur dann als Verfolgung gewertet werden kann, wenn damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden wäre (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zlen. 92/01/0207 und 0208). Allein durch die Behauptung, keinen Arbeitsplatz (keine Arbeitsmöglichkeit) mehr gefunden zu haben, ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen, eine massive Bedrohung der Lebensgrundlagen glaubhaft zu machen. Insbesondere hat die Erstbeschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren niemals die Behauptung aufgestellt, selbst nach einem Arbeitsplatz gesucht, einen solchen jedoch nicht gefunden zu haben. Auch dem Zweitbeschwerdeführer muß entgegengehalten werden, daß trotz seiner immerhin 13 Jahre andauernden Arbeitslosigkeit er - wenn auch unter Aufbietung aller Kräfte und möglicherweise mit erheblichen Schwierigkeiten - doch in der Lage gewesen sein muß, seine Familie mit dem Notwendigsten zu versorgen, abgesehen davon, daß er den vermittelnden Vorschlag der für die Erteilung der Taxilizenz zuständigen Stelle, einen Moslem als Partner aufzunehmen und 20 % seines Einkommens einem "wohltätigen Zweck" zukommen zu lassen, ausgeschlagen hat. Insbesondere hat er im Verwaltungsverfahren selbst angegeben, in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit ein KFZ besessen und mit diesem gegen Entgelt Fahrten unternommen zu haben. Der Beschwerdeführer hat auch nicht ausreichend dargetan, warum er ein - wenn auch geringes - Einkommen der angeblichen Existenzbedrohung vorgezogen hat.

Insgesamt erweisen sich die Beschwerden daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200055.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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