TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/21 94/18/0617

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Veröffentlicht am 21.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

AufG Anzahl der Bewilligungen 1993 §4 Abs2;
AVG §13a;
FrG 1993 §17 Abs1;
GrKontrG 1969 §10 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Juni 1994, Zl. SD 299/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Asylantrag des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig abgewiesen worden sei und ihm auch im Anschluß daran eine befristete Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt worden sei. Aus dem Titel des Asylgesetzes komme ihm eine Aufenthaltsberechtigung jedenfalls nicht zu. Der Beschwerdeführer hätte zur Einreise aufgrund des bestehenden Sichtvermerksabkommens zwar keinen Sichtvermerk, wohl aber einen gültigen Reisepaß benötigt. Da er aber ohne gültiges Reisedokument nach Österreich gelangt sei, seien die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne der §§ 2 und 15 FrG nicht gegeben. Auch die Bestimmungen des § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 kämen dem Beschwerdeführer nicht zugute. Der Beschwerdeführer habe sich nämlich vor seiner Einreise mehr als drei Monate außerhalb Bosniens aufgehalten. Da er ohne gültiges Reisedokument nach Österreich gelangt sei, erscheine es nicht glaubwürdig, daß er das Risiko eingegangen sei, "durchgewinkt" zu werden, sondern daß er die Grenzkontrolle umgangen habe. Jedenfalls habe sich der Beschwerdeführer aber nicht im Sinne dieser Verordnung der Grenzkontrolle gestellt, die dann im Sinne der ergangenen Weisungen die Voraussetzungen für die Gestattung der Einreise, was auch allenfalls bei Fehlen eines Reisepaßes möglich gewesen wäre, prüfen hätte können. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei daher nicht rechtmäßig.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Familienangehörigen und halte sich erst seit kurzem hier auf. Von einem Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinne des § 19 FrG könne daher keine Rede sein. Es habe daher auch keiner Prüfung bedurft, ob die Ausweisung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er ohne Reisepaß in das Bundesgebiet gelangt und ihm im Anschluß an die rechtskräftige Abweisung seines Asylantrages keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Er beruft sich auf ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993.

Nach § 4 Abs. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 402/1993, besteht ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (gemäß § 4 Abs. 3 bis zum 30. Juni 1994), weiters für die nach dem 1. Juli 1993 einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß "der Fremde sich vorsätzlich der Grenzkontrolle entzogen und von der ihm bietenden Möglichkeit, sich den Grenzkontrollorganen zu stellen, nicht Gebrauch gemacht hat, oder sich nicht der Grenzkontrolle im Sinne des § 10 Abs. 1 Grenzkontrollgesetz unterzogen hat". Darauf kommt es nicht an: Für das Erfordernis, sich i.S. des § 4 Abs. 2 der genannten Verordnung der Grenzkontrolle zu stellen, genügt es nicht, sich der Grenzkontrolle nach dem Grenzkontrollgesetz zu unterziehen. Vielmehr wird diesem Erfordernis nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertrittes des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle, kam aber auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, weil ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099). Ob der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde angenommen hat - die Grenzkontrolle umgangen hat, kann demnach dahingestellt bleiben.

Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage die Auffassung vertrat, daß sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, ist das nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die vom Beschwerdeführer in bezug auf ein allfälliges Aufenthaltsrecht nach der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 erhobene Verfahrensrüge geht im Hinblick darauf, daß er sich der Grenzkontrolle nicht gestellt hat, ins Leere.

Soweit sich der Beschwerdeführer darüber hinaus auf eine Verletzung der Manuduktionspflicht beruft, weil ihm keinerlei Belehrungen erteilt worden seien, welche Schritte bzw. Veranlassungen er sinnvollerweise zur Erreichung des von ihm gewünschten Zieles vorzunehmen habe, ist ihm zu entgegnen, daß die Belehrungspflicht der Behörde nach § 13a AVG auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt ist und sich nicht auf Belehrungen in der Sache selbst bezieht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 178f, angeführte Judikatur).

Die Bejahung der Voraussetzungen für die Ausweisung im Grunde des § 17 Abs. 1 FrG stößt daher - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - auf keine Bedenken.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht § 19 FrG der Ausweisung nicht entgegen. Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörigen hat und sich erst seit 4. Oktober 1993 im Bundesgebiet aufhält. Die belangte Behörde ist auf dem Boden dieser Tatsachen zutreffend davon ausgegangen, daß die Ausweisung keinen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Von daher gesehen war nicht mehr zu prüfen, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Soweit der Beschwerdeführer einen relevanten Eingriff in sein Privatleben mit der Situation in seinem Heimatstaat begründet, ist er auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0348) zu verweisen, wonach unter Eingriffen in das Privatleben im Sinne des § 19 FrG nur solche Eingriffe zu verstehen sind, die sich auf das in Österreich geführte Privatleben erstrecken und nicht Umstände, die künftig in einem (bestimmten) anderen Land das Privatleben des betreffenden Fremden beeinträchtigen könnten.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994180617.X00

Im RIS seit

29.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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