TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/21 94/18/0618

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.1995
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §5;
AsylG 1991 §25;
AsylG 1991 §27;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs3;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Juni 1994, Zl. St 157/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 14. Juni 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Angola, gemäß § 17 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 Z. 1 FrG die Ausweisung verfügt.

Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer am 11. Juni 1991 aus Italien kommend mit Hilfe eines Schleppers illegal und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer halte sich seither ohne Sichtvermerk, den er als Staatsangehöriger von Angola für den Aufenthalt im Bundesgebiet benötige, hier auf. Er sei über ein sicheres Drittland, nämlich Italien, eingereist und noch dazu illegal, sodaß er während des Asylverfahrens keine Aufenthaltsberechtigung gehabt habe. Er sei auch vorerst mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 13. Juni 1991 ausgewiesen worden. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Mai 1992 sei der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 11. Juni 1991 abgewiesen und mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1993, rechtswirksam erlassen am 21. April 1993, der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben worden.

Nach den Angaben des Beschwerdeführers lebten seine Mutter, seine Gattin und seine sechs Kinder in seinem Heimatland. Am 2. Juli 1993 sei der Beschwerdeführer aus der Bundesbetreuung entlassen worden und bestreite seither seinen Lebensunterhalt durch freiwillige Zuwendungen dritter Personen.

Der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Durch die Ausweisung werde in sein Familienleben nicht eingegriffen, allenfalls in sein Privatleben. Die belangte Behörde erachte die Erlassung der Ausweisung zur Aufrechterhaltung der Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK), näherhin im Sinn der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten, weil der Beschwerdeführer mit Hilfe eines Schleppers in das Bundesgebiet gelangt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.

Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil er zumindest bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Asylantrag eine Aufenthaltsberechtigung besitze. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom 13. Mai 1994 seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres im Asylverfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt. Damit komme ihm jene Rechtsstellung zu, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides des Bundesministers für Inneres gehabt habe. Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz finde die Bestimmung des § 17 FrG auf Asylwerber keine Anwendung.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, daß weder mit diesem noch mit einem anderen Beschwerdevorbringen die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei am 11. Juni 1991 aus Italien kommend nach Österreich, und zwar ohne den erforderlichen Sichtvermerk mit Hilfe eines Schleppers und unter Umgehung der Grenzkontrolle, eingereist, bestritten wird. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers findet § 17 FrG nur auf solche Asylwerber keine Anwendung, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen haben. Durch den genannten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1994 erwuchs dem Beschwerdeführer keine solche Aufenthaltsberechtigung. Vielmehr sollte diese Rechtsfolge nach diesem Beschluß bloß im Umfang der Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz eintreten, also nach Maßgabe einer schon vor Erlassung dieses Beschlusses vorhandenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß dem Asylgesetz. Nur für den Fall, daß dem Beschwerdeführer eine solche Berechtigung bereits zukam, sollte sie ihm aufgrund der besagten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weiterhin (bis zum Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) zukommen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0350, mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer nahm im Verwaltungsverfahren der Sache nach eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Anspruch.

Dazu führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, daß der Beschwerdeführer während des Asylverfahrens keine Aufenthaltsberechtigung gehabt habe, wenngleich nicht ausdrücklich ausgeführt, ob sie die Voraussetzungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1968 oder dem AsylG 1991 geprüft hat, so kann der Bescheidbegründung doch entnommen werden, daß sie die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 5 AsylG 1968 beurteilte. Dies zu Recht; wenngleich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1968 aufgrund der Übergangsbestimmungen des AsylG 1991 in eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 übergeleitet wurde, sind die Voraussetzungen einer solchen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1968 zu prüfen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0473, und Zl. 95/18/1165).

Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 1968 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 92/18/0034) bejaht. Aufgrund der - insoferne unvollständigen - Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid kann jedoch nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Asylgesetz 1968 auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien zutreffen. Durch die unzureichende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes verletzte die belangte Behörde Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht besteht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994180618.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten