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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuslBG §28a idF 1990/450;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Burgenland gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 19. April 1993, Zl. 19/04/92.023/5, betreffend Zurückweisung einer auf § 28a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gestützten Berufung (mitbeteiligte Partei: Dr. M in T) (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. Juli 1992 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung (BH) die mitbeteiligte Partei schuldig, sie habe am 29. April 1992 um
13.10 Uhr in T, W-Gasse, drei namentlich genannte Ausländer beschäftigt, obwohl für diese keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei, noch Arbeitserlaubnisse und Befreiungsscheine vorhanden gewesen seien. Die mitbeteiligte Partei habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen, weshalb ihr gemäß § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung erteilt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob das Landesarbeitsamt (nunmehr beschwerdeführende Partei) - gestützt auf § 28a AuslBG - Berufung, in der es sich gegen den Verweis aussprach und die Verhängung einer Geldstrafe forderte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei mangels Berufungslegitimation als unzulässig zurück. Die belangte Behörde verneinte die Berufungslegitimation im wesentlichen damit, aus dem Wortlaut des § 28a AuslBG (eingefügt durch die Novelle, BGBl. Nr. 450/1990) ergebe sich
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anders als bei sonstigen Organparteien, denen das Berufungsrecht ausdrücklich eingeräumt werde (z.B. § 9 des Arbeitsinspektionsgesetzes; § 12 des Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetzes; § 117 des Landesarbeitsgesetzes; § 58 der Rechtsanwaltsordnung; § 187 der Notariatsordnung, § 14 Abs. 7 des Denkmalschutzgesetzes) - nicht, daß dem Landesarbeitsamt ein Berufungsrecht zukomme. Aus der Wortfolge "ob und inwieweit Verwaltungsbehörden Berufung erheben können" des § 51 Abs. 2 VStG gehe aber hervor, daß der Materiengesetzgeber ausdrücklich das Berufungsrecht an sich und dessen Umfang normieren müsse. Ferner sei aus mehreren Bestimmungen des VStG (§ 45 Abs. 2 erster Satz, § 51d und § 56 Abs. 3 leg. cit.) abzuleiten, daß der Gesetzgeber das Berufungsrecht nicht von der Parteistellung abhängig mache, sondern umgekehrt demjenigen Parteistellung zuerkenne, der das Recht zur Berufung habe. Das VStG biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Rechtsmittelbefugnis aus der Parteistellung erfließe. Alle Versuche, aus der nach § 28a AuslBG eingeräumten Parteistellung das Berufungsrecht unter Zuhilfenahme des AVG abzuleiten, scheiterten schon deshalb, weil § 51 Abs. 2 VStG als speziellere Vorschrift im Sinne des § 24 VStG die Anwendbarkeit des AVG ausschließe. Gleichwohl solle der Versuch unternommen werden: Gemäß § 63 Abs. 1 AVG, der im VStG ausdrücklich nicht gelte, richte sich das Recht zur Berufung, soweit es sich nicht aus dem AVG selbst ergebe, nach den Verwaltungsvorschriften. Die Schaffung von subjektiven Rechten, die die Parteistellung begründe, obliege dem Materiengesetzgeber. Dies gelte auch für die Schaffung von Organ(Formal-)Parteien. Aus der Parteistellung ergäben sich prozessuale Rechte, wobei im AVG-Bereich das Recht zur Berufung nur der vom Bescheid betroffenen Partei zukomme. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis Slg. 8032/A zum Ausdruck gebracht, es könne dann, wenn die Verwaltungsvorschriften über den Bestand des Berufungsrechtes nichts Ausdrückliches aussagten, aus § 63 Abs. 1 AVG nicht abgeleitet werden, der Partei des betreffenden Verwaltungsverfahrens wäre der Möglichkeit beraubt, sich gegen einen ihre Rechtssphäre berührenden Bescheid im Rechtsmittelweg zur Wehr zu setzen. Ein solcherart erworbenes Berufungsrecht könne jedoch nicht weiter reichen, als jenes rechtliche Interesse oder jener Rechtsanspruch im Sinne des § 8 AVG, auf dem die Parteistellung beruhe. Organparteien hätten jedoch kein subjektives rechtliches Interesse oder einen Rechtsanspruch im Sinne des § 8 AVG, sondern würden die ihnen durch das jeweilige Materiengesetz zugewiesenen Interessen des Staates (z.B. Antragsrechte, Wahrnehmung von Rechtswidrigkeiten durch Anzeigen) vertreten. Die Legalpartei könne daher in "ihrer Rechtssphäre" nicht betroffen sein: Deswegen müsse einem Organ ja ausdrücklich Parteistellung zuerkannt werden. Unbeschadet der Nichtgeltung des § 63 Abs. 1 AVG im VStG könnte man versuchen, aus § 63 Abs. 4 und 5 AVG, deren Anwendbarkeit im VStG nicht ausdrücklich ausgeschlossen seien, abzuleiten, einer Organpartei in jedem Fall die Berufungsbefugnis zuzusprechen. Lehre und Rechtsprechung (z.B. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, 196) leiteten aus § 63 Abs. 4 und 5 AVG das Berufungsrecht der betroffenen Partei ab. Würde man
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ungeachtet des klaren Wortlautes des § 51 Abs. 2 VStG - für die Organparteien die Gleichung Parteistellung = Berufungsrecht ableiten wollen, so wäre eine Organpartei kraft Parteistellung in jedem Fall und in jeder Richtung berufungslegitmiert und damit "bessergestellt" als die Partei im Sinne des § 8 AVG, der ein Berufungsrecht nur insoweit zukomme, als sie vom Bescheid betroffen sei (siehe z.B. das partielle Berufungsrecht der Nachbarn im Bauverfahren).
Aus dieser Sicht gewinne die Wortfolge "ob und inwieweit" in § 51 Abs. 2 VStG eine besondere Bedeutung: Wenn der Materiengesetzgeber subjektive Rechte schaffen könne, die die Parteistellung begründeten, und den Umfang des Berufungsrechtes im AVG-Bereich bestimme, so müsse bei der Schaffung von Organparteien gleichsam als Ersatz für die fehlenden subjektiven Rechte jedenfalls das Berufungsrecht an sich und wohl auch sein Umfang geregelt sein. Die Bedeutung der umfangmäßigen Regelung des Berufungsrechtes erkläre sich auch aus der Einsicht, daß dem Landesarbeitsamt zwar eine Beteiligung (vor allem bei eigenen Anzeigen) bei der Vollziehung der Strafbestimmungen des AuslBG durch die Bezirksverwaltungsbehörde zugestanden werden solle, was vor allem aus seiner "Interessenlage" (Vollziehung der materiellen Vorschriften des AuslBG) zu erklären sei und in der Wahrung seiner diesbezüglichen Parteienrechte im Strafverfahren zum Ausdruck kommen solle; doch fehle diese Einsicht bei Berufungen gegen Schuld und Strafe (Vollziehung des VStG), wenn nicht einmal das Berufungsrecht an sich ausdrücklich geregelt sei.
Die belangte Behörde verkenne nicht, daß durch § 28a AuslBG dem Landesarbeitsamt (offensichtlich) die rechtliche Möglichkeit geboten werden sollte, gegen erstinstanzliche Strafbescheide Berufung zu erheben; doch gehe diese Absicht weder aus dem Wortlaut des AuslBG noch aus den parlamentarischen Materialien zur Novelle BGBl. Nr. 450/1990 hervor. Es sei nicht einzusehen, dem Landesarbeitsamt ein Berufungsrecht im unbeschränkten Umfang zuzubilligen, zumal sich aus dem System des VStG und vergleichbaren Regelungen in Materiengesetzen die Absicht des Bundesgesetzgebers ableiten lasse, den Behörden ein Berufungsrecht nur in bestimmten, jedenfalls aber ausdrücklich geregelten Fällen, zuzuerkennen.
Die belangte Behörde sei sich auch bewußt, daß bei der von ihr gewählten Auslegung die Amtsbeschwerdebefugnis des Landesarbeitsamtes beim Verwaltungsgerichtshof in denjenigen Fällen, in denen der Beschuldigte kein Rechtsmittel ergreife und es somit zu keiner Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates komme, ins Leere laufe. Daraus ergebe sich aber nicht zwangsläufig, daß dem Landesarbeitsamt überhaupt die Berufung zustehen müsse. Es sei nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber dem Landesarbeitsamt die Amtsbeschwerdebefugnis nur in jenen Fällen zugestehen wollte, in denen es auf Grund einer Berufung des Beschuldigten zu einer zweitinstanzlichen Entscheidung komme. Ob diese Folgen vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen seien oder nicht, könne dahingestellt bleiben. Es sei Sache des Materiengesetzgebers, einer bestimmten Person in einem bestimmten Verfahren bestimmte Rechte einzuräumen, die Durchsetzung eines anders gearteten rechtspolitischen Anliegens könne selbst dann nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes sein, wenn die positive Rechtslage als rechtspolitisch verfehlt oder doch unbefriedigend angesehen werden müßte. Dies müsse bei einer Organpartei im Lichte des Wortlautes des § 51 Abs. 2 VStG und fehlender Regelung in § 28a AuslBG gelten, wobei es sich um einen legistischen Mangel handeln dürfte.
Gegen diesen Bescheid erhob das Landesarbeitsamt (LAA) (beschwerdeführende Partei) die auf Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die mitbeteiligte Partei hat trotz gebotener Gelegenheit
keine Stellungnahme abgegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist § 28a AuslBG in der Fassung
BGBl. Nr. 450/1990 anzuwenden. Diese Bestimmung lautet:
"Beteiligung der Landesarbeitsämter
am Verwaltungsstrafverfahren
§ 28a. Das Landesarbeitsamt hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und ist berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben."
(Anmerkung: Die neue im Beschwerdefall nicht anzuwendende Fassung des § 28a AuslBG durch Art. 11 Z. 21 des AMS-Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 314/1994, legt nunmehr im Satz 1 fest, daß das Arbeitsinspektorat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung hat und berechtigt ist, Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen zu erheben).
Nach § 24 VStG gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 41, 42, 51, 57, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2, 66 Abs. 2, 67a bis 67d, 67f Abs. 3, 68 Abs. 2 und 3, 73, 75, 78, 78a, 79, 79a und 80 des AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.
Ob und inwieweit Verwaltungsbehörden Berufung erheben können, bestimmen die Verwaltungsvorschriften (§ 51 Abs. 2 VStG).
Gemäß § 51d VStG (der die Parteien im Verfahren vor dem UVS regelt) ist neben dem Beschuldigten und der Verwaltungsbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, Partei, wer nach diesem Bundesgesetz oder nach den Verwaltungsvorschriften ein Recht zur Berufung hat.
Die beschwerdeführende Partei bringt im wesentlichen vor, für die Prüfung ihrer Legitimation zur Anrufung des Unabhängigen Verwaltungssenates sei grundsätzlich § 8 AVG heranzuziehen, dessen Anwendbarkeit von § 24 VStG nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei. Als ein rechtliches Interesse im Sinn des § 8 AVG gelten auch Ansprüche auf ein Verfahren in einer Verwaltungssache, in dem eine Partei zufolge gesetzlicher Bestimmung berechtigt sei, an einem ohne ihren Antrag eingeleiteten Verfahren in fremder Sache teilzunehmen (Verfahrensteilnahme als Formalpartei) (Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 382). Sowohl der Wortlaut des AVG wie auch der systematische Vergleich mit § 51 Abs. 2 und 51d VStG räume bloßen Legalparteien ausdrücklich Parteistellung ein und lasse die Anrufung des UVS durch sie zu. Zweifellos habe § 28a AuslBG dem LAA die Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG eingeräumt und damit eine Organpartei geschaffen. In den Fällen einer gesetzlich verfügten materiellen Parteistellung hätten auch Organparteien die gleichen Rechte wie Parteien, die auf Grund eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses am Verfahren teilnehmen, auch wenn es sich dabei funktionell gesehen um Parteirechte zur Wahrung objektiven Rechts handle (Adamovich/Funk, aaO, 383). Da der Gesetzgeber dem LAA die volle Parteistellung - ohne Einschränkung der damit verbundenen prozessualen Rechte - eingeräumt habe, komme ihm jedenfalls auch das Berufungsrecht zu. Der Wortlaut des § 51d VStG könnte (zwar) dahingehend verstanden werden, daß die Parteistellung im Verfahren vor dem UVS von der ausdrücklichen Einräumung des Berufungsrechtes abhänge. Diese Auslegung würde allerdings die Tragweite des AVG im Verwaltungsstrafverfahren verkennen, zumal Lehre und Judikatur im Hinblick auf § 8 AVG davon ausgegangen seien, ungeachtet der Formulierung des § 51 VStG hätten auch die anderen Parteien des Verfahrens ein Berufungsrecht. § 51d VStG lasse daher nicht nur die Auslegung zu, daß die Parteistellung von der ausdrücklichen Einräumung des Berufungsrechtes abhänge. Wenn darauf abgestellt werde, daß nach den Verwaltungsvorschriften ein Berufungsrecht zustehe, könne dies auch dahin verstanden werden, es seien davon auch jene Fälle erfaßt, aus denen sich das Berufungsrecht aus § 24 VStG in Verbindung mit § 8 AVG ergebe (Hinweis auf Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, erste Auflage, 186). Diese Auslegung erscheine nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei insbesondere dann zulässig, wenn einer Organpartei nach der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift (§ 28a AuslBG) ausdrücklich Parteistellung und daneben die Amtsbeschwerdebefugnis beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt werde. Wenn § 51d Abs. 2 VStG auf das Berufungsrecht der Organparteien abstelle, solle damit lediglich zum Ausdruck gebracht werden, nur eine solche Legalpartei, deren Parteistellung sich nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Vorschrift auf das erstinstanzliche Verfahren beschränke, habe im Verfahren vor dem UVS keine Parteistellung. Aus § 28a AuslBG ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine derart (d.h. auf das Verfahren vor der Behörde erster Instanz) eingeschränkte Parteistellung. Auch wenn das Berufungsrecht in einigen Materiengesetzen z.B. im Arbeitsinspektoratsgesetz ausdrücklich festgeschrieben worden sei, könne daraus für das AuslBG nicht der Umkehrschluß gezogen werden, wenn der Materiengesetzgeber der Organpartei ausdrücklich Parteistellung und gleichzeitig das Recht auf Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zuerkannt habe. Die klare Intention der Novelle 1990 sei es gewesen, mit der Einführung des § 28a AuslBG sicherzustellen, daß die mit dieser Novelle erweiterten Kontroll- und Sanktionsmechanismen größtmögliche Wirksamkeit erzielten. Um diese mit der Wahrnehmung öffentlicher Interessen zusammenhängenden Aufgaben wirksam erfüllen zu können, sei dem LAA volle Parteistellung (einschließlich Berufungsrecht) in allen Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG eingeräumt und ihm gleichzeitig die Amtsbeschwerdebefugnis beim Verwaltungsgerichtshof eröffnet wurden. Es spreche nichts dafür, daß der Gesetzgeber dem LAA eine Beschwerdemöglichkeit nur in jenen Fällen einräumen wollte, in denen es auf Grund einer Berufung des Beschuldigten zu einer letztinstanzlichen Entscheidung des UVS gekommen sei.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Es trifft zu, daß § 28a AuslBG in der Fassung
BGBl. Nr. 450/1990 dem LAA im Verwaltungsstrafverfahren die Parteistellung einräumt, ohne ausdrücklich das Recht zur Einbringung von Rechtsmitteln zu erwähnen. Lege non distinguente und wegen des Zusammenhanges mit der in dieser Bestimmung dem LAA (gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG) eingeräumten Amtsbeschwerdebefugnis beim Verwaltungsgerichtshof ist davon auszugehen, daß auch die Parteistellung des LAA im Verwaltungsstrafverfahren der Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit dient. Das LAA hat daher diese Aufgabe mit jenen prozessualen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen, die sich aus der vom Gesetz eingeräumten Stellung einer Partei ergeben.
Dem einfachen Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich nicht verwehrt, in dieser Weise die Durchsetzung des objektiven Rechtes mit dem an sich für den subjektiven Rechtsschutz konzipierten Instrumentarium sicherzustellen (vgl. dazu z.B. H. Mayer, Ein "Umweltanwalt" im österreichischen Recht? in Juristische Blätter 1982, 113 ff (116 f)). Auch steht der einfachgesetzlichen Begründung einer der Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit dienenden Berufung einer Organpartei an den UVS Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht entgegen, weil diese Verfassungsbestimmung nicht nur auf die behauptete Verletzung subjektiver Rechte abstellt (so schon Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 233).
Der Verwaltungsgerichtshof teilt jedoch nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß der Verweisnorm des § 51 Abs. 2 VStG - wonach die Berufungslegitimation von Verwaltungsbehörden die Verwaltungsvorschriften bestimmen - nur (ausschließlich) dadurch entsprochen werden könnte, daß in den Verwaltungsvorschriften AUSDRÜCKLICH ein Berufungsrecht eingeräumt wird. Nichts anderes hat hinsichtlich der die Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat regelnden Verweisnorm des § 51d VStG zu gelten. Die Auffassung der Behörde findet daher im Wortlaut dieser beiden Verweisnormen - die dem Materiengesetzgeber keine bestimmte Form der Gesetzestechnik vorgeben - keine Deckung.
Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung ist daher zu prüfen, welche Anhaltspunkte sich aus § 28a AuslBG selbst für die Klärung der hier strittigen Frage (Berufungslegitimation des LAA im Verwaltungsstrafverfahren) ergeben.
Dabei ist zunächst festzustellen, daß § 28a AuslBG die Parteistellung des LAA im Verwaltungsstrafverfahren schlechthin, also nicht bloß eingeschränkt auf eine bestehende Instanz, begründet. Dem Gesetz fehlt jeder Hinweis darauf, daß die Parteistellung nur für das Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gegeben wäre. Dazu kommt, daß die Novelle BGBl. Nr. 450/1990, gleichzeitig mit der Einräumung der Parteistellung des LAA im Verwaltungsstrafverfahren derselben Behörde im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG die Amtsbeschwerdebefugnis beim Verwaltungsgerichtshof eröffnet hat. Berücksichtigt man diesen Zusammenhang in Verbindung mit der mit der Funktion der Parteistellung des LAA im Verwaltungsstrafverfahren verbundenen Aufgabe der Wahrung objektiver Rechtmäßigkeit, dann liegt der Regelung erkennbar die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, daß damit nur das fortgesetzt wird, was auf der Ebene des Verwaltungsstrafverfahrens durch die mit der Parteistellung verbundene Berufungsmöglichkeit des LAA schon sichergestellt erscheint.
Der Verwaltungsgerichtshof hält es auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes, an dem die Einräumung jeder Parteistellung zu messen ist, nicht für bedenklich, wenn § 28a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. 450/1990 die Organparteistellung (einschließlich des Berufungsrechtes) des LAA im Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG begründet. Die Organparteistellung des LAA wurde nämlich gleichzeitig mit dem "Höchstzahlmodell" (Bundeshöchstzahl und Landeshöchstzahlen; vgl. insbesondere § 4 Abs. 6 und §§ 12a und 13a AuslBG) durch die Novelle BGBl. 450/1990 eingeführt, mit dem erstmals eine zahlenmäßig festgelegte Obergrenze für die legale Beschäftigung von Ausländern vorgeschrieben wurde, um eine wirksame Lenkung des Arbeitsmarktes sicherzustellen. Da damit auch in Verbindung mit der tatsächlichen Situation am Arbeitsmarkt die Möglichkeit Beschäftigungsbewilligungen in vermehrtem Ausmaß zu erteilen, erheblich eingegrenzt wurde, führte dies zu einem gesteigerten Bedarf, Umgehungen wirksam zu begegnen und dem "schwarzen Arbeitsmarkt" der illegalen Beschäftigung von Ausländern durch strenge Kontrollmöglichkeiten effektiv entgegenzutreten. Ein Mittel, das diesem Ziel dient, ist auch die Schaffung der Organparteistellung (mit allen prozessualen Befugnissen einer Partei) im Verwaltungsstrafverfahren und die Amtsbeschwerdebefugnis im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, soll doch damit eine gleichförmige dem Gesetz entsprechende Einhaltung des Verwaltungsstrafrechtes in Angelegenheiten Ausländerbeschäftigung sichergestellt werden. Die Novelle BGBl. Nr. 450/1990 steht daher - wie sich dem diesbezüglichen Ausschußbericht, 1462 Blg. Sten. Prot. NR
17. GP, entnehmen läßt - auch im Dienste des Ausbaues des Kontrollsystems zur wirksamen Verfolgung der illegalen Ausländerbeschäftigung. Im Hinblick auf die mit der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte verbundene massive Gefährdung öffentlicher Interessen (vgl. dazu wiederum den zitierten Ausschußbericht zur Novelle BGBl. Nr. 450/1990) sind die mit der Begründung der Stellung des LAA als Organpartei - aus der Sicht des Beschuldigten - verbundenen Verschlechterungen seiner Stellung im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber jenen, in denen keine Organparteistellung von Verwaltungsbehörden vorgesehen ist (vgl. z.B. § 51 Abs. 6 und 7 letzter Satz VStG), sachlich gerechtfertigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hält daher - gestützt auf den systematischen Zusammenhang der in Betracht gezogenen Bestimmungen und der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers in der Novelle des AuslBG, BGBl. Nr. 450/1990 - an seiner ständigen Rechtsprechung (beginnend mit dem hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, 92/09/0031; siehe ferner die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1994, 93/09/0457, vom 30. Juni 1994, 94/09/0049, vom 22. Juni 1995, 94/09/0306, sowie unter dem Gesichtspunkt des § 51 Abs. 7 zweiter Satz VStG: hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, 94/09/0061, vom 15. Jänner 1995, 94/09/0301, sowie vom 24. Mai 1995, 95/09/0061), fest, daß mit der Parteistellung des LAA im Verwaltungsstrafverfahren nach § 28a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990, auch die Berufungsmöglichkeit verbunden ist.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Schlagworte
ArbeitsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993090254.X00Im RIS seit
24.01.2001