TE Vfgh Erkenntnis 1993/6/24 B1348/90, B758/92

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Veröffentlicht am 24.06.1993
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Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/01 Geld-und Währungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §2 Abs2 Z4 DevisenG, BGBl 162/1946 idF BGBl 464/1990, mit E v 24.06.93, G217,218/92.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid der Oesterreichischen Nationalbank vom 24. Oktober 1990 und durch den ebenfalls angefochtenen abweislichen Teil des Bescheides der Oesterreichischen Nationalbank vom 30. April 1992 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid vom 24. Oktober 1990 und der abweisliche Teil des Bescheides vom 30. April 1992 werden aufgehoben.

Die Oesterreichische Nationalbank ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 30.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die beschwerdeführende Bank ist zur Vornahme von Devisen- und Wechselstubengeschäften gemäß §1 Abs2 Z6 KWG befugt.

b) Mit Bescheid des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank vom 7. Juli 1988 wurde ihr die auf Wechselstubengeschäfte beschränkte Devisenhandelsermächtigung gemäß §2 Abs1 Devisengesetz, BGBl. 162/1946, entzogen. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Oktober 1989, B1413/88, wegen Verletzung von Rechten der beschwerdeführenden Gesellschaft infolge Anwendung des mit Erkenntnis vom selben Tag, G88/89, als verfassungswidrig aufgehobenen §2 Abs1 zweiter Satz Devisengesetz aufgehoben.

2.a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1987 hatte inzwischen die beschwerdeführende Gesellschaft einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung zur Durchführung bestimmter, näher bezeichneter Devisenhandelsgeschäfte nach Abschnitt II der Kundmachung DE 4/87 der Oesterreichischen Nationalbank gestellt. Diesen Antrag wies die Oesterreichische Nationalbank mit Bescheid vom 18. August 1988 unter Hinweis auf den unter Pkt. I/1/b genannten Entziehungsbescheid unter Berufung auf §2 Abs1 Devisengesetz ab.

Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Nationalbank vom 18. August 1988 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf, weil er infolge der Wirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1989, B1413/88, die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis (nämlich den Entzugsbescheid vom 7. Juli 1988) verloren hatte.

b) Im zweiten Rechtsgang wies sodann die Oesterreichische Nationalbank mit Bescheid vom 24. Oktober 1990 den Antrag vom 3. Dezember 1987 neuerlich ab. Sie stützte sich dabei auf §2 Abs1 iVm §2 Abs2 Devisengesetz, BGBl. 162/1946 idF der inzwischen (am 28. Juli 1990) in Kraft getretenen Novelle BGBl. 464/1990 und führte zur Begründung ihrer abweislichen Entscheidung aus, daß das im Inland den Geschäftsleitern unbeschränkt zur freien Verfügung stehende Eigenkapital der beschwerdeführenden Gesellschaft entgegen der Anforderung des §2 Abs2 Z4 Devisengesetz idF der Novelle nicht mindestens 100 Millionen Schilling betrage.

c) Gegen diesen Bescheid wendet sich die zu B1348/90 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbstätigkeit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz beantragt. Begründend führt sie aus, daß §2 Abs2 Z4 Devisengesetz idgF den genannten Grundrechten widerspreche.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen, in eventu die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sie verteidigt insbesondere die Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs2 Z4 Devisengesetz.

Den Ausführungen der Oesterreichischen Nationalbank ist die beschwerdeführende Gesellschaft in einer Replik entgegengetreten.

3.a) Mit Schriftsatz vom 5. November 1991 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft (die inzwischen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft tätig wird) bei der Nationalbank unter detaillierter Anführung des Umfangs ihrer Bankkonzession die Erteilung der devisenbehördlichen Bewilligung nach Pkt. 7 der Kundmachung DL 2/91 der Oesterreichischen Nationalbank für alle von der Konzession umfaßten Geschäfte.

Das Direktorium der Oesterreichischen Nationalbank gab diesem Antrag mit Bescheid vom 30. April 1992 teilweise statt, teilweise (und zwar hinsichtlich der Ermächtigung zur Vornahme von Wechselstubengeschäften) wies sie ihn wegen entschiedener Sache zurück und teilweise (und zwar insbesondere hinsichtlich des Handels mit ausländischen Zahlungsmitteln einschließlich des Kaufs von Schecks und Wechseln und der Diskontierung von Wechseln) wies sie - mit Spruchteil B des Bescheides - den Antrag ab.

b) Gegen diesen abweislichen Teil des Bescheides richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (infolge Verfassungswidrigkeit des §2 Abs2 Z4 DevG idF der Nov. 464/1990 und wegen Willkür) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Diese Beschwerde ist zu B758/92 protokolliert.

Die belangte Behörde hat auch in diesem Verfahren den Verwaltungsakt vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Bei Behandlung der Beschwerden entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Z4 des §2 Abs2 DevG, weshalb der Gerichtshof beschloß, diese Bestimmung von Amts wegen zu prüfen. Mit Erkenntnis G217,218/92 vom heutigen Tag hob er diese Bestimmung wegen Verletzung des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatzes als verfassungswidrig auf.

Es steht somit fest, daß die belangte Oesterreichische Nationalbank eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet hat. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Bank nachteilig war.

Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Dies konnte gem. §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 5.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1348.1990

Dokumentnummer

JFT_10069376_90B01348_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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