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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. November 1993, Zl. St-237a/93, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. November 1993 wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, in Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe bei der Antragstellung auf die Beweisergebnisse des Asylverfahrens verwiesen. Im Asylverfahren habe er angegeben, daß er in seinem Heimatland keiner politischen Partei oder Organisation angehöre und politisch nicht verfolgt werde. Er hätte auf Grund seiner Religion große Probleme gehabt. Zwischen 21. und 23. April 1991 sei es in der Heimatstadt des Beschwerdeführers zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen gekommen. Es seien viele christlichen Kirchen von den Moslems gestürmt und in Brand gesetzt worden. Der Grund dafür sei gewesen, daß die Christen die Assimilierung durch die Moslems nicht akzeptiert hätten. Es seien bei diesen Auseinandersetzungen viele Menschen getötet worden, weshalb er aus dem Dorf geflüchtet sei, um nicht auch getötet zu werden. Am 25. April 1991 sei er ins Dorf zurückgekehrt und hätte in seinem Haus die Leiche seines Vaters gefunden. Gemeinsam mit einer christlichen Gruppe habe er die Toten begraben und den Verletzten helfen wollen. Dabei sei er von der Polizei verhaftet und in das Gefängnis gebracht worden. Mit Hilfe eines bestochenen Wächters habe er fliehen können.
Wie bereits der Bundesminister für Inneres in seinem im Asylverfahren ergangenen Berufungsbescheid ausgeführt habe, sei der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Wenn es tatsächlich zur Bedrohung und Mißhandlung des Beschwerdeführers durch Moslems und während seines Gefängnisaufenthaltes durch Polizeibeamte gekommen sein sollte, könne dies nicht als staatliche Verfolgung gewertet werden. Derartige Übergriffe würden keine systematische Verfolgung im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat indizieren. Es sei somit davon auszugehen, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß in Nigeria Leben oder Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre.
Wenn der Beschwerdeführer angebe, wegen seiner Flucht aus dem Gefängnis hart bestraft zu werden, sei das nicht mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe gleichzusetzen. Daß ihm die Todesstrafe drohe, sei aus dem Vorbringen nicht zu ersehen. Außergewöhnlich harte Haftbedingungen könnten mit unmenschlicher Behandlung noch nicht gleichgesetzt werden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers drücke Befürchtungen aus, ohne jedoch stichhaltige Gründe anzuführen, weshalb gerade er, sollte er wieder inhaftiert werden, einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden sollte. Ein Los, das zufolge äußerer Umstände alle Strafgefangenen treffe, könne nicht als unmenschliche Behandlung angesehen werden. Dem Einwand des Beschwerdeführers, in Nigeria kein faires Gerichtsverfahren gewärtigen zu können, seien die Ausführungen des Berufungsbescheides des Bundesministers für Inneres im Asylverfahren entgegenzuhalten, wonach davon ausgegangen werden könne, daß in Nigeria ein den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Gerichtsverfahren gewährleistet sei. Daß dies nicht zutreffe, werde nicht einmal in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Bericht einer Gefangenenhilfsorganisation behauptet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und begehrt wird, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren und dessen Beurteilung durch die Asylbehörde zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer keine im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG relevante Gefährdung und/oder Bedrohung dargetan habe. Im Hinblick darauf, daß einerseits der Beschwerdeführer im Feststellungsverfahren nach § 54 FrG unbestrittenermaßen kein über die von ihm im Asylverfahren gemachten Angaben hinausgehendes Vorbringen erstattet hat, und andererseits im Asylverfahren die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen war, war es - da § 37 Abs. 2 FrG gleichfalls auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus diesen Gründen abstellt - für die belangte Behörde naheliegend, die Ergebnisse des Asylverfahrens bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0256). Von einer Bindung an im Asylverfahren ergangene Bescheide ist die belangte Behörde, wie ihre Bescheidbegründung zeigt, nicht ausgegangen. Daß sie zum Teil dieselben Erwägungen angestellt hat wie der Bundesminister für Inneres in dem im Asylverfahren ergangenen Berufungsbescheid, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Bescheidbegründung.
Der Behauptung des Beschwerdeführers, daß er aus Gründen seiner Religion bedroht werde, ist entgegenzuhalten, daß er im Verwaltungsverfahren keine - entsprechend seiner Mitwirkungspflicht - konkreten, durch Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben dazu gemacht hat, daß er als Christ in Nigeria wegen seiner Religion vom Staat verfolgt werde. Die in der Beschwerde erhobene, überdies unsubstantiierte diesbezügliche Behauptung ist daher im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof kraft Neuerungsverbotes unbeachtlich.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß er in Nigeria Gefahr laufe, im Falle seiner Abschiebung einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Hiezu hat er in der Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Asylbescheid behauptet, er sei von der Polizei verhaftet worden. Diese hätte behauptet, er sei ein christlicher Führer und daher für das Massaker, das von Christen provoziert worden sei, mitverantwortlich. Während der Haft - so die Beschwerde in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsverfahren weiter - sei er Mißhandlungen ausgesetzt gewesen. Amnesty International beklage seit Jahren außerordentlich harte Haftbedingungen in nigerianischen Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten. Es komme dort zu Mißhandlungen und zahlreichen Todesfällen wegen Überfüllung, mangelnder Hygiene, Krankheiten und Unterernährung. Die Zellen seien teilweise um mehrere hundert Prozent überbelegt. Gefangene würden häufig in Ketten gehalten werden.
Die belangte Behörde führte dazu im Zusammenhang mit der Angabe des Beschwerdeführers im Asylverfahren, wonach er in sein Heimatland auf keinen Fall zurückkehren könne, weil er wegen seiner Flucht aus dem Gefängnis hart bestraft würde, lediglich aus, daß dies und außergewöhnlich harte Haftbedingungen nicht mit unmenschlicher Behandlung oder Strafe gleichgesetzt werden könnten.
Ob der Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung nach Nigeria einer im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Gefahr ausgesetzt ist, kann aber (noch) nicht beurteilt werden. Feststellungen dazu, ob dem Beschwerdeführer - wie er behauptet - im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria überhaupt Haft droht, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Wenn sie aufgrund der bisherigen (oder weiteren) Ermittlungsergebnisse diese Frage bejaht, wird sie Feststellungen über die behaupteten Haftbedingungen in Nigeria zu treffen haben. Die Auffassung der belangten Behörde, daß außergewöhnlich harte Haftbedingungen nicht mit unmenschlicher Behandlung oder Strafe gleichgesetzt werden könnten, vermag der Verwaltungsgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen. Was "unmenschliche" Behandlung oder Strafe umfaßt, hängt von den Umständen des Falles ab. Mit dem Haftvollzug einhergehende Zwangsakte könnten etwa dann gegen § 37 Abs. 1 FrG verstoßend anzusehen sein, wenn qualifizierend hinzutritt, daß sie nach Lage des Falles eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck bringen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993180611.X00Im RIS seit
20.11.2000