TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/22 95/11/0130

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Veröffentlicht am 22.09.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZDG 1986 §15 Abs2 Z2;
ZDG 1986 §23b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1994, Zl. 165 524/14-IV/14/94, betreffend Einrechenbarkeit von Zeiten in den ordentlichen Zivildienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete vom 4. Oktober 1993 an bei einer näher genannten Einrichtung den ordentlichen Zivildienst. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 15 Abs. 2 und 3 des Zivildienstgesetzes 1986 festgestellt, daß insgesamt 31 Tage zwischen dem 12. Oktober 1993 und dem 28. Juni 1994 - nämlich der 12. Oktober, der 14. bis 18. Oktober 1993, der 12. bis 30. Jänner, der 23. und 24. Februar, der 5. und 6. März sowie der 27. und 28. Juni 1994 - nicht in den ordentlichen Zivildienst eingerechnet werden.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde. Durch den am 1. Februar 1995 zur Post gegebenen Verfahrenshilfeantrag wurde im Sinne des § 26 Abs. 3 VwGG die Beschwerdefrist gewahrt. Der der belangten Behörde zugemittelte Schriftsatz stellt die vom bestellten Verfahrenshilfevertreter verfaßte Beschwerde dar. Vorauszuschicken ist ferner, daß es für die Beantwortung der hier anstehenden Fragen der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Belang ist, ob der Beschwerdeführer im übrigen seinen Zivildienst in einer den Anforderungen entsprechenden Weise versehen hat.

Gemäß § 15 Abs. 2 Z. 2 ZDG 1986 wird die Zeit, während der der Zivildienstpflichtige aus anderen Gründen als einer Haft oder sonstigen behördlichen Anhaltung, die er selbst vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat, keinen Zivildienst geleistet hat, in die Zeit des ordentlichen Zivildienstes nicht eingerechnet. Gemäß § 15 Abs. 3 ZDG 1986 hat der Bundesminister für Inneres die nach Abs. 2 nicht einrechenbaren Zeiten festzustellen.

1. Seine Abwesenheit vom Dienst am 12. Oktober 1993 begründet der Beschwerdeführer mit einem Behördenweg. Die belangte Behörde berücksichtigte in diesem Zusammenhang die vom Beschwerdeführer beigebrachte "Zeitbestätigung" betreffend den Zeitraum von 11.30 Uhr bis 12.15 Uhr; dies rechtfertige aber nicht die ganztägige Abwesenheit vom Dienst; die vom Beschwerdeführer behauptete Absprache mit dem Grundlehrgangsleiter habe, wie sich aus einer Rücksprache mit diesem ergeben habe, nicht stattgefunden.

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, diese Absprache mit einem anderen als dem von der belangten Behörde kontaktierten Funktionär getroffen zu haben. Am 12. Oktober 1993 sei überdies eine ganztägige Exkursion auf dem Programm gestanden, an der er nach 12.15 Uhr nicht mehr habe teilnehmen können.

Dieses - nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßende - Vorbringen setzt den Verwaltungsgerichtshof außerstande, die Rechtmäßigkeit der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe am 12. Oktober 1993 aus Gründen des § 15 Abs. 2 Z. 2 ZDG 1986 keinen Zivildienst geleistet, zu überprüfen. Der in der Gegenschrift hervorgehobene Umstand, die Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Dienst müsse schon deswegen als unentschuldigt angesehen werden, weil sonst keine diesbezügliche Anzeige seitens des Rechtsträgers erfolgt wäre, schlägt für sich nicht durch, weil ja behauptungsgemäß zwei verschiedene Funktionäre des Rechtsträgers involviert waren, die jeweils nicht voll informiert gewesen sein könnten. Im übrigen ist die Behauptung nicht unschlüssig, wegen eines Behördenweges in der Mittagszeit an einer ganztägigen Exkursion außerhalb des Dienstortes nicht teilnehmen zu können.

Die belangte Behörde hat in diesem Punkt den Sachverhalt hinsichtlich wesentlicher Elemente nicht erhoben.

2. Hinsichtlich der vom angefochtenen Bescheid erfaßten Zeit vom 14. Oktober bis zum 18. Oktober 1993 hatte der Beschwerdeführer seine Abwesenheit vom Dienst mit Krankheit (Grippe) entschuldigt. Er habe am 14. Oktober 1993 seinen Hausarzt in dessen Ordination aufgesucht. Da dieser keinen Kassenvertrag habe, habe er sich am 19. Oktober 1993 zu einer "Kassenärztin" begeben, die die vom Beschwerdeführer beigebrachte Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit ausgestellt habe. Der Beschwerdeführer legte auch eine mit 17. November 1994 datierte Bestätigung des "Hausarztes" vor, in der dem Beschwerdeführer der Besuch vom 14. Oktober 1993 bescheinigt wurde. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, daß die "Kassenärztin" am 19. Oktober 1993 nicht die Arbeitsunfähigkeit vom 14. Oktober an habe bestätigen können. Die Bestätigung des "Hausarztes" sei nicht "gerechtfertigt", die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers für den fraglichen Zeitraum zu bestätigen. Sie würdigte die vom Beschwerdeführer beigebrachten Beweismittel somit dahingehend, daß dem Inhalt der darin enthaltenen ärztlichen Aussagen der Glaube versagt werde.

Diese Beweiswürdigung ist mangels einer näheren Begründung nicht schlüssig. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon bisher zum Ausdruck gebracht, daß er es grundsätzlich für möglich ansieht, daß ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeit auch für einen (kurzen) Zeitraum vor der Erstkonsultation feststellen kann (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/11/0294, und vom 17. Februar 1994, Zl. 92/11/0261). Warum die belangte Behörde der nachträglich beigebrachten - auch weitere Krankenstände des Beschwerdeführers erfassende (siehe unten) - Bestätigung des "Hausarztes" schlechthin die Glaubwürdigkeit absprach, entbehrt jeder Begründung.

Hinsichtlich des Zeitraumes vom 14. bis zum 18. Oktober 1993 hat die belangte Behörde die von ihr angestellte Beweiswürdigung nicht ausreichend begründet.

3. Was den Zeitraum vom 12. bis zum 30. Jänner 1994 anlangt, hatte der Beschwerdeführer angegeben, seine Ehefrau im Zusammenhang mit ihrer Pflegebedürftigkeit betreut zu haben und vom 18. Jänner 1994 an selbst erkrankt (Dorsolumbalgie) gewesen zu sein.

Die belangte Behörde vertritt dazu die Ansicht, daß auf der Bestätigung der - bereits oben genannten - "Kassenärztin", in der eine Pflegebedürftigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 12. bis zum 21. Jänner 1994 attestiert wurde, keine Diagnose eingetragen sei. Außerdem sei die Pflegefreistellung ungerechtfertigt, weil er selbst vom 18. bis zum 23. Jänner erkrankt gewesen sei.

Auch in Ansehung des hier in Rede stehenden Zeitraumes kann der Begründung der belangten Behörde nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Bestätigung der "Kassenärztin" nicht vorgehalten wurde, es fehle die Angabe der Diagnose (sondern lediglich der Nachweis, die einzige zur Pflege zur Verfügung stehende Person zu sein, wovon die belangte Behörde freilich im angefochtenen Bescheid auszugehen scheint), kann es sich bei dieser Bestätigung höchstens um ein unvollständiges, nicht aber um ein untaugliches Beweismittel handeln, aus welchem das Nichtvorliegen der Pflegebedürftigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers zu schließen ist. Dazu kommt, daß der Krankenstand des Beschwerdeführers nach den Denkgesetzen zwar dazu führen konnte, daß die Möglichkeit der Pflege der Ehefrau beeinträchtigt wurde, nicht aber dazu, daß die - nunmehr durch Pflegebedürftigkeit und Krankenstand begründete - Dienstabwesenheit gänzlich ungerechtfertigt sein sollte. In diesem Zusammenhang ist es ferner unschlüssig, den Krankenstand auf die Zeit vom 18. bis zum 23. Jänner zu beschränken, obwohl die ärztliche Bestätigung den Zeitraum vom

18. bis zum 30. Jänner 1994 nannte und die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren (Vorhalt vom 9. November 1994) einen Krankenstand vom 24. bis zum 30. Jänner 1994 als erwiesen annahm.

Auch in Ansehung des Zeitraumes vom 12. bis zum 30. Jänner 1994 ist der angefochtene Bescheid nicht schlüssig begründet bzw. der maßgebende Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.

4. Der Beschwerdeführer blieb ferner vom 23. Februar bis zum 6. März 1994 vom Dienst fern. Er hatte diesbezüglich eine Bestätigung der genannten "Kassenärztin" vom 25. Februar 1994 beigebracht, wonach er infolge Darmgrippe dienstunfähig sei. Diese Bestätigung lautete ursprünglich auf 24. Februar bis 4. März, weist aber handschriftliche Korrekturen, lautend auf 23. Februar bis 6. März 1994, auf. In der ebenfalls bereits genannten Bestätigung des "Hausarztes" vom 17. November 1994 wird hingegen wiederum der Zeitraum 23. Februar bis 6. März 1994 angeführt.

Die belangte Behörde sah die Dienstabwesenheit nur für die Dauer vom 25. Februar bis zum 4. März 1994 als gerechtfertigt an, nämlich von der Untersuchung durch die "Kassenärztin" bis zum Ende der von ihr vor der "Verfälschung" angegebenen Krankheitsdauer; daraus resultierten die im Spruch des angefochtenen Bescheides festgestellten Tage 23. und 24. Februar sowie 5. und 6. März 1994.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme, die ärztliche Bestätigung vom 25. Februar 1994 sei verfälscht. Mit diesem Vorbringen verstößt er zwar gegen das Neuerungsverbot. Da sich die belangte Behörde aber mit der Bestätigung des "Hausarztes" vom 17. November 1994 mit der Begründung nicht auseinandergesetzt hat, der Beschwerdeführer habe bereits gewußt, daß dieser kein Kassenarzt sei, sodaß dessen Bestätigung nicht verwertbar sei, hat sie wiederum in wesentlicher Weise gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Der Umstand, daß ein Arzt keinen Kassenvertrag hat, hat keinen Einfluß auf den Beweiswert der von ihm ausgestellten ärztlichen Bescheinigungen. Die Verweisung des Beschwerdeführers an einen Kassenarzt zur Behandlung muß andere Gründe (offenbar in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht) haben. Was im übrigen den Beweiswert der in Rede stehenden ärztlichen Bestätigung anlangt, ob sie lediglich eine "reine Gefälligkeit gegenüber einem (ehemaligen) Patienten" darstellt, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, diese ihre (in der Gegenschrift formulierte) Vermutung bereits im Verwaltungsverfahren durch entsprechende Ermittlungen zu erhärten. Im übrigen liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein Widerspruch zwischen dem Umstand des Aufsuchens des Hausarztes der Familie des Beschwerdeführers und der "Entfremdung" im Verhältnis zur Familie der Ehefrau des Beschwerdeführers vor.

Die Annahme der Dienstunfähigkeit an den hier in Rede stehenden vier Tagen ist daher aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht schlüssig begründet.

5. Für die zuletzt angeführten Tage, den 27. und 28. Juni 1994, gelten in Ansehung der Möglichkeit der Ausstellung einer ärztlichen Bestätigung für in der Vergangenheit liegende Tage (die Bestätigung der "Kassenärztin stammt vom 29. Juni 1994) das oben in Punkt 2. Gesagte, für die Verwertbarkeit der Bestätigung des "Hausarztes" vom 17. November 1994 die entsprechenden Ausführungen unter obigem Punkt 4.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit zur Gänze als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behafet. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Verhandlungsaufwand nicht entstanden ist, weil der Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung die Umsatzsteuer bereits enthält und "Fahrtkosten", die nicht im Zusammenhang mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof stehen, nach § 48 Abs. 1 VwGG nicht ersetzt werden können.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Sachverständigengutachten freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110130.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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