Index
43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des H in Anthering, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. September 1994, Zl. 749.410/2-2.7/94, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Februar 1994 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992 abgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wurde am 7. September 1984 und am 11. Februar 1993 der Stellung unterzogen und hiebei jeweils für tauglich befunden. Mit Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 9. März 1988 wurde dem Beschwerdeführer der Antritt des Grundwehrdienstes zum Zwecke des Hochschulstudiums bis 15. August 1991 aufgeschoben. Desgleichen wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Militärkommondos Salzburg vom 23. Jänner 1991 aufgrund seines Antrages erneut der Antritt des Grundwehrdienstes zum Zwecke seines Hochschulstudiums bis 15. August 1994 aufgeschoben.
In seinem Antrag vom 25. Februar 1994 machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, daß er nach Absolvierung seiner Matura im Jahr 1985 sein Betriebswirtschaftsstudium in Wien begonnen habe. Da seine Eltern einen Mittelbetrieb mit 60 Mitarbeitern im Baunebengewerbe mit Standorten Salzburg und Wien besäßen, sei er jedoch auch in den betrieblichen Ablauf integriert gewesen und es sei das Studium bald "nur mehr nebenher" gelaufen. Im Oktober 1990 habe er die gewerbliche Befähigungsprüfung abgelegt und es sei im Herbst 1993 eine Gesellschaft mbH. gegründet worden, der er als alleinzeichnungsberechtigter Geschäftsführer und Gesellschafter angehöre. Die gesamte administrative Arbeit liege ausschließlich beim Beschwerdeführer, seiner Frau und seinen Eltern, die Führungspositionen in der Firma würden vom Vater des Beschwerdeführers und ihm selbst bekleidet. Da der Beschwerdeführer der einzige mit einer fundierten betriebswirtschaftlichen Ausbildung sei, sei sein Ersatz im Unternehmen unverzichtbar. Durch sein Einrücken zum Bundesheer seien auch 60 Arbeitsplätze aufs höchste gefährdet. Ein Ersatz für den Beschwerdeführer als Führungskraft könne nicht gefunden werden. Seine Mitarbeit sei auch erforderlich, um diverse anstehende Aufträge abzuwickeln, insbesondere einen Großauftrag in der Höhe von ca. 27 Mill. Schilling, welcher sich über mehrere Jahre hinziehen würde, voraussichtlich bis 1998/99 (Regierungsviertel St. Pölten). Aus seiner Sicht könne der Beschwerdeführer für die österreichische Volkswirtschaft mehr leisten, wenn er an führender Stelle mithelfe, einen Mittelbetrieb durch eine schwere Zeit zu führen, als durch die Ableistung des Grundwehrdienstes, wodurch für seine Familie, das Unternehmen und die 60 Mitarbeiter eine Katastrophe und eine ernste Gefährdung gesamtwirtschaftlicher Interessen entstünde. Darüber hinaus habe sein Vater seit vielen Jahren gesundheitliche Probleme und eine Magenoperation hinter sich und die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit erreicht. Er habe die Geschäftsleitung der Filiale in W inne. Daraus ergebe sich, daß die Führung der Geschäfte in Salzburg zum Großteil vom Beschwerdeführer durchgeführt werden müsse.
In seiner gegen den den Antrag abweisenden Bescheid der Erstbehörde gerichteten Berufung wendete der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, es handle sich nicht nur um persönliche bzw. familiäre Interessen und es gehe ihm nicht um arbeitsrechtliche Konsequenzen seiner Einberufung zwischen ihm und dem Unternehmen, sondern um die Gefährung von
60 Arbeitsplätzen. Die Existenz des Unternehmens sei gefährdet und im Falle seiner Einberufung die Gefahr einer Insolvenz drastisch erhöht. Zu Unrecht habe die Erstbehörde ausgeführt, daß öffentliche Interessen nicht Gegenstand dieses Verfahrens seien; genau das sei aber Gegenstand seines Antrages gewesen. Es gehe auch nicht sosehr darum, ob dem Vater eine weitere Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zugemutet werden könne, vielmehr sei zu befürchten, daß aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung der Betrieb überhaupt nicht aufrechterhalten werden könne. Es werde daher gebeten, den Antrag nochmals "gemäß seiner Intention (gesamtwirtschaftliche Interessen)" zu prüfen.
Die belangte Behörde bejahte im angefochtenen Bescheid die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers, zumal er zu 20 % am Unternehmen beteiligt sei, verneinte jedoch deren besondere Rücksichtswürdigkeit mit der wesentlichen Begründung, daß der Beschwerdeführer die ihm obliegende Harmonisierungspflicht verletzt habe, indem er gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern erst im Herbst 1993 das Unternehmen gegründet habe. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Interessen im Hinblick auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Vaters seien nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des Wehrgesetzes, weil einerseits eine Pflegebedürftigkeit des Vaters nicht festgestellt habe werden können und andererseits auch diesbezüglich so disponiert und eine Vertretung gesucht hätte werden müssen, um dem Beschwerdeführer die Ableistung des Präsenzdienstes, mit der er ab Oktober 1994 rechnen mußte, zu ermöglichen.
Während sich aufgrund des Inhaltes des Verwaltungsaktes, insbesondere aufgrund der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen, ergibt, daß die Gründung des Unternehmens (Gesellschaft mbH.), an dem der Beschwerdeführer mit 20 % beteiligt ist, mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Oktober 1993, eine Folge der Expansion des "ursprünglichen Ein-Mann-Betriebes" des Vaters des Beschwerdeführers (vgl. das Schreiben der Handelskammer Salzburg vom 7. Dezember 1993) war und diesbezüglich "tiefgreifende Änderungen in der Unternehmensstruktur" (vgl. das Schreiben der Haberl Wirtschaftstreuhandgesellschaft mbH. vom 19. November 1993) durchgeführt wurden, stützt sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde darauf, daß das Unternehmen aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Vaters gegründet worden sei. Dies stellt eine unzulässige Neuerung dar. Im übrigen zeigt der Inhalt des Verwaltungsaktes auf, daß der Vater des Beschwerdeführers, der zu 40 % am Unternehmen beteiligt ist, in erheblichem Ausmaß am Unternehmen mitwirkt und - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt - Führungsaufgaben wahrnimmt, sodaß nicht die Rede davon sein kann, der Beschwerdeführer habe aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Vaters gleichsam den Betrieb "übernehmen" müssen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/11/0014, mwN, u.v.a.) hat der Wehrpflichtige die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Dem Beschwerdeführer war zur Absolvierung seines Hochschulstudiums mehrmals der Antritt des Grundwehrdienstes aufgeschoben worden, zuletzt bis 15. August 1994. Daß der Beschwerdeführer seinen Präsenzdienst abzuleisten haben wird, war ihm bekannt, er hat daher mit seiner Einberufung rechnen müssen. Dies hätte er aber auch berücksichtigen müssen, als er gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern im Oktober 1993 an der Gründung des Unternehmens mitwirkte und einen 20 %igen Anteil übernahm. Der Beschwerdeführer hätte daher entweder bei Übernahme der Verpflichtungen im Unternehmen dafür Sorge tragen müssen, daß für die Dauer der Ableistung seines Grundwehrdienstes eine Überbrückung seiner Tätigkeit möglich ist, allenfalls durch geeignete (andere) Aufteilung der Kompetenzen mit seinem Vater oder durch Vorsorge einer geeigneten Vertretung, oder aber hievon vorerst Abstand nehmen müssen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß es aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht zumutbar wäre, eine qualifizierte Ersatzkraft einzustellen, vermag dies nicht dem Standpunkt der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Einerseits wird vom Beschwerdeführer diese Behauptung nicht konkretisiert und andererseits hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, daß er einen KONKRETEN Versuch unternommen hätte, eine geeignete Ersatzkraft zu beschaffen und deren finanzielle Forderung im einzelnen so hoch gewesen wäre, daß die Existenz des Unternehmens vernichtet wäre. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte angespannte finanzielle Lage läßt für ihn nichts gewinnen, weil es sich auch diesbezüglich um die Folgen der Verletzung der Harmonisierungspflicht handelt. Gleiches gilt für die behauptete "existenzielle Bedrohung des Unternehmens" durch seine Abwesenheit, weil er die Ausführung der übernommenen Aufträge an den verschiedenen Baustellen persönlich überwachen müsse; auch diesbezüglich hätte der Beschwerdeführer bei Übernahme der Aufträge vorsorgen müssen, um seinen Grundwehrdienst nicht zu verhindern, oder allenfalls von der Annahme der Aufträge Abstand nehmen müssen.
Insoweit der Beschwerdeführer familiäre Interessen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht geltend macht, ist ihm zu entgegnen, daß diese nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann besonders rücksichtswürdig sind, wenn seine Abwesenheit infolge der Präsenzdienstleistung dazu führte, daß er seinen Familienangehörigen die nötige Unterstützung nicht mehr angedeihen lassen kännte, sodaß diese in lebenswichtigen Belangen gefährdet würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0038, mit weiterem Judikaturhinweis). Die belangte Behörde hat aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wohl festgestellt, daß die Erwerbsfähigkeit des Vaters des Beschwerdeführers um 30 % vermindert sei; weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch ein Anhaltspunkt dafür, daß der Vater des Beschwerdeführers konkret in seiner Existenz bedroht wäre.
Das Argument des Beschwerdeführers, das er als tragende Begründung seines Befreiungsantrages herangezogen hatte, nämlich daß seine Befreiung aus gesamtwirtschaftlichen Interessen geboten sei, welches aber die belangte Behörde mit Recht unter Hinweis auf die Rechtsprechung als nicht durchschlagend ansah (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/11/0258, u.v.a.), wird von ihm nicht aufrechterhalten. Es muß daher nicht mehr darauf eingegangen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher - unter Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994110332.X00Im RIS seit
20.11.2000