Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1984 §78 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. R in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 2. Juni 1992, Zl. B03/92, betreffend Beitragsnachzahlung zum Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 26. März 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 78 Abs. 2 und 3 des Ärztegesetzes und § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die Entrichtung eines Nachzahlungsbetrages an den Wohlfahrtsfonds in der Höhe von S 154.171,78 vorgeschrieben. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 1992 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher ihre Behandlung mit Beschluß vom 14. Juni 1993, B 1004/92-10, abgelehnt und sie mit Beschluß vom 10. September 1993, B 1004/92-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde führte zur Begründung ihres Bescheides aus, daß der Beschwerdeführer, geboren am 23. April 1951, sich am 1. Juni 1991 als Facharzt für Gynäkologie in Wien niedergelassen habe. Er sei zuvor im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich ärztlich tätig gewesen. Im Hinblick auf die Vollendung seines 35. Lebensjahres am 23. April 1986 sei ihm mit Schreiben der Ärztekammer für Wien vom 3. Feber 1992 bzw. 28. Feber 1992 bekanntgegeben worden, daß gemäß § 78 Abs. 2 und 3 Ärztegesetz und § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ein Nachzahlungsbetrag von S 154.171,78 zu leisten sei. Der Beschwerdeführer habe daraufhin mit Schreiben vom 20. Februar 1992 die bescheidmäßige Vorschreibung dieses Nachzahlungsbetrages begehrt, woraufhin der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 26. März 1992 den zu leistenden Nachzahlungsbetrag mit S 154.171,78 festgesetzt habe. Gemäß § 78 Abs. 3 Ärztegesetz, worin das Wort "erstmalig" entgegen Abs. 2 dieser Bestimmung nicht verwendet werde, sei generell eine Nachzahlungsverpflichtung für Kammerangehörige festgelegt, die erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres beitragspflichtig würden. Der Verweis auf Abs. 2 beziehe sich lediglich auf die Anwendung der dort geregelten Berechnungsbestimmungen, ein darüber hinausgehender inhaltlicher Rückschluß sei nicht zulässig. Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß "während seiner Tätigkeit im Kammerbereich Wien (Krankenhaus Lainz) vom 1.1.1985 bis 31.8.1989 bereits Beiträge an den Wohlfahrtsfonds geleistet" worden seien, lasse für ihn nichts gewinnen, weil diese Beiträge anläßlich der Verlegung seiner Tätigkeit nach Niederösterreich an die dortige Ärztekammer überwiesen worden seien. Auch aus der Rücküberweisung von der Ärztekammer für Niederösterreich an die Ärztekammer für Wien könne nichts abgeleitet werden, weil dieser Überweisungsbetrag vom Nachzahlungsbetrag in Abzug gebracht worden und lediglich die Differenz zur Vorschreibung gelangt sei.
Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, daß die Vorschreibung von S 154.171,78 auf einem Gesamtnachzahlungsbetrag von S 291.885,-- abzüglich der von der Ärztekammer für Niederösterreich geleisteten Überweisungsbeträge von insgesamt S 137.713,22 beruht.
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid im wesentlichen ein, daß die belangte Behörde die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 und Abs. 3 Ärztegesetz angewendet habe und entgegen der Auffassung der belangten Behörde das in § 78 Abs. 2 leg. cit. genannte Kriterium der "Erstmaligkeit" auch ein Gruppencharakteristikum der Kammerangehörigen im Sinne des § 78 Abs. 3 leg. cit. darstelle. Der Beschwerdeführer sei bereits ab 1. Jänner 1985 Mitglied einer Ärztekammer - konkret der Ärztekammer für Wien - gewesen und habe als solcher Beiträge zum Wohlfahrtsfonds abgeführt. Er sei daher nicht erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres beitragspflichtig geworden und sei daher nicht zu einer Nachzahlung gemäß § 78 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 leg. cit. verpflichtet, weil er kein "erstmaliges" Kammermitglied im Sinne des § 78 Abs. 2 bzw. Abs. 3 leg. cit. sei. Jedenfalls sei aber zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer als "Rückwechsler" schon einmal Angehöriger der Ärztekammer für Wien, insbesondere auch für einen Großteil jenes Zeitraumes, für den ihm nun eine Nachzahlungsverpflichtung vorgeschrieben worden sei, gewesen sei. Von § 78 Abs. 3 leg. cit. seien nur jene Kammerangehörigen erfaßt, die in der betreffenden Landesärztekammer erst beitragspflichtig würden, nachdem sie das 35. Lebensjahr vollendet haben. Dies treffe für den Beschwerdeführer nicht zu. Dem Beschwerdeführer würde ein "verfassungswidriges Sonderopfer" abgefordert, weil er für den fraglichen Zeitraum vom 1. Mai 1986 bis 31. August 1989 bereits Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien entrichtet habe.
Die belangte Behörde wendet in ihrer über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Stellungnahme vom 26. Juli 1995 im wesentlichen ein, daß sich der in § 78 Abs. 3 ÄrzteG enthaltene Verweis auf Abs. 2 ausdrücklich nur auf den Berechnungsmodus für den Nachzahlungsbetrag, nicht jedoch auf den übrigen Regelungsinhalt beziehe. Es werde keine Differenzierung vorgenommen, ob das Entstehen der Beitragspflicht etwa auf einen Wechsel des Kammerbereiches zurückzuführen ist oder auf andere Gründe, ferner auch nicht, ob vorher schon Beitragspflicht bestanden hat oder nicht. Zum Verhältnis von § 78 Abs. 3 zu § 81 Abs. 1 leg. cit. sei festzustellen, daß die letztgenannte Bestimmung (in ihrem ersten Teil) den Vorgang der Beitragsüberweisung zwischen den Landesärztekammern regle und mit der Nachzahlungsverpflichtung gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. zunächst gar nichts zu tun habe. Nicht einmal für die, von den Landesärztekammern gehandhabte Übung, den Überweisungsbetrag auf die Nachzahlungsvorschreibung anzurechnen, sei explizit festgelegt. Für die Auffassung, daß eine Nachzahlungsverpflichtung im Sinn des § 78 Abs. 3 leg. cit. nur für solche Zeiten nach Vollendung des 35. Lebensjahres bestehen solle, für die keine Beitragspflicht bestanden habe, biete der Wortlaut des Gesetzes daher keine Grundlage.
Kammerangehörige (§ 40 ÄrzteG) sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 75 leg. cit. verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten. Gemäß § 75 Abs. 5 leg. cit. kann die Beitragsordnung nähere Bestimmungen, insbesondere auch über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerbeiträge vorsehen. Die Bestimmungen des § 78 ("Befreiung von der Beitragspflicht") Abs. 2 und Abs. 3 leg. cit. haben folgenden Wortlaut:
"(2) Kammerangehörige, die erstmalig die ordentliche Kammerangehörigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres erworben haben, werden auf ihren Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 75 befreit. Wird ein solcher Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintragung in die Ärzteliste und gleichzeitiger Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten nicht gestellt, ist der Kammerangehörige nicht nur zur Leistung der seit Beginn der Kammerzugehörigkeit fälligen Beiträge, sondern auch zur Nachzahlung des ab dem Zeitpunkt der Errichtung des Fonds in den einzelnen Kalenderjahren jeweils geleisteten, auf einen Kammerangehörigen entfallenden Durchschnittsbeitrages verpflichtet, wenn er in diesem Zeitpunkt das 35. Lebensjahr bereits vollendet hatte. In allen übrigen Fällen beginnt die Nachzahlungsverpflichtung mit Vollendung des 35. Lebensjahres. Bei Berechnung des Nachzahlungsbetrages bleiben jedoch die während des Nachzahlungszeitraumes eingehobenen Beitragsanteile für die Todesfallbeihilfe außer Betracht.
(3) Kammerangehörige, die erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres beitragspflichtig werden, sind unter sinngemäßer Anwendung der Berechnungsbestimmungen nach Abs. 2 zu einer solchen Nachzahlung verpflichtet."
§ 81 Abs. 1 leg. cit in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 100/1994 hat folgenden Wortlaut:
"Verlegt ein Kammerangehöriger seinen Berufssitz (Dienstort) dauernd in den Bereich einer anderen Ärztekammer, ist ein Betrag in der Höhe von mindestens 70 v.H. der von ihm zum Wohlfahrtsfonds der bisher zuständigen Ärztekammer entrichteten Beiträge der nunmehr zuständigen Ärztekammer zu überweisen. Die für bestimmte Zwecke (Todesfallbeihilfe, Krankenunterstützung usw.) satzungsgemäß vorgesehenen Beitragsteile bleiben bei der Berechnung des Überweisungsbetrages außer Betracht. Bei Streichung eines Kammerangehörigen aus der Ärzteliste (§ 32 Abs. 4) gebührt ihm der Rückersatz in sinngemäßer Anwendung der vorstehenden Bestimmungen in Höhe von mindestens 50 v.H.; erfolgt die Streichung gemäß § 32 Abs. 2 Z. 1 oder 3, gebührt dieser Rückersatz nach Ablauf von 3 Jahren ab dem Verzicht bzw. der Einstellung der Berufsausübung, sofern nicht zwischenzeitig eine neuerliche Eintragung in die Ärzteliste erfolgt oder ein Anspruch auf Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds besteht."
Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte der Beschwerdeausführungen keinen Anlaß findet, gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 78 des Ärztegesetzes 1984, auf dem § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beruht, bzw. des § 81 Abs. 1 leg. cit. Bedenken zu hegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1991, Zl. 90/18/0255, und vom 25. November 1987, Zl. 86/09/0189, mit weiterem Hinweis).
Zutreffend verweisen der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung und auch die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 1995 darauf, daß § 78 Abs. 3 leg. cit. eine Nachzahlungsverpflichtung normiert, nämlich wenn die Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres des Kammerangehörigen entsteht. Daraus, daß hier der Begriff "erst" verwendet wird (und nicht "erstmalig"), ist für den Standpunkt der belangten Behörde jedoch nichts gewonnen. Zunächst trifft es zu - wie der Beschwerdeführer ausführt -, daß in den Materialien zur Bestimmung des seinerzeit die Befreiung von der Beitragspflicht regelnden § 45a des Ärztegesetzes in der Fassung
BGBl. Nr. 229/1969 (EB zur RV 1261 BlgNR. XI GP, 11) festgehalten wurde, daß Abs. 2 - entsprechend nunmehr § 78 Abs. 2 - eine Befreiung von der Beitragspflicht für Kammerangehörige vorsehe, die "erst" nach Vollendung des 50. Lebensjahres die Kammerangehörigkeit erworben haben. Schon daraus ist ersichtlich, daß nicht in jedem Fall die Begriffe "erst" und "erstmalig" nach ihrem Wortlaut unterschiedlich interpretiert werden müssen. Insbesondere ist jedoch nach dem Zweck der Bestimmungen des § 78 Abs. 2 und 3 leg. cit. in Verbindung mit der nach § 81 Abs. 1 erster Satz leg. cit. für die bisherige Ärztekammer bestehende Überweisungspflicht - der eine Übernahmepflicht durch die "neue" Ärztekammer entspricht, denn nur so erscheint die Normierung einer Überweisungspflicht sinnvoll - ersichtlich, daß § 78 Abs. 3 leg. cit. nur für Ärzte gilt, die nach ihrem 35. Lebensjahr in die betreffende Ärztekammer aufgenommen werden, ohne daß für sie durch eine andere Ärztekammer ein Überweisungsbetrag zu leisten ist. Dazu sind etwa Ärzte zu zählen, die entweder erst nach dem 35. Lebensjahr Kammermitglied geworden sind oder in der Zwischenzeit diese Eigenschaft verloren haben. Der Beschwerdeführer zählt im Hinblick auf seine schon bisherige Beitragsleistung und die erfolgte Überweisung gemäß § 81 Abs. 1 leg. cit. nicht hinzu. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation von § 78 Abs. 2 und Abs. 3 ÄrzteG (und damit im Zusammenhang stehend § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien) war somit verfehlt.
Die belangte Behörde hat daher in Verkennung der Rechtslage den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993110195.X00Im RIS seit
22.05.2001