Index
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ArbVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des LH von OÖ vom 11. November 1993, Zl. SV(SanR)-1084/4-1993-Ru/Ma, betreffend Beitragsnachverrechnung und Verhängung eines Beitragszuschlages (mP: OÖ GKK), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Februar 1993 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG für die in der Beitragsnachrechnung vom 5. Jänner 1993 genannten Versicherten allgemeine Beiträge von S 1,545.824,90 nachzuzahlen. Gleichzeitig wurde ein Beitragszuschlag von S 134.400,-- vorgeschrieben. Nach der Bescheidbegründung habe die mitbeteiligte Partei in der Zeit vom 8. September 1992 - mit Unterbrechungen - bis 22. Oktober 1992 bei der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung ab 1991 vorgenommen. Hiebei sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin über einen Gewerbeschein zur Ausübung des Schlosserhandwerks sowie über ein Konzessionsdekret zur Überlassung von Arbeitskräften verfüge. Die betrieblichen Einrichtungen bestünden aus einem Büro und einer Garage, welche laut Frau W als Schlosserei benützt werde. Der Prüfer habe an drei verschiedenen Tagen in der Früh, am Vormittag und auch am Nachmittag vergeblich versucht, unangemeldet die Schlosserei zu besichtigen. Frau W habe daraufhin bestätigt, daß die Schlosserei nicht ständig benützt werde und somit auch kein Stammpersonal vorhanden sei. Eine Überprüfung aller Dienstzettel (Dienstverträge) habe ergeben, daß die Dienstnehmer ausschließlich zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet seien. Eine weitere Verwendung auch in der eigenen Schlosserei sei vertraglich nicht vereinbart worden.
Am 2. Jänner 1992 sei zwischen der Beschwerdeführerin und deren Betriebsrat eine Sonderbetriebsvereinbarung geschlossen worden, welche - auszugsweise zitiert - laute:
"Nachdem laufend die Arbeitnehmer der Firma W Ges.m.b.H. sowohl im Arbeitskräfteüberlassungs- wie auch im Schlossereibetrieb eingesetzt werden, kommen die beiden Vertragspartner auf Anregung und Vorschlag der Gewerkschaft zur Vereinbarung, daß für sämtliche Arbeitnehmer mangels Zuordnungsfähigkeit ab 1. Jänner 1992 der Kollektivvertrag für das Metallgewerbe anzuwenden ist."
Von den gewährten Diäten seien im Jahr 1991 bei einer Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr ab der zweiten Woche Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Bei einer Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr seien die Diäten bis zu einer Beschäftigungsdauer von sechs Monaten am selben Einsatzort jedenfalls steuer- und beitragsfrei belassen worden. Bei einzelnen Dienstnehmern habe die Beschwerdeführerin bei Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr die gewährten Diäten auch über die sechs-Monate-Grenze steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei belassen. In diesen Fällen seien die Diäten ab dem siebenten Monat der Sozialversicherungspflicht unterworfen worden.
Im Jahr 1992 seien die Diäten unter Berufung auf die Sonderbetriebsvereinbarung, welche auf den Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe verweist (insbesondere auf den darin enthaltenen eigenen Dienstreisebegriff), zur Gänze beitragsfrei belassen worden. Die im Jahr 1992 gewährten Diäten seien unter Berücksichtigung der Wochen- bzw. sechs-Monate-Regel der Sozialversicherungsbeitragspflicht unterworfen worden.
Als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG gälten gemäß Abs. 3 Z. 1 leg. cit. nicht Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz). Hiezu gehörten u.a. Tages- und Nächtigungsgelder, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterlägen. Die Legaldefinition des Dienstreisebegriffes gelte nur für jene Fälle, für die nicht eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 Einkommensteuergesetz eine besondere Regelung des Dienstreisebegriffes vorsehe. Im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung gebe es für die Arbeiter keinen fachlich anzuwendenden Kollektivvertrag. Eine Betriebsvereinbarung aufgrund einer kollektivvertraglichen Ermächtigung sei daher nicht möglich. Ebenso könne die zwischen der Beschwerdeführerin und deren Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung nicht als eine zwischen dem Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf Arbeitnehmerseite geschlossene Betriebsvereinbarung angesehen werden. Die ausschließlich zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichteten Arbeitskräfte unterlägen daher keinem Kollektivvertrag. Ob eine Dienstreise vorläge, sei somit gemäß § 49 Abs. 3 ASVG nach § 26 Z. 4 EStG 1988 zu prüfen. Zu den Tatbeständen im Sinne der Legaldefinition des § 26 Z. 4 EStG 1988 habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1985, Zl. 85/14/0028), daß der Einsatz in einem zusammenhängenden Zeitraum zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit führe. Bei häufig wechselndem Arbeitsplatz im Nahbereich werde eine Dienstreise im Sinne des § 26 Z. 4 erster Tatbestand nur dann vorliegen, wenn kurzfristige Arbeitseinsätze (höchstens eine Woche) erfolgten. Dieser Nahbereich werde dann anzunehmen sein, wenn dem Arbeitnehmer die tägliche Rückkehr zu seinem Wohnort zugemutet werden könne. Bei einer Dienstreise im Sinne des § 26 Z. 4 zweiter Tatbestand sei davon auszugehen, daß der Arbeitsort erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten zum Mittelpunkt der Tätigkeit werde. Ab dem siebenten Monat gezahlte Tages- und Nächtigungsgelder seien steuerpflichtig und somit auch sozialversicherungsbeitragspflichtig. Die vorgenommene Beitragsnachverrechnung betreffe ausschließlich Diäten unter Berücksichtigung der Wochen- bzw. sechs-Monate-Regel.
Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin sei der Beitragszuschlag nur in Höhe der Verzugszinsen berechnet worden.
Mit dem als Berufung bezeichneten Einspruch bekämpfte die Beschwerdeführerin diesen Bescheid insoweit, als für 1992 allgemeine Beiträge von S 826.188,40 vorgeschrieben und ein Beitragszuschlag von S 71.800,-- verhängt wurde. Die für 1991 erfolgte Beitragsvorschreibung und der dafür vorgeschriebene Beitragszuschlag blieben unbekämpft. Die Beschwerdeführerin machte geltend, daß bereits während der Beitragsprüfung mit Schreiben des Steuerberaters der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ausdrücklich bekanntgegeben worden sei, daß die Beschwerdeführerin auch über einen Gewerbeschein zur Ausübung des Handelsgewerbes verfüge.
Unrichtig sei auch, daß die betrieblichen Einrichtungen aus einer Garage bestünden. Die Schlossereiwerkstätte befinde sich tatsächlich in zwei ehemaligen Garagen. Wenn der Prüfer tatsächlich ein Interesse daran gehabt hätte, die Werkstätte zu besichtigen, hätte er das Angebot von Frau W, ihm die Werkstätte zu zeigen, annehmen können. Dabei sei auch mitgeteilt worden, daß sich die Arbeiter der Schlosserei überwiegend auf Außenbaustellen befänden. Es hätte daher die Feststellung getroffen werden können, daß die Beschwerdeführerin tatsächlich über eine Schlossereiwerkstätte verfüge.
Es entspreche nicht den Tatsachen, daß die Dienstnehmer ausschließlich zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet seien und eine Verwendung auch in der eigenen Schlosserei vertraglich nicht vereinbart sei. Eine Verpflichtung zur Erstellung von Dienstzetteln bestehe nur nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, weshalb es nicht notwendig sei, daß bei der Verwendung der Arbeitnehmer in der eigenen Schlosserei ebenfalls Dienstzettel aufliegen müßten.
Die Schlußfolgerung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, daß die ausschließlich zu Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichteten Arbeitskräfte keinem Kollektivvertrag unterlägen und, ob eine Dienstreise vorliege, gemäß § 49 Abs. 3 ASVG nach § 26 Z. 4 EStG und nicht nach dem Dienstreisebegriff des Kollektivvertrages für das Metallgewerbe zu prüfen sei, sei unzutreffend: Es liege unzweifelhaft eine mehrfache Kollektivvertragszugehörigkeit der Beschwerdeführerin als Arbeitgeber vor. Die Beschwerdeführerin führe für alle drei Gewerbebereiche einen einheitlichen Geschäftsbetrieb. Eine Aufspaltung in drei Gewerbebetriebe sei aufgrund der einheitlichen Struktur, Büro, Telefon, Betriebsausstattung, EDV, Personal usw. nicht statthaft. Es sei daher von einem Mischbetrieb auszugehen, auf den die Bestimmungen der §§ 9 und 10 ArbVG zur Anwendung kämen. Die Beschwerdeführerin habe stets das Gewerbe des Schlosserhandwerks ausgeübt (seit 1980), sodaß dieser Betrieb die wirtschaftliche Dominanz der Beschwerdeführerin darstelle. Der Gesetzgeber habe aber auch zur Lösung von allfälligen Kollisionsproblemen in der betrieblichen Praxis durch die Bestimmung des § 9 Abs. 3 ArbVG die Möglichkeit geschaffen, durch Betriebsvereinbarung entsprechende Feststellungen zu treffen. Eine solche Betriebsvereinbarung habe die Beschwerdeführerin mit dem Betriebsrat am 2. Jänner 1992 getroffen. Selbst wenn man davon ausginge, daß diese Betriebsvereinbarung eine den tatsächlichen Verhältnissen offenkundig widersprechende Feststellung über die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung treffe, sei die Betriebsvereinbarung nach § 3 ArbVG zu beurteilen. Als Sondervereinbarung im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. sei diese Sonderbetriebsvereinbarung gültig, weil sie für die Arbeitnehmer günstiger sei. Durch die Anwendung des Kollektivvertrages hätten die Dienstnehmer eine wesentliche Besserstellung erlangt, weil im Kollektivvertrag die einzelnen Rechte der Arbeitnehmer viel besser berücksichtigt und geschützt würden als wenn kein Kollektivvertrag Anwendung fände. Gerade aufgrund des Umstandes, daß es für die Beschäftigten im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung keinen fachlich anzuwendenden Kollektivvertrag gebe, müsse es als besonders positiv bewertet werden, wenn ein Betrieb seine Beschäftigten freiwillig einem Kollektivvertrag unterstelle. Die Sonderbetriebsvereinbarung vom 2. Jänner 1992 sei als gültige Vereinbarung gemäß § 3 ArbVG anzusehen und seien demnach die entsprechenden Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Metallgewerbe anzuwenden. Dies treffe auch für die Beurteilung des Dienstreisebegriffes zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. In der Begründung verwies die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens auf die im erstinstanzlichen Bescheid ausführlich dargelegten Gesetzesstellen. Fest stehe - so die belangte Behörde weiter -, daß die Beschwerdeführerin über die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Schlossereigewerbes und des Handelsgewerbes sowie über die Konzession zur Überlassung von Arbeitskräften verfüge. Zwischen der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin und deren Betriebsrat sei am 2. Jänner 1992 eine Sonderbetriebsvereinbarung getroffen worden, wonach für sämtliche Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin der Kollektivvertrag für das Metallgewerbe anzuwenden sei. Gestützt sei diese Betriebsvereinbarung auf § 10 Abs. 5 AUG und die §§ 9 und 10 ArbVG geworden. Diese Vereinbarung sei bezüglich des Dienstreisebegriffes steuer- und sozialversicherungsbeitragsrechtlich günstiger als § 26 Z. 4 EStG. Zur Feststellung, ob tatsächlich ein Mischbetrieb vorliege, seien im ergänzenden Ermittlungsverfahren fünf Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zu den Arbeiten in der Schlosserei einvernommen worden. Daß außer diesen fünf Personen noch weitere Dienstnehmer in der Schlosserei gearbeitet hätten, sei von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht worden. Der Arbeitnehmer FH habe zu Protokoll gegeben, daß er im Zeitraum Jänner bis August 1992 für die Beschwerdeführerin Tätigkeiten im Schlossereigewerbe erbracht habe. Der Zeitraum lasse sich nicht festlegen, weil für Pauschalaufträge zum Unterschied von Leasing-Aufträgen keine gesonderten Stundenaufzeichnungen geführt worden seien. Dieser Aussage habe sich auch HK allerdings für den Zeitraum Juni und Juli 1992 angeschlossen. HR habe ebenfalls für den Zeitraum Juni und Juli 1992 diese Tätigkeiten bestätigt. WH habe angegeben, solche und andere Arbeiten auch noch für eine weitere Firma verrichtet zu haben. Dies betreffe den Zeitraum März und April 1992. GB habe angegeben, Werkstättenleiter der Schlosserei zu sein. Er arbeite auch im Büro, weil er Betriebsratsobmann sei. Auch er habe die Arbeiten wie die anderen vier Dienstnehmer verrichtet; er habe diese Arbeiten eingeteilt, überwacht und überprüft sowie die Geräte, Werkzeuge und Maschinen besorgt. Die genannten fünf Dienstnehmer würden auch in der Arbeitskräfteüberlassung eingesetzt werden. Die Schlosserei befinde sich in einer Garage in S. Eine zweite Garage diene als Abstellraum und habe sich im Zeitpunkt der Erhebung (26. Juni 1993) darin ein Auto und ein Anhänger befunden. Die eigentliche Schlosserei sei ca. 50 bis 60 m2 groß, beinhalte eine Werkbank, diverse Schweißgeräte und Werkzeuge. Augrund der Größe und dieser vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten könnten höchstens zwei Personen gleichzeitig Arbeiten in dieser Schlosserei verrichten. Anläßlich der ersten unangemeldeten drei Besuche des Kassenprüfers in der Werkstätte an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Tageszeiten sei sowohl die Schlosserei als auch das angeschlossene Büro nicht geöffnet gewesen. Bei der Überprüfung Ende Juni 1993 sei Herr GB in der Werkstätte arbeitend angetroffen worden. Im Büro habe es keine Geschäftsunterlagen gegeben, die die Schlosserei betreffen. Schriftliche Aufträge jener Arbeiten, die die einvernommenen Dienstnehmer bekundet hätten, habe die Beschwerdeführerin nicht vorlegen können. Aufzeichnungen über Arbeitszeit und darüber, welche Dienstnehmer in der Schlosserei tätig seien, seien ebenfalls nicht vorhanden.
Nach den Angaben der Beschwerdeführerin habe der Umsatz im Schlossereigewerbe 1991 S 4,728.034,68, in der Arbeitskräfteüberlassung S 83,054.549,48 und S 40.720,-- im Handelsgewerbe betragen.
Für die belangte Behörde stehe damit fest, daß das Schlossereihandwerk im Prüfungszeitraum eine völlig untergeordnete Rolle gespielt habe. Die Beschwerdeführerin habe nur fünf Dienstnehmer nennen können, die neben ihrer Arbeitsleistung für Dritte auch in der Schlossereiwerkstätte tätig geworden seien. Dazu sei jedoch nicht feststellbar, wieviele dieser Arbeiten firmeneigene Arbeiten gewesen seien. Diese Dienstnehmer hätten auch während ihrer Beschäftigung in der Schlosserei die Diäten weiterbezahlt erhalten.
Alle Dienstnehmer der Beschwerdeführerin seien aufgrund der Überlassungsvereinbarung (Dienstvertrag) gesetzlich zu Arbeitsleistungen im Ausmaß der Normalarbeitszeit verpflichtet gewesen. Dies beweise, daß für firmeneigene Arbeiten in der Schlosserei kaum Zeit habe bleiben können.
Für den Nachverrechnungszeitraum könne aufgrund dieses Sachverhaltes mit Sicherheit nicht von einem Mischbetrieb im Sinne des Gesetzes gesprochen werden. Die in der Schlosserei tätig gewordenen, einvernommenen Dienstnehmer seien in die gegenständliche Nachverrechnung nicht einbezogen worden. Die Nachverrechnung betreffe Dienstnehmer, die ausschließlich zur Überlassung an Dritte verpflichtet gewesen seien. Es existiere für Arbeiter im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung noch kein fachlich anzuwendender Kollektivvertrag. Da ein Kollektivvertrag nicht vorliege, sei auch die Rechtsgrundlage für die Sonderbetriebsvereinbarung vom 2. Jänner 1992 nicht gegeben. Unabhängig von einer möglichen Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung gegenüber den überlassenen Arbeitern, könne sie jedoch nicht anstelle des Dienstreisebegriffes des § 26 Z. 4 EStG Platz greifen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete ebenfalls eine Gegenschrift (ohne Kostenanspruch), in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die beschwerdeführende Partei gab dazu eine Stellungnahme
ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hält ihre im Verwaltungsverfahren vorgetragene Behauptung aufrecht, daß ein Mischbetrieb vorliege, in dem dem Schlossereihandwerk die wirtschaftliche Dominanz zukomme.
Von einem Mischbetrieb im Sinne der §§ 9, 10 ArbVG ist dann zu sprechen, wenn zwar eine fachliche Abgrenzbarkeit zwischen dem Haupt- und Nebenbetrieb oder zwei Betriebsabteilungen, nicht jedoch eine in organisatorischer Hinsicht gegeben ist. Tatsachenfeststellungen, die auf zwei Betriebe oder organisatorisch abgrenzbare Betriebsabteilungen der Beschwerdeführerin schließen ließen, können dem angefochtenen Bescheid nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden. Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Bescheides kann (noch) nicht die Aussage getroffen werden, "es sei mit Sicherheit nicht von einem Mischbetrieb" auszugehen. Dieser Mangel führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde ging nämlich auch davon aus, daß die für die anderen Fachbereiche (Schlosserei und Handel) geltenden Kollektivverträge auf die ausschließlich zur Überlassung an Dritte verpflichteten Dienstnehmer nicht anzwenden sind. Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin im Rahmen des Schlosserei- und Handelsgewerbe und der Überlassung von Arbeitskräften tätig ist und daß für den letztgenannten Fachbereich kein Kollektivvertrag für Arbeiter besteht. Bei angenommener fachlicher und organisatorischer Abgrenzbarkeit der Betriebsabteilungen der Beschwerdeführerin ist es richtig, daß die Anwendung des Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe für die ausschließlich zur Überlassung an Dritte verpflichteten Dienstnehmer nicht in Frage kommt. Bei Fehlen der organisatorischen Abgrenzbarkeit liegt aber ein Mischbetrieb im obigen Sinne vor. Bestünde in diesem Fall für jeden fachlichen Bereich ein fachlicher und örtlicher Kollektivvertrag, wäre nach der Kollisionsregel des § 9 Abs. 3 ArbVG vorzugehen. Für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften (Fachgruppe des allgemeinen Gewerbes) besteht unbestrittenermaßen kein Kollektivvertrag für Arbeiter. Eine unmittelbare Anwendung des § 9 Abs. 3 ArbVG scheidet aus, weil diese Bestimmung in Verbindung mit § 8 ArbVG voraussetzt, daß für jeden Fachbereich zumindest ein konkret anwendbarer Kollektivvertrag vorliegt. Aber auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung scheidet aus. Dies aus folgenden Gründen:
Nähme man eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung (vgl. dazu Strasser in Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, 82 f) des Fachbereiches Schlosserei an, ergäbe sich die Anwendbarkeit des Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallerzeugenden und verarbeitenden Gewerbe für alle Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin. Dies hätte im Ergebnis zur Folge, daß den Kollektivvertragspartnern - hier nur für eine Minderheit von Arbeitnehmern zuständig - eine Rechtsetzungsbefugnis in einem Bereich eingeräumt wird, in dem ansonsten keine Zuständigkeit dieser Tarifpartner besteht. Die Annahme einer maßgebenden wirtschaftlichen Bedeutung des Fachbereiches Arbeitskräfteüberlassung hätte zur Folge, daß sich die dem Fachbereich Schlosserei zuzurechnenden Arbeitnehmer auf gar keinen Kollektivvertrag berufen könnten, weil der für sie zutreffende gemäß § 9 Abs. 3 ArbVG auf sie nicht mehr anwendbar wäre. Dies würde dem dem kollektiven Arbeitsrecht zugrundeliegenden sozialen Schutzprinzip widersprechen (vgl. dazu Floretta-Strasser, a.a.O., 87). Überdies würde die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages auch innerhalb seines fachlichen, persönlichen und örtlichen Geltungsbereiches beseitigt werden können. § 9 Abs. 3 ArbVG ist daher - sollen nicht die gesamten Gesetzeszwecke ins Gegenteil verkehrt werden - nicht analog anwendbar. Dies bewirkt, daß für den Fachbereich Arbeitskräfteüberlassung insgesamt ein kollektivvertragsfreier Raum besteht und daher die Anwendung des Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe für die zur Überlassung an Dritte verpflichteten Arbeitnehmer nicht in Betracht kommt. Der unter Bezugnahme auf diesen Kollektivvertrag geschlossenen Betriebsvereinbarung mangelt daher die Rechtsgrundlage.
Da somit für den Betrieb der Beschwerdeführerin die Tarifeinheit nicht zu verwirklichen ist, ist gemäß § 10 ArbVG zu prüfen, ob für das einzelne Arbeitsverhältnis (das sich auf organisatorisch abgrenzbare Betriebsabteilungen erstreckt, für die die Tarifvielfalt gilt) die Tarifeinheit gewahrt werden kann. Aber auch § 10 ArbVG regelt seinem Wortlaut nach nur den Fall, daß in beiden Betrieben (Betriebsabteilungen) unterschiedliche Kollektivverträge gelten. Der Fall - wie im vorliegenden Beschwerdefall -, daß für einen Bereich kein Kollektivvertrag in Geltung steht, ist nicht geregelt.
Die Beschwerdeführerin führt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dazu aus, die belangte Behörde gehe lediglich davon aus, daß Einsätze im Schlossereibereich lediglich durch die einvernommenen fünf Dienstnehmer erweislich seien. Tatsächlich sei mit sämtlichen Arbeitnehmern auch im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung vereinbart worden, daß im Falle dienstlicher Notwendigkeit diese Arbeitnehmer auch im Handwerksbetrieb der Beschwerdeführerin arbeiten müßten und hätten solche Einsätze auch tatsächlich stattgefunden. Die belangte Behörde habe es aber vollständig unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob und in welchem Umfang Mischverwendung vereinbart worden sei und stattgefunden habe.
Dieses Vorbringen kann - selbst bei analoger Anwendung des § 10 ArbVG - die Beschwerde nicht zum Erfolg führen: § 10 ArbVG stellt primär darauf ab, in welchem Fachbereich der Arbeitnehmer überwiegend beschäftigt wird. Mit "beschäftigt" kann nur ein Einsatz des Arbeitnehmers gemeint sein, der so geartet ist, daß er die Geltung eines Kollektivvertrages auslösen würde, das heißt, daß das Arbeitsverhältnis in diesen mehreren Fachbereichen in einer Art bestehen muß, die den Regeln des § 1 ArbVG entspricht. Eine bloß vorübergehende Abordnung löst aber die Geltung eines diesem Fachbereich entsprechenden Kollektivvertrages nicht aus (vgl. dazu Strasser in Floretta-Strasser, Kommentar zum ArbVG, 84). Mit der Behauptung, es bestünde eine Vereinbarung, wonach auch die Arbeitnehmer aus dem Bereich der Arbeitskräfteüberlassung im Falle dienstlicher Notwendigkeit im Handwerksbereich hätten arbeiten müssen und daß solche Einsätze auch tatsächlich stattgefunden hätten, kann die Beschwerdeführerin keine relevante Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzeigen.
Wenn mit der Überlassungsvereinbarung (Dienstzettel) zwischen der Beschwerdeführerin und den zur Überlassung an Dritte verpflichteten Arbeitnehmern die Regelung des Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe in den Arbeitsvertrag aufgenommen wurde, stellt sie lediglich eine einzelarbeitsvertragliche Norm dar. Der Geltungsgrund dieser so übernommenen Bestimmung liegt somit im Einzelarbeitsvertrag und nicht auf kollektivvertraglicher Ebene. Die Beitragspflicht der von der Beschwerdeführerin geleisteten Tages- und Nächtigungsgelder richtet sich somit ausschließlich nach § 26 EStG in Verbindung mit § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG.
Gegen die Berechnung der Beiträge sowie die Verrechnung des Beitragszuschlages bringt die Beschwerde nichts vor.
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993080289.X00Im RIS seit
20.11.2000