Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der B in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Jänner 1993, Zl. 315.376/1-III/3/93, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Dr. S in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. November 1977 wurde dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Cafes in I "mit Sperrstunde 24.00 Uhr" erteilt.
Mit Ansuchen vom 29. Mai 1990 beantragte die Beschwerdeführerin "die Änderung dieser Genehmigung dahingehend, daß als Sperrstunde nunmehr 01.00 Uhr festgesetzt werden soll. Änderungen baulicher Art sowie hinsichtlich der Betriebsführung erfolgen in keiner Weise."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20. November 1991 wurde im Grunde des § 81 i.V.m.
§ 359 Abs. 1 GewO 1973 und unter Anwendung des § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die beantragte Genehmigung (Erweiterung der Sperrzeit von 24.00 Uhr auf 01.00 Uhr) unter Auflagen erteilt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. Februar 1992 wurden die dagegen erhobenen Berufungen mehrerer Anrainer, u.a. der mitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde über Berufung der mitbeteiligten Partei folgender Spruch gefaßt:
"Der angefochtene Bescheid sowie Spruchteil II des diesem zugrundeliegenden Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.11.1991, Zl. VI-6059/1990, werden behoben.
In Abänderung des Spruchteiles I des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.11.1991, Zl. VI-6059/1990, wird der B gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 AnschG 1972 die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung ihrer im Standort I gelegenen gastgewerblichen Betriebsanlage durch
a)
Einbau eines Lautstärkenbegrenzers in die in der Betriebsanlage befindliche Musikanlage und Einstellung dieses Lautstärkenbegrenzers auf einen Maximalwert von 70 dB A (Leq)
b) Montage der Musikboxen auf Schwingungsdämpfern
c)
Einrichtung einer Schallschleuse beim Ausgang der Betriebsanlage, dergestalt, daß - mittels eines elektrischen Türöffners - von den vorhandenen hintereinander angeordneten zwei Ausgangstüren stets nur eine geöffnet werden kann
unter Einhaltung der in diesem - oben erwähnten - Spruchteil unter den Punkten 1 bis 8, 11 bis 12 und 14 bis 17 vorgeschriebenen Auflagen erteilt.
Insoweit mit dem dem Verfahren zugrundeliegenden Ansuchen der B vom 29.5.1990 eine Änderung des Endes der täglichen Betriebszeit von 24.00 Uhr auf 1.00 Uhr beantragt wurde, wird dieses Ansuchen im Grunde des § 77 Abs. 2 GewO 1973 abgewiesen."
Zur Begründung führte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten aus, auf Grund der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei sei zur Klärung des Sachverhaltes am 16. und 17. September 1992 eine mündliche Augenscheinsverhandlung durchgeführt worden. Im Zuge dieser Verhandlung habe die Beschwerdeführerin ihr dem Verfahren zugrundeliegendes Ansuchen um die nunmehr im Spruch dieses Bescheides sub. lit. a - c ersichtlichen Teile erweitert. Diese Änderungen stellten sich als reine Schutzmaßnahmen dar, welche für sich alleine betrachtet - da die im § 74 Abs. 2 GewO 1973 umschriebenen Interessen nicht berührt würden - keiner Genehmigung bedurft hätten. Der unter lit. c des Bescheidspruches angeführte Teil des Ansuchens solle verhindern, daß während des Betretens bzw. Verlassens der Betriebsanlage durch Gäste Lärm aus dem Inneren der Betriebsanlage durch die geöffneten Eingangstüren nach außen dringe. Auch dieser Teil sei daher insoweit als Schallschutzmaßnahme anzusehen. Auf Grund des Umstandes jedoch, daß der zwischen den beiden Eingangstüren verbleibende Raum lediglich kleinere Gästegruppen (zwei bis drei Personen) umfasse, sei es bei dem Betreten der Betriebsanlage durch eine größere Gästegruppe auch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin selbst möglich, daß Gäste vor der äußeren Türe - somit auch auf den der Betriebsanlage noch zuzurechnenden Eingangsstufen - den Einlaß erwarteten; diesbezüglich seien daher Lärmimmissionen möglich und sohin eine Genehmigungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 erforderlich. Gleiches treffe für die begehrte Verlegung des täglichen Endes der Betriebszeit um eine Stunde weiter in den Nachtzeitraum hinein zu. Es entspreche nun bereits der Erfahrung des täglichen Lebens, daß sich Gäste beim Verlassen der Betriebsanlage - mit oder ohne Errichtung einer Schallschleuse - auch auf den Eingangsstufen in nicht strafbarer Weise angeregt unterhalten, etwa auch, um sich zu verabschieden oder um die Wartezeit auf ein Kfz zu überbrücken. Die während der Verhandlung durchgeführten simulierten Störgeräusche seien durchaus wirklichkeitsnah. Der medizinische Amtssachverständige habe nun, fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen, ausgeführt, daß diese festgestellten Störgeräusche, auf Grund der nach 24.00 Uhr rasch und in signifikanter Weise abnehmenden Verkehrsdichte, dann aus den Umgebungsgeräuschen in deutlicher Weise hervortreten und daher dann wegen ihrer Diskontinuität eine Störung der Nachtruhe herbeiführen könnten. Eine Störung der Nachtruhe erachte die belangte Behörde jedoch jedenfalls als nicht im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973 zumutbar. Da naturgemäß zur Vermeidung der gegenständlichen Störgeräusche technische Maßnahmen nicht denkbar seien, sei dem gegenständlichen Ansuchen, insoweit es die Verlegung des täglichen Endes der Betriebszeit von 24.00 Uhr bis 01.00 Uhr zum Gegenstand habe, die Genehmigung spruchgemäß zu versagen gewesen. Die unter Spruchteil I des erstinstanzlichen Bescheides vorgeschriebenen Auflagen seien von der Beschwerdeführerin nicht bekämpft und daher nur in dem Umfang behoben worden, als deren Regelungsinhalt nunmehr einen Bestandteil bereits des Ansuchens bilde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Genehmigung der Änderung des Endes der täglichen Betriebszeit ihrer gastgewerblichen Betriebsanlage von 24.00 Uhr bis 01.00 Uhr verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin vor, die Stufen zur Betriebsanlage dienten ausschließlich dazu, von der Straße in die Betriebsanlage bzw. umgekehrt von dieser auf die Straße zu gelangen. Ein Verweilen auf diesen Stufen zum Singen, Grölen oder zu Diskussionszwecken in der festgestellten Form stelle keinesfalls eine der Art des Betriebes gemäße Inanspruchnahme der Anlage dar. Da die Stufe direkt zur Straße führe, sei diese insofern dem Dispositionsbereich der Beschwerdeführerin entzogen. Es sei durchaus möglich, daß sich Passanten, die weder aus der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin kämen noch einen Besuch derselben beabsichtigten, auf diesen Stufen niederließen. Die belangte Behörde habe sich in Widerspruch zur Gewerberechtsnovelle 1988 insofern gesetzt, als sie ihre Entscheidung mit einer zu besorgenden Störung der Nachtruhe der Nachbarn begründet habe, welche jedoch eine - im Betriebsanlagenverfahren nicht zu berücksichtigende - ungebührliche Lärmerregung im Sinne des § 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz darstelle. Die eingeholten Gutachten hätten sich auch nicht mit der Frage möglicher Auflagen zur Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit der von der Beschwerdeführerin beantragten Änderung ihrer Betriebsanlage auseinandergesetzt. Worauf die belangte Behörde ihre Ansicht stütze, daß störgeräuschmindernde Maßnahmen naturgemäß nicht denkbar seien, sei nicht nachvollziehbar. Die Schallpegelmessungen könnten von der Beschwerdeführerin deshalb nicht überprüft werden, da die Beilage A, welche die Meßgeräte beschreiben soll, dem Bescheid nicht beigefügt sei. Bei den durchgeführten Messungen seien die Auswirkungen auf Grund der Windeinflüsse weder gemessen noch angegeben worden. Die Messung 1 habe lediglich zehn Minuten gedauert. Bezugszeit für die Nacht sei jedoch die ungünstigste halbe Stunde, weshalb diese Messung nicht für die Feststellungen verwertet werden könne. Die Lärmsimulation auf den Stufen vor der Betriebsanlage entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, da - wie angenommen - sechs Personen für das Verlassen der Betriebsanlage über die Eingangsstufen keine neun Minuten benötigten und auch nicht in einer Lautstärke bis zu 64 dB singen und schreien. Eine Verabschiedung von Personen erfolge für gewöhnlich nicht bevor sich ihre Wege trennten. Die belangte Behörde habe es unterlassen, dem gewerbetechnischen Amtssachverständigen aufzutragen, Erhebungen dahingehend zu pflegen, durch welche Auflagen es möglich wäre, die Genehmigungsfähigkeit der von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Betriebsanlagenänderung herbeizuführen. Aus diesen Gründen sei das Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen in wesentlichen Punkten mangelhaft geblieben und nicht geeignet, zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes herangezogen zu werden. Damit sei auch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen ebenfalls untauglich, zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes beizutragen. Letzteres Gutachten sei überdies unvollständig, da es sich mit dem im Zuge des Verfahrens erster Instanz erstellten Gutachten des Amtsarztes nicht auseinandergesetzt habe.
Gemäß § 81 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der §§ 74 und 77 leg. cit. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Diese die Unabänderlichkeit einer entschiedenen Verwaltungssache von den gesetzlich normierten - hier nicht weiter beachtlichen - Durchbrechungen abgesehen, anordnende Gesetzesbestimmung verhindert eine neuerliche Entscheidung in einer identen Sache.
§ 81 GewO 1973 enthält nun keine gesetzliche Ermächtigung, nachträglich die Abstandnahme von der Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes oder von für den Betrieb erteilten Auflagen zu bewilligen. Diese Gesetzesstelle ermächtigt somit nicht, die erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen, sondern lediglich die bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache - nämlich die nach § 81 GewO 1973 genehmigungspflichtige "Änderung" - einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1991, Zl. 88/04/0029, und vom 24. Jänner 1995, Zl. 93/04/0171).
Die in einem früheren Genehmigungsbescheid auf Grund der dem Bescheid als Grundlage dienenden Betriebsbeschreibung festgesetzte Betriebszeit kann somit nicht mit einem allein auf Beseitigung oder Änderung derselben gestützten Antrag nach § 81 GewO 1973 erfolgreich beseitigt oder abgeändert werden. Eine festgesetzte Betriebszeit einer Gastgewerbebetriebsanlage der hier zu beurteilenden Art kann nur dann im Rahmen eines Verfahrens nach § 81 GewO 1973 erfolgreich abgeändert werden, wenn damit u.a. eine Änderung des Umfanges und der Betriebsweise der Anlage mit einem diesbezüglichen Antrag angestrebt wird, durch die eine Änderung des vorhandenen Emissionsausmaßes bewirkt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 93/04/0171).
Da die Beschwerdeführerin mit ihrem Ansuchen vom 29. Mai 1990 ausschließlich eine Änderung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Betriebszeitbeschränkung ohne einen damit verbundenen Änderungsantrag gemäß § 81 GewO 1973 im oben aufgezeigten Sinn beantragt hat, vermag sie im Rahmen des Beschwerdepunktes eine ihre subjektiven-öffentlichen Rechte als Betriebsanlageninhaberin berührende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Änderungsbewilligungen sind vom Abänderungsantrag der Beschwerdeführerin vom 29. Mai 1990 nicht umfaßt und betreffen weder eine Änderung des Umfanges noch der Betriebsweise der Anlage.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Veordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993040104.X00Im RIS seit
20.11.2000