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L92104 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Oberösterreich;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des mj. C L, vertreten durch die Kindeseltern S und A L, beide in B, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. März 1994, Zl. SH-420488/4-1994/Dr. Kö/Scd, betreffend Hilfe durch Übernahme von Fahrtkosten nach dem Oberösterreichischen Behindertengesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Oktober 1993 sprach die Bezirkshauptmannschaft Perg gemäß § 48 Abs. 5 in Verbindung mit den §§ 6, 9, 18 und 42 des Oberösterreichischen Behindertengesetzes 1991 (O.ö. BhG 1991), LGBl. Nr. 113/1991, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 64/1993, aus, daß erstens dem Antrag vom 16. Juli 1993 auf Hilfe zur Frühförderung, Erziehung und Schulbildung des am 6. Juli 1988 geborenen C L stattgegeben und seiner Gruppenintegration im Verein Spielwerkstatt Unteres Mühlviertel in P für das Kindergartenjahr 1993/1994 zugestimmt werde, und daß zweitens für die Gruppenintegration zu den Kosten für eine Fachkraft aus Mitteln der Behindertenhilfe des Landes Oberösterreich maximal S 170.000,-- pro Jahr übernommen würden.
Mit einem weiteren Bescheid vom 20. Dezember 1993 sprach die genannte Bezirkshauptmannschaft über den Antrag auf Ersatz der Reisekosten in den Kindergarten "Verein Spielwerkstatt Unteres Mühlviertel" gemäß den §§ 40, 42 Abs. 9 O.ö. BhG 1991 aus, daß der A L (der ehelichen Mutter des mj. Behinderten) der Ersatz der unvermeidlichen Reisekosten im Zusammenhang mit der Hilfe durch die Unterbringung des Kindes im genannten Verein in P durch Bezahlung der Benzinkosten für den eigenen PKW, und zwar pro Unterbringungstag S 35,--, gewährt werde. Begründend wurde ausgeführt, daß nach dem Erlaß des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. September 1992, Zl. SH-56/1889 bis 1992/De/Schm, eine Vergütung der Reisekosten durch Benzingeld, und zwar 7,5 l Benzin auf 100 km, mit einem derzeitigen Benzinpreis von S 9,70 möglich sei. Die zurückgelegte Wegstrecke von B nach P betrage hin und zurück 24 km. Diese Strecke sei zweimal zurückzulegen, also insgesamt 48 km. Daher errechne sich eine Benzinentschädigung pro Unterbringungstag von S 35,--.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte A L ein, sie habe aufgrund einer Aussprache und einer mündlichen Zusage seitens der erstinstanzlichen Behörde, die Reisekosten für den Behindertentransport zu übernehmen, eigens einen Kleinwagen angekauft. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei ihr jedoch für den Ersatz der Reisekosten nur S 35,-- pro Unterbringungstag gewährt worden. Das seien S 0,70 pro Kilometer. Dieser Betrag decke bei weitem nicht die ihr unvermeidlich entstehenden Fahrtkosten laut der beigelegten Kostenaufstellung ab. Danach betrügen die aus Fixkosten und Betriebskosten zusammengesetzten Fahrtkosten S 3,15 pro Kilometer. Sie verweise auf das derzeit geltende amtliche Kilometergeld von S 4,30 plus 0,51 pro mitbeförderter Person. Deshalb beantrage sie, der Berufung stattzugeben und "einen neuen Bescheid aufgrund der unvermeidlichen Fahrtkosten zu erlassen".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 40 Abs. 2 O.ö. BhG 1991 keine Folge. Begründend wird ausgeführt, daß im vorliegenden Fall die Fahrten vom Elternhaus zur in Frage stehenden Einrichtung von der Mutter des Behinderten mit einem Privat-PKW durchgeführt würden. Gemäß § 40 Abs. 2 O.ö. BhG 1991 gebühre einem behinderten Meschen der Ersatz der unvermeidlichen Fahrtkosten, die ihm im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe (§ 6), ausgenommen der geschützten Arbeit, erwüchsen. Das Ausmaß des Fahrtkostenersatzes in Verbindung mit der Benützung eines Privat-PKW"s sei vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung im Einvernehmen mit dem damals zuständigen Sozialreferenten durch Erlaß mit dem Ersatz der Benzinkosten festgesetzt worden. Unter Bedachtnahme auf diese Regelung könnten die Ausführungen in der Berufung keine Berücksichtigung finden. Auf den Bezug der Familienbeihilfe zuzüglich des Zuschlages für den Behinderten werde hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 O.ö. BhG 1991 kommen als Hilfen für einen behinderten Meschen unter anderem in Betracht: Nach Z. 1 Eingliederungshilfe (§§ 5 ff), zu der nach § 6 Z. 3 die Hilfe zur Frühförderung, Erziehung und Schulbildung (§ 9) zählt, und nach Z. 5 die Hilfe durch Übernahme von Fahrt- und Beförderungskosten (§ 40).
Die zuletzt genannte Bestimmung lautet:
"(1) Einem behinderten Menschen bzw. einer Person, deren Anspruchsberechtigung Gegenstand eines Verfahrens nach diesem Landesgesetz ist, gebührt der Ersatz der unvermeidlichen Fahrtkosten, die dadurch erwachsen, daß einer in Vollziehung dieses Landesgesetzes ergangenen amtlichen Aufforderung Folge geleistet wird.
(2) Ebenso gebührt einem behinderten Menschen der Ersatz der unvermeidlichen Fahrtkosten, die ihm im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe (§ 6), ausgenommen der geschützten Arbeit, erwachsen.
(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für eine Begleitperson, deren Hilfe zur Fortbewegung außerhalb der Wohnung notwendig ist.
(4) Auf die Übernahme von Fahrt- und Beförderungskosten besteht ein Rechtsanspruch."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 1. Juni 1978, Zl. 1284/77, Slg. Nr. 9576/A, und Zl. 2111/77, sowie vom 6. Juli 1979, Zl. 1137/78, zur im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 24 NÖ SHG in der Fassung vor der Novelle 9200-5, LGBl. Nr. 50/1985, ausgesprochen, daß in jenen Fällen, in denen der Behinderte einen Personenkraftwagen benützen muß, der im Eigentum eines Angehörigen steht, zwar die unmittelbare Anwendung der den Bundesbediensteten gewährten Kilometergeldsätze mangels einer entsprechenden Anordnung im NÖ SHG nicht möglich ist, diese Sätze gleichwohl wegen des für sie erhobenen Anspruches, die Entschädigung für den durchschnittlichen Aufwand zu sein, als Orientierungshilfe herangezogen werden können. Rechtswidrig sei es jedenfalls, als Fahrtkosten nur den auf das verbrauchte Benzin entfallenden Betrag anzusehen und deswegen nicht mit dem gesetzlichen Vertreter des Behinderten zu erörtern bzw. zu klären, warum die anteiligen übrigen Betriebs-, Wartungs- und Pflegekosten sowie die anteiligen Anschaffungskosten nicht zu den unvermeidlichen Fahrtkosten beitragen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (der insofern an den von der belangten Behörde zitierten, nicht in einem gesetzlich vorgesehenen Veröffentlichungsorgan kundgemachten Erlaß nicht gebunden ist: vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 7. Juli 1987, Zl. 87/12/0089, und vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0188) ist auch § 40 Abs. 2 O.ö. BhG 1991 in diesem Sinne auszulegen und entspricht daher die Auffassung der belangten Behörde, es sei "das Ausmaß des Fahrtkostenersatzes in Verbindung mit der" (unvermeidlichen) "Benützung eines Privat-PKW s ... mit dem Ersatz der Benzinkosten" festzusetzen, nicht dem Gesetz.
Da sich die belangte Behörde, ausgehend von ihrer rechtsirrigen Auffassung, nicht mit den Behauptungen der Mutter des Beschwerdeführers über die ihr im Zusammenhang mit der dem Beschwerdeführer gewährten Eingliederungshilfe und damit im Sinne des § 40 Abs. 2 O.ö. BhG 1991 dem Beschwerdeführer selbst erwachsenen unvermeidlichen Fahrtkosten auseinandergesetzt und entsprechende Feststellungen getroffen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers selbst (vgl. dazu das Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/11/0034) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080101.X00Im RIS seit
20.11.2000