TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/26 94/08/0124

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.1995
beobachten
merken

Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des IZ in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. März 1994, Zl. MA 12 - 15675/94, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der (als Konventionsflüchtling anerkannte) Beschwerdeführer, der seit Jahren Sozialhilfeleistungen bezog, beantragte am 29. November 1993 mit dem Formular "Grundantrag auf Gewährung von Geldaushilfen" die Zuerkennung einer Dauerleistung ab 1. Dezember 1993. Darin gab er unter anderem an, kein Einkommen und Vermögen zu haben. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 15. Dezember 1993 bewilligte daraufhin der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialreferat für den 20. Bezirk (erstinstanzliche Behörde) dem Beschwerdeführer eine Geldaushilfe von S 6.755,-- als Vorschuß. Nach einem Aktenvermerk vom 17. Jänner 1994 wurden der erstinstanzlichen Behörde durch anonymen Anruf bekannt, daß der Beschwerdeführer Gesellschafter mit 25% Beteiligung an der H. GmbH in W sei. Nach Auskunft einer Bediensteten des Gewerberegisters handle es sich hiebei um einen Gastgewerbebetrieb (Kaffeerestaurant); Geschäftsinhaber sei M. H. In der daraufhin vor der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten niederschriftlichen Vernehmung vom 18. Jänner 1994 gab der Beschwerdeführer bekannt, daß er keine Beteiligung an der H. GmbH besitze oder besessen habe. Er sei auch an keiner anderen Kapitalgesellschaft oder Firma beteiligt. Vor ca. zehn Jahren habe er bei einem Notar oder Rechtsanwalt wegen Aufenthaltsproblemen seines Sohnes etwas unterschrieben, dessen Inhalt ihm nicht bekannt sei. Ob es sich dabei um einen Gesellschaftsvertrag gehandelt habe, könne er nicht sagen. Nach dem im Akt erliegenden Notariatsakt vom 1. Juni 1990 schlossen M. H. im eigenen Namen und im Vollmachtsnamen einer näher angeführten Frau sowie B. Z. im eigenen Namen und im Namen des Beschwerdeführers, diesfalls ausgewiesen durch eine Vollmacht vom 31. Mai 1990, einen Gesellschaftsvertrag, mit dem sie die genannte H. GmbH errichteten; danach übernehme jeder der vier Gesellschafter eine Einlage von S 125.000,--, auf die eine bare Einzahlung S 62.500,-- geleistet werde. Nach der im Akt erliegenden, mit 31. Mai 1990, datierten und mit der beglaubigten Unterschrift des Beschwerdeführers versehenen Vollmacht bevollmächtigte dieser den B. Z. unter anderem dazu, in seinem Namen und mit Rechtswirksamkeit für ihn einen notariellen Gesellschaftsvertrag über die H. GmbH mit einem angeführten Betriebsgegenstand und Stammkapital zu errichten, Änderungen des Gesellschaftsvertrages zu vereinbaren und in seinem Namen und mit Rechtswirksamkeit für ihn nach seinem Ermessen allenfalls erforderliche Treuhandverträge über den vollmachtsgegenständlichen Geschäftsanteil in notarieller Form zu errichten und zu unterfertigen, erklärte sich damit einverstanden, daß der Bevollmächtigte an den gegenständlichen Rechtsgeschäften auch selbst beteiligt sei, und genehmigte ausdrücklich das Selbstkontrahieren des Bevollmächtigten. Geschäftsführer an der genannten H. GmbH war nach dem im Akt erliegenden Auszug aus dem Firmenbuch zunächst die näher genannte Frau und sodann ab 6. Oktober 1992 M. H.

Mit Bescheid vom 31. Jänner 1994 lehnte die erstinstanzliche Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. November 1993 auf wiederkehrende Geldleistungen mit Zuschlag (Dauerleistung) ab 1. Dezember 1993 ab und verpflichtete ihn zur Rückerstattung der bereits geleisteten Vorschußzahlung von S 6.755,--. Begründet wurde der Bescheid nach Zitierung des § 10 Abs. 1 WSHG damit, daß der Beschwerdeführer aufgrund des obgenannten Notariatsaktes Gesellschafter der H. GmbH sei, an der er eine Stammeinlage von S 125.000,-- übernommen habe.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, es liege dem bekämpften Bescheid ein durch mangelhafte Sachverhaltsfeststellungen entstandener Rechtsirrtum zugrunde. Er habe "die ganze Angelegenheit um die Ges.m.b.H. und meine Rolle als Gesellschafter in dieser Gesellschaft ... im Laufe des Verfahrens zum ersten Mal gehört und erfahren". Er habe nun Erhebungen und Erkundigungen darüber eingeholt. Daraus habe sich folgendes ergeben: Sein Sohn und Herr M. H. hätten eines Tages zum Beschwerdeführer gesagt, daß sein Sohn kein Visum bekäme und von Österreich ausgewiesen würde, wenn nicht bewiesen sei, daß der Beschwerdeführer in Wien lebe. Sein Sohn, der nach seinen Aussagen damals Student gewesen sei, habe den Beschwerdeführer gebeten, mit Herrn M. H. zu einem Notar zu gehen, um etwas zu unterschreiben, das seinen Wohnsitz in Wien bestätige, und seinen Paß herzuzeigen. Der Notar habe auch vom Paß des Beschwerdeführers eine Fotokopie gemacht und dieser habe einige Formulare unterschrieben. Sein Sohn habe ihm den Inhalt so übersetzt, wie er ihm auch zuvor angedeutet gehabt habe. Von einer Ges.m.b.H. und einer Einlage von S 62.500,-- in bar habe er nichts gewußt. Woher hätte er auch diese große Summe Geldes nehmen sollen? Er könne nicht deutsch und könne auch keinen Text lesen. Er habe seinem Sohn, der in der Zwischenzeit mit viel Geld in den Iran zurückgekehrt sei, vertraut. Nun habe er den Steuerberater der H. GmbH ausfindig machen können und von ihm eine Erklärung und eine Kopie der Körperschaftssteuererklärung für 1992 bekommen. Darin sei er als Treuhänder für seinen Sohn B. Z. ausgewiesen. Er möchte nochmals darauf hinweisen, daß er niemals die Geldmittel zum Erwerb einer Stammeinlage zur Verfügung gehabt habe. Zur Zeit habe er überhaupt kein Geld und wisse nicht, wovon er sich ernähren solle. In der angeschlossenen Erklärung der Steuerberatungsgesellschaft der H. GmbH vom 8. Februar 1994 wird auf die Kopie der Körperschaftssteuererklärung für 1992 verwiesen, in der die Steuerberatungsgesellschaft den Beschwerdeführer als Treuhänder für B. Z. ausgewiesen habe. In der genannten Körperschaftssteuererklärung sind als Gesellschafter der H. GmbH angeführt: M. H., B. Z., der Beschwerdeführer als Treuhänder für B. Z. und die im Gesellschaftsvertrag genannte Frau.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den bekämpften Bescheid. Zur Begründung wird ausgeführt, daß der Verweis des Beschwerdeführers darauf, daß er in einer Steuererklärung für 1992 als Treuhänder seines Sohnes B. Z. ausgewiesen sei, kein Widerspruch zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens und auch mit der Behauptung, daß sein Sohn inzwischen mit viel Geld in den Iran zurückgekehrt sei, vereinbar sei. Daraus ergebe sich aber auch, daß der Beschwerdeführer nicht nur über Einkünfte aus seinem Anteil am Gewerbebetrieb verfüge, sondern es sei auch davon auszugehen, daß er für die treuhändische Verwaltung des Geschäftsanteiles seines Sohnes finanzielle Vorteile lukriere. Sein Vorbringen, er habe den Inhalt der beim Notar vorgenommenen Handlungen fehlinterpretiert und habe diesen deshalb aufgesucht, "um etwas zu unterschreiben", das seinen Wohnsitz in Wien bestätige, um die Ausweisung seines Sohnes zu vermeiden, sei im Hinblick auf den im bisherigen Lebenslauf des Beschwerdeführers erkennbaren intellektuellen Horizont lebensfern und unglaubwürdig. Zunächst habe der Beschwerdeführer zum fraglichen Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren als anerkannter Flüchtling in Österreich gelebt und sei ihm schon allein deshalb die Kenntnis gewisser Elementartatsachen des österreichischen Rechtslebens zuzumuten. Überdies sei er aber auch, wie er selbst in seinem Antrag vom 29. November 1993 vorgebracht habe, über Jahrzehnte hindurch Eigentümer einer Handelsfirma, Eigentümer eines Teppichgeschäftes in Wien sowie Eigentümer und Herausgeber einer Zeitung und Journalist im Iran gewesen. Deshalb müsse seine Behauptung, ihm sei die Rechtsnatur seiner Handlungen nicht bekannt gewesen, als nahezu undenkbar verworfen werden. Es sei daher davon auszugehen, daß er sich seiner Ansprüche aus den Einkünften des Gewerbebetriebes bewußt gewesen sei und diese auch wahrgenommen habe bzw. weiter wahrnehme. Die Verpflichtung zur Rückerstattung der geleisteten Vorschußzahlung gründe sich auf § 26 Abs. 1 WSHG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer unter anderem den Lebensbedarf für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen und Einrichtungen erhält. Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern. Nach § 26 Abs. 1 leg. cit. ist der Empfänger der Hilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt - sachverhaltsbezogen - davon ab, ob die belangte Behörde mängelfrei und ohne Rechtsirrtum angenommen hat, daß der Beschwerdeführer - nach der Sach- und Rechslage im Zeitraum ab 29. November 1993 (vgl. dazu unter anderem die ebenfalls zum WHSG ergangenen Erkenntnisse vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0036, und vom 25. Oktober 1994, Zl. 94/08/0077) - über ein Einkommen und/oder ein verwertbares Vermögen verfügte, aus dem er seinen Lebensbedarf für sich beschaffen konnte.

Diesbezüglich erachtet die Beschwerde mit Recht den (aus dem Ermittlungsverfahren) gezogenen Schluß der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht nur "über Einkünfte aus seinem Anteil am Gewerbebetrieb verfügt" habe, sondern auch davon auszugehen sei, daß er "für die treuhändische Verwaltung des Geschäftsanteiles seines Sohnes finanzielle Vorteile lukriert" habe, als aktenwidrig. Denn diesem Schluß liegt, wie in der Gegenschrift eindeutig bestätigt wird, die Annahme der belangten Behörde zugrunde, der Beschwerdeführer sei nicht nur "tatsächlich zu 25% Gesellschafter" der H. GmbH, sondern "auch Treuhänder seines Sohnes" gewesen, weil auch dieser Gesellschafter der H. GmbH sei. (Dies erklärt auch, warum die belangte Behörde im Verweis des Beschwerdeführers auf die Steuererklärung für 1992 keinen Widerspruch erblickt.) Bei dieser Annahme übersieht aber die belangte Behörde, daß - geht man von der genannten Steuererklärung aus - der Beschwerdeführer nicht zusätzlich zu seinem Gesellschaftsanteil jenen seines Sohnes treuhändig innehatte, sondern nur noch letzteres der Fall war, während sein Sohn B. Z. überdies einen weiteren Viertelanteil an der H. GmbH besaß. Entgegen den Darlegungen in der Gegenschrift ist daher das Beschwerdevorbringen, es sei die Lukrierung von Vorteilen sowohl aus dem Geschäftsteil als auch aus der Treuhandschaft zu gleicher Zeit unmöglich, keineswegs unschlüssig; es gründet sich die diesbezügliche Auffassung der belangten Behörde vielmehr auf eine auf der Basis der genannten Steuererklärung aktenwidrige Annahme.

Dieser Verfahrensfehler ist schon deshalb relevant, weil die belangte Behörde - bei einer bloß treuhändigen Innehabung eines Geschäftsanteiles an der H. GmbH durch den Beschwerdeführer - nicht ohne weiteres (weil abhängig vom Inhalt der Treuhand: vgl. dazu unter anderem Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I10, 179f; Strasser in Rummel2, Rz 42 zu § 1002; Umlauft, Die Treuhandschaft im Wirtschaftsleben, NZ 1993, 60ff; Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1983, Zlen. 82/08/0083, 0084, vom 2. Juli 1991, Zl. 86/08/0128, und vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0189) von einem "verwertbaren Vermögen "im Sinne der §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 26 Abs. 1 WSHG ausgehen durfte. Für die (ohne jegliches Ermittlungsverfahren und ohne Auseinandersetzung mit dem gegenteiligen Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag und in seiner Berufung getroffene) Annahme der belangten Behörde, es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer "für die treuhändische Verwaltung des Geschäftsanteiles seines Sohnes finanzielle Vorteile lukriert" habe, bestehen aber - vor dem genannten rechtlichen Hintergrund, wonach es auf die Sachlage in der Zeit ab 29. November 1993 ankommt -, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde mit Recht ausführt, einerseits keine einer Überprüfung zugänglichen Anhaltspunkte und reicht andererseits und vor allem diese Annahme mangels von Feststellungen über die Höhe dieser angeblichen "finanziellen Vorteile" ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht für die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers und die Ersatzverpflichtung aus.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994080124.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten