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50 GewerberechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Untersagung der angemeldeten Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse mangels Nachweis der Befähigung; kein Verstoß der diesbezüglichen - zum Teil auf Gesetzesstufe gestandenen - Befähigungsnachweisverordnungen gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und die Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit infolge Berücksichtigung gleichwertiger AusbildungsalternativenSpruch
1. Die zu B1876/92 protokollierte Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 13. Oktober 1992, Zl. 315.449/4-III/4/92, richtet, zurückgewiesen.
2. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin absolvierte nach Ablegung der Reifeprüfung die mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung und schloß sie im Mai 1989 ab. Vom 1. Juni bis zum 27. August 1988 war sie als medizinische Hilfskraft, vom 1. Juli 1989 bis zum 31. Oktober 1991 als Kosmetikerin, Masseuse sowie Fußpflegerin und vom 1. November 1991 bis zum 31. Mai 1992 als Masseuse tätig. Seit 1. Juni 1992 arbeitet sie als Gesundheitstrainerin. Am 28. Februar 1991 meldete sie die Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse mit dem Standort in Traun bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land an. Diese stellte mit drei Bescheiden fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die von ihr angemeldeten Gewerbe nicht erfülle und untersagte die gewerbliche Betätigung.
2. Den dagegen erhobenen Berufungen vom 17. September 1991 war kein Erfolg beschieden: Mit Bescheiden vom 18. Mai 1992 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufungen bezüglich der Gewerbe der Fußpflegerin und der Kosmetikerin als unbegründet ab; deren Zustellung ist per 9. Juli 1992 ausgewiesen. Eine Ausfertigung des dritten Bescheides vom 18. Mai 1992, betreffend das Gewerbe der Masseuse, wurde der Beschwerdeführerin hingegen nicht zugestellt.
3. Der zwischenzeitlich im Devolutionswege angerufene Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten behob mit drei Bescheiden vom 13. Oktober 1992 die drei angeführten Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich (wegen Unzuständigkeit) und gab seinerseits den Berufungen der Beschwerdeführerin keine Folge. (Die beim Verfassungsgerichtshof zu B 1103, 1104/92 anhängigen Beschwerdeverfahren, die die beiden der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich betrafen, wurden mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 22. März 1993 als gegenstandslos geworden erklärt und eingestellt.)
4. In den dagegen gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit, auf Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie des einfach-gesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gewerbeausübung wegen Anwendung der verfassungswidrigen Befähigungsnachweisverordnungen des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau BGBl. 246/1965 und des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie BGBl. 175/1986, idF BGBl. 397/1989, geltend gemacht; hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich, der der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden war, wird überdies die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet. Schließlich wird die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt.
Die Beschwerden werden im wesentlichen damit begründet, daß die Verordnung, mit der ein strengerer Befähigungsnachweis für die Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger sowie der Schönheitspfleger (Kosmetiker) und der Masseure eingeführt wird, BGBl. 246/1965, - die im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung gemäß §375 Abs1 Z60 GewO 1973 als Bundesgesetz in Geltung stand (s. jeweils §9 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Fußpfleger, BGBl. 628/1990, und der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Kosmetiker (Schönheitspfleger), BGBl. 629/1990) - verfassungswidrig gewesen und daß die Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. 175/1986, idF der Verordnung BGBl. 397/1989, gesetzwidrig sei.
Die auf Gesetzesstufe gestandene Verordnung BGBl. 246/1965 habe den Zugang zum Gewerbe der Fußpflegerin (unter anderem) an den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden geknüpft; für das Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin) sei die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses und eine Dienstzeit in diesem Gewerbe zwingend vorgeschrieben gewesen, wobei die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) mindestens vier Jahre habe betragen müssen. Dem sei die von der Beschwerdeführerin in der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung absolvierte Ausbildung "gleichwertig, wenn nicht überlegen". Denn deren vom Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport genehmigter Lehrplan sehe 260 Unterrichtsstunden in den Fächern "Fachkunde Fußpflege", "Praktikum Fußpflege" und "Fußmassage und Fußgymnastik" vor; für das Fach Kosmetik seien 895 Unterrichtsstunden in "Fachkunde Kosmetik", "Praktikum Kosmetik", "Kosmetische Rezeptur und Präparatekunde" und "Dekorative Kosmetik" zu absolvieren.
Die Befähigungsnachweisverordnung für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. 175/1986, idF BGBl. 397/1989, schließlich sehe als Art des Nachweises der Befähigung ausschließlich eine Prüfung vor, die näher bestimmten Kriterien entspreche, und lasse die gleichwertige Ausbildungsalternative der von der Beschwerdeführerin absolvierten Salzburger Schule unberücksichtigt, die 590 Unterrichtsstunden in den Fächern "Fachkunde Massage", "Praktikum Massage", "Fußmassage und Fußgymnastik", "Anatomie, Physiologie, Pathologie", "Dermatologie und Hygiene" sowie "Erste Hilfe und Verbandlehre" umfasse. Die drei angeführten Befähigungsnachweisverordnungen verletzten daher die eingangs genannten Rechte.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die bekämpften Bescheide verteidigt und die Abweisung bzw. die Zurückweisung der Beschwerden beantragt. Sie weist insbesondere auf die Möglichkeit einer allfälligen Nachsichtserteilung gemäß §28 GewO 1973 sowie auf die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit aufgrund schulmäßiger Ausbildung, BGBl. 356/1985, idF der Verordnung BGBl. 95/1989, hin. In bezug auf den - nicht erlassenen, da der Beschwerdeführerin nicht zugestellten - "Bescheid" des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. Mai 1992, Zl. Ge-52.361/3-1992/Pan/Neu, räumt sie ein, daß er ohne rechtliche Wirkung geblieben sei. Die Aufhebung dieses "Bescheides" durch die belangte Behörde habe jedoch weder in Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen noch Rechte verletzt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit:
1.1. Die Erhebung einer auf Art144 Abs1, erster Satz, B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde hat unter anderem zur Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (VfSlg. 3304/1958, 3425/1958, 3455/1958, 3555/1959, 4305/1962, 4434/1963, 5544/1967, 5712/1968, 6683/1972, 6716/1972, 7226/1973, 8774/1980, 9002/1980, 9452/1982, 9471/1982, 9736/1983, 9915/1985, 10605/1985). Dieses subjektive Recht muß kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein (VfSlg. 3084/1956, 5583/1967).
Die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes ist dann gegeben, wenn der Bescheid subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (VfSlg. 8746/1980, 9107/1981, 9423/1982, 9771/1983, 10576/1985).
Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein objektives Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Bescheides voraus. Ein solches objektives Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist, sei es, daß der Bescheid vom Antrag des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer), sei es, daß der Beschwerdeführer durch einen nicht auf seinen Antrag erlassenen Bescheid belastet wird (materielle Beschwer; siehe zu den Begriffen der formellen und der materiellen Beschwer zB VwGH 86/16/0125 vom 3.9.1987; 87/02/0081 vom 15.10.1987; 87/16/0119 vom 10.3.1988; ferner etwa Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1983, S 92). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (s. VfSlg. 11764/1988).
1.2. Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, Zl. 315.449/4-III/4/92, der einen, wie oben geschildert, nur vermeintlich, tatsächlich jedoch gar nicht erlassenen "Bescheid" des Landeshauptmannes von Oberösterreich aufhebt, kann die Beschwerdeführerin in einem subjektiven Recht nicht verletzen; damit fehlt ihr aber die Beschwer, sodaß die gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde, soweit sie sich auf dessen Spruchpunkt I. bezieht, mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen war.
2. Im übrigen jedoch sind die Beschwerden zulässig, da die Untersagung der von der Beschwerdeführerin am 28. Februar 1991 angemeldeten Gewerbe der Kosmetikerin (Schönheitspflegerin), der Fußpflegerin und der Masseuse in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin eingreift und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.
B. In der Sache:
Vorauszuschicken ist, daß für die Beurteilung der drei bekämpften, Anmeldungsgewerbe betreffenden Bescheide der Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. zB VwGH 27.6.1989, 89/04/0032), hier also der 28. Februar 1991, maßgeblich ist.
1.1. §22 Abs1 GewO 1973 (hier und im folgenden idF vor der Novelle BGBl. 686/1991) ordnet an, daß die Befähigung für gebundene und, soweit durch besondere Vorschriften vorgesehen, für konzessionierte Gewerbe durch Belege der in den Z1 bis 5 dieser Bestimmung angeführten Art nachzuweisen ist. Gemäß §22 Abs3 GewO 1973 ist durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege der Befähigungsnachweis für ein bestimmtes gebundenes oder konzessioniertes Gewerbe erbracht wird. Die Nachsicht von den Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung im Sinne des §22 Abs1 Z3 GewO 1973 ist gemäß §28 Abs6 leg.cit. zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers eine erfolgreiche Ablegung der Prüfung erwartet werden kann. Nach §28 Abs1 GewO 1973 ist, soferne eine Verordnung gemäß §22 Abs4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis unter den dort angeführten Einschränkungen zu erteilen, "wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt".
1.2. Die für die vorliegenden Beschwerden wesentlichen Teile der gemäß §375 Abs1 Z60 GewO 1973 als Bundesgesetz in Geltung gestandenen sowie der auf Grund der §§22 Abs3 und 8, 103 Abs1 litb und Abs2 und 352 Abs13 leg.cit. erlassenen Befähigungsnachweisverordnungen lauten:
1.2.1. §§1, 2 und 4 der (auf Gesetzesstufe gestandenen, soweit sie das Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger bzw. der Kosmetiker (Schönheitspfleger) betraf, mit Ablauf des 28. Februar 1991 außer Kraft getretenen - s. §9 Abs2 der Verordnungen BGBl. 628/1990 und 629/1990) Verordnung, mit der ein strengerer Befähigungsnachweis für die Gewerbe der Hühneraugenschneider und Fußpfleger sowie der Schönheitspfleger (Kosmetiker) und der Masseure eingeführt wird, BGBl. 246/1965:
"§1. Für den Antritt des gebundenen Gewerbes der Hühneraugenschneider und Fußpfleger (§1 a Abs1 litb Z. 19 der Gewerbeordnung) ist der Nachweis der Befähigung zu erbringen
a)
durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens fünf Jahre betragen; oder
b)
durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe sowie durch das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens vier Jahre betragen; oder
c)
durch das Zeugnis über eine mindestens sechsjährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe sowie durch das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines vom Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft abgehaltenen Lehrganges für Fußpflege in der Dauer von mindestens 200 Unterrichtsstunden; oder
d)
durch den Nachweis der erfolgreichen Ablegung des ersten Rigorosums an einer medizinischen Fakultät einer inländischen Universität sowie durch das Zeugnis über eine mindestens zweijährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe.
§2. Für den Antritt des gebundenen Gewerbes der Schönheitspfleger (Kosmetiker) (§1 a Abs1 litb Z. 20 der Gewerbeordnung) ist der Nachweis der Befähigung zu erbringen
a)
durch das Zeugnis über die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses (§4) und über eine Dienstzeit in diesem Gewerbe; die gesamte Verwendungszeit (Lehr- und Dienstzeit) muß mindestens vier Jahre betragen; oder
b)
durch den Nachweis der erfolgreichen Ablegung des ersten Rigorosums an einer medizinischen Fakultät einer inländischen Universität sowie durch das Zeugnis über eine mindestens zweijährige Verwendungszeit (Lehr- oder Dienstzeit) in diesem Gewerbe.
...
§4. Die ordnungsmäßige Beendigung des Lehrverhältnisses im Sinne des §1 lita und b, §2 lita und §3 lita ist durch das Lehrzeugnis (oder den Lehrbrief) und das Zeugnis über die allenfalls vorgesehene, erfolgreich abgelegte Lehrabschlußprüfung (Lehrlingsprüfung) oder eine Bestätigung der zuständigen Fachgruppe, daß eine solche Prüfung zur Zeit der Beendigung des Lehrverhältnisses nicht vorgesehen war, nachzuweisen."
1.2.2. §§1 und 4 sowie die Anlage 1 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. 175/1986 (die Novelle durch die Verordnung BGBl. 397/1989 ist hier nicht beachtlich):
"Art des Nachweises der Befähigung
§1. Die Befähigung für das gebundene Gewerbe der Masseure (§103 Abs1 litb Z34 GewO 1973) ist durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Prüfung (§§2 bis 8) nachzuweisen.
...
Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung
§4. (1) Zur Prüfung ist zuzulassen, wer durch Zeugnisse nachweist
1.
den erfolgreichen Besuch der Studienrichtung Medizin an einer inländischen Universität und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder
2.
die erfolgreich abgelegte Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Masseur und eine nachfolgende mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder
3.
die erfolgreiche Ausbildung zum diplomierten Assistenten für physikalische Medizin und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder
4.
den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 1 festgesetzten Lehrganges für Masseure und eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit oder
5.
die erfolgreiche Ausbildung zum Heilbademeister und Heilmasseur und eine nachfolgende mindestens vierjährige fachliche Tätigkeit.
(2) Unter einer fachlichen Tätigkeit im Sinne des Abs1 ist eine hauptberufliche nicht im Rahmen eines Lehrverhältnisses zurückgelegte Beschäftigung im Rahmen einer befugten Berufsausübung zu verstehen; diese Beschäftigung muß überwiegend die im §2 Abs3 genannten Massagetätigkeiten zum Gegenstand haben.
Anlage 1
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(zu §4 Abs1 Z4)
Lehrgang für Masseure
1. Der Lehrgang ist am Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft oder an einer vergleichbaren nichtschulischen berufsbildenden Einrichtung zu absolvieren.
2. Der Lehrgang hat sich jedenfalls auf folgende Gegenstände mit der für den jeweiligen Gegenstand angegebenen Mindestzahl der Lehrstunden zu erstrecken:
Mindestzahl
Gegenstand der
Lehrstunden
Allgemeine Anatomie und Physiologie ................ 30
Hygiene ............................................. 25
Anatomie und Pathologie, ausgerichtet auf die
Massagetätigkeit .................................... 30
Massage-Grundkurs mit praktischen Übungen ........... 160
Massage-Kurs mit praktischen Übungen über
Reflexzonenmassage, Segmentmassage, Bindegewebsmassage,
asiatische Massagetechniken (zB Akupunktmassage) und
Lymphdrainage .................................... 300
Wärme- und Kälteanwendungen (trocken und naß) ....... 35
Kenntnisse über die bei Massagetätigkeiten verwendeten
Präparate und Hilfsmittel ........................ 20
Erste Hilfe ......................................... 20
Arbeitshygiene und Unfallverhütung .................. 10
3. Die Gesamtzahl der Lehrstunden des Lehrganges hat
mindestens .......................................... 650
zu betragen."
1.3. Gemäß der Anlage zur Verordnung über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit auf Grund schulmäßiger Ausbildung, BGBl. 356/1985, idF der Verordnung BGBl. 95/1989, ersetzt der erfolgreiche Besuch der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung (viersemestrig - nur bei erfolgreicher Absolvierung des dreimonatigen einschlägigen Praktikums) die Lehrzeit im Lehrberuf Schönheitspfleger (Kosmetiker) im Ausmaß von 1 1/2 Jahren, in den Lehrberufen Fußpfleger und Masseur im Ausmaß von je einem Jahr.
2. Die Untersagung der Ausübung von Gewerben greift in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG ein. Die Voraussetzungen für eine derartige Untersagung müssen daher vom Gesetzgeber von Verfassungs wegen so umschrieben werden, daß sie den Anforderungen des Art6 StGG genügen.
Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11625/1988, 11853/1988, 12094/1989, 12578/1990, u.a.) hat dargetan, daß gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.
Bereits nach der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 2850/1955, 3191/1957, 9263/1981, 10413/1985, 11625/1988, 12578/1990) muß die Festsetzung von Bedingungen für die Ausübung eines Erwerbszweiges im Sinne des Art6 StGG ferner in Zusammenhalt mit der Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit gemäß Art18 StGG verstanden werden. Wenn es gemäß Art18 StGG jedermann freisteht, "seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will", so ist der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber wohl nicht gehindert, gemäß Art6 StGG für den Antritt eines Erwerbszweiges entsprechende, für die Ausübung des Erwerbszweiges erforderliche und adäquate Ausbildungsgänge vorzuschreiben; er ist jedoch verfassungsrechtlich verpflichtet - soll das im Art18 StGG gewährleistete Recht neben Art6 StGG nicht sinn- oder zumindest bedeutungslos sein -, sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen zu berücksichtigen. Der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber darf sohin auf Grund des Gesetzesvorbehaltes des Art6 StGG zweifelsohne Regelungen treffen, mit denen der Erwerbsantritt von der Absolvierung bestimmter Berufsausbildungsgänge abhängig gemacht wird, die (für die gehörige Ausübung und damit für den Antritt eines Erwerbszweiges) im öffentlichen Interesse gelegen, zu dessen Verwirklichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind. Er ist jedoch kraft Art18 StGG verhalten, dabei die Absolvierung ihrer Art nach gleichwertiger Ausbildungsgänge als Erwerbsantrittsvoraussetzungen nicht schlechthin auszuschließen. Verfassungswidrig wäre - weil sie Art6 in Verbindung mit Art18 StGG zuwiderlaufen würde - sohin eine rechtliche Regelung, welche Ausbildungsmöglichkeiten ausschließt, die in gleicher Weise wie die zur normierten Bedingung eines Erwerbsantrittes gemachte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lassen (s. VfSlg. 12578/1990).
Dabei besitzt der Gesetz- wie auch der Verordnungsgeber hinsichtlich des Ausbildungszieles ein beträchtliches Maß an Gestaltungsfreiheit. Sind jedoch im Hinblick auf das Ausbildungsziel sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen evidentermaßen, - insbesondere auch durch deren Anerkennung durch den Gesetzgeber -, vorhanden, so sind diese Ausbildungsalternativen kraft Art18 StGG ohne Diskriminierung zu berücksichtigen (vgl. VfGH 16.6.1992, G317/91, G318/91, G16/92).
3. Es ist - und blieb auch von den Beschwerden - unbestritten, daß angesichts des von der GewO 1973 normativ verwirklichten Systems zur Erreichung eines bestimmten Standards gewerblicher Leistungen, der ua. durch eine entsprechende Befähigung der Gewerbeberechtigten sichergestellt wird, gegen das normative Erfordernis einer fundierten Berufsvorbildung sowie einer ausreichenden praktischen Tätigkeit für die Ausübung von Gewerben, die unmittelbar auf die physische Gesundheit der Konsumenten einwirken, keine Bedenken bestehen; dies zumal dann, wenn diese Ausbildung an allen dafür geeigneten Schulen und Einrichtungen absolviert werden kann.
Diesem Erfordernis entsprechen die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Rechtsvorschriften über die Befähigungsnachweise, gegen welche die Beschwerden keine grundsätzlichen Bedenken vortragen. Vielmehr wenden sie sich nur dagegen, daß dort die Absolvierung der Salzburger Schule für Gesundheitstraining und Bewegung nicht gehörig berücksichtigt worden sei; sie sind damit aber nicht im Recht:
Es ist nämlich, wie die Gegenschrift zutreffend hervorhebt, auch die Verordnung über den Ersatz der Lehrabschlußprüfung und der Lehrzeit auf Grund schulmäßiger Ausbildung, BGBl. 356/1985, idF BGBl. 95/1989, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Diese nimmt auf die von der Beschwerdeführerin absolvierte Salzburger Schule Bedacht und präzisiert, inwieweit die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ausbildungsvariante mit dem standardisierten Ausbildungsgang übereinstimmt. Den darin enthaltenen Bewertungen verschiedener Ausbildungs-(lehr)gänge vermag der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle nicht entgegenzutreten.
Soweit die Beschwerden jedoch vermeinen, die genannten Regelungen seien insoweit bedenklich, als sie bei den Gewerben der Fußpfleger und Masseure den erfolgreichen Besuch von von Wirtschaftsförderungsinstituten abgehaltenen Lehrgängen in anderer Weise bzw. weitergehend berücksichtigen als die von der Beschwerdeführerin absolvierte Schule, ist ihnen entgegenzuhalten, daß die Regelungen deutlich zwischen dem erfolgreichen Besuch einer Schule einerseits und einer nichtschulischen berufsbildenden Einrichtung andererseits unterscheiden. Besonders deutlich bringt dies die Anlage 1 zu §4 Abs1 Z4 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. 175/1986, zum Ausdruck, wobei nicht nur auf die Wirtschaftsförderungsinstitute, sondern auf vergleichbare nichtschulische berufsbildende Einrichtungen abgestellt wird. Diesen für die fachliche Befähigung eines Gewerbetreibenden wesentlichen Aspekt übergehen die Beschwerden.
Insgesamt hat deshalb der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten und es ist ihm nicht der Vorwurf zu machen, daß er gleichwertige Ausbildungsalternativen nicht gehörig berücksichtigt hätte; auch dem Verordnungsgeber kann solches nicht vorgeworfen werden. Vielmehr knüpften die Normgeber an unterschiedliche Fakten unterschiedliche Rechtsfolgen, weshalb für den Verfassungsgerichtshof keine Wertungswidersprüche erkennbar sind.
4.1. Die von den Beschwerden vorgetragenen Normbedenken treffen sohin nicht zu; auch sonst sind solche beim Verfassungsgerichtshof aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle nicht entstanden. Den angefochtenen Bescheiden liegen mithin keine rechtswidrigen generellen Normen zugrunde. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt. Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat nicht stattgefunden (vgl. oben II.A.1.2.).
4.2. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
5. Die Beschwerden waren daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Bescheiderlassung, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit, Gewerberecht, Berufsausbildung (Gewerberecht), Gewerbeanmeldung, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Fußpfleger, Kosmetiker, Masseure, Gewerbeberechtigung, BefähigungsnachweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B1874.1992Dokumentnummer
JFT_10069375_92B01874_00