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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des W G in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. März 1994, Zl. 313.851/1-III/4/94, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde mit einem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. August 1990 "gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 a, b und 2 sowie Abs. 2 und 4 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 der Befähigungsnachweis für das Pflastererhandwerk, eingeschränkt auf einen Standort in M, zum Zwecke der Geschäftsführerbestellung bei der G- und P-Ges. m.b.H. nachgesehen". In der Begründung dieses Bescheides wurde dargelegt, der Beschwerdeführer könne den formellen Nachweis einer erfolgreich abgelegten Meisterprüfung nicht erbringen, er besitze aber aufgrund seiner Ausbildung durch den Pflasterermeister M L und den das Pflastererhandwerk seit 25 Jahren ausübenden M G die "volle Befähigung für die Ausübung des angestrebten Gewerbes". Das Ermittlungsverfahren habe das Vorliegen besonderer (örtlicher) Bedarfsverhältnisse im Umkreis des beabsichtigen Standortes M ergeben, ohne daß Ausschließgungsgründe gemäß § 13 zutage getreten wären.
Dieser vorerwähnte Bescheid ist - da der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 20. Februar 1991 die Berufung der Landesinnung der Dachdecker und Pflasterer in der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich wegen Versäumung der fristgerechten Gutachtenserstattung im Nachsichtsverfahren gemäß § 346 Abs. 4 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen hat - in Rechtskraft erwachsen.
Mit Ansuchen vom 4. November 1992 begehrte der Beschwerdeführer ihm die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Pflastererhandwerk, eingeschränkt auf einen Standort in X, R oder S, zu erteilen. Zur Begründung seines Antrages verwies er zunächst auf den (vorerwähnten) Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Februar 1991 und legte des weiteren dar, er sei der gewerberechtliche Geschäftsführer der G- und P-Ges. m.b.H., die seit 3. April 1991 in M das "Pflasterergewerbe besitzt". Seit April 1990 sei er auch der handelsrechtliche Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Kürzlich hätten ihm die Gesellschafter (der vorerwähnten Gesellschaft) mitgeteilt, daß der Betrieb in M demnächst eingestellt werde. Um die bereits erteilten Aufträge erfüllen zu können, wolle er sich "selbständig machen".
In einer (zum negativen Gutachten der Landesinnung erstatteten) Gegenäußerung vom 29. Dezember 1992 verwies der Beschwerdeführer auf die im seinerzeitigen Nachsichtsverfahren ermittelte "Qualifikation" und legte ergänzend unter anderem dar, daß besondere örtliche Verhältnisse für die begehrte Nachsichtserteilung sprechen würden, weil es im Bezirk X und in der weiteren Umgebung keine Pflastererbetriebe gebe.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. März 1993 wurde dem Beschwerdeführer "gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 sowie Abs. 2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 der Befähigungsnachweis für das Pflastererhandwerk nachgesehen". Zur Begründung dieser Entscheidung führte die Erstbehörde aus, zufolge der mit 1. Jänner 1993 in Kraft getretenen Neuformulierung des § 28 (gemeint: GewO 1973) genüge das Vorliegen der "vollen Befähigung", ohne daß in der Person des Nachsichtswerbers gelegene wichtige Gründe oder das Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse zu prüfen seien. Die begehrte Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Pflastererhandwerk (an anderer Stelle der Bescheidbegründung als "Nachsicht von der Meisterprüfung im Pflastererhandwerk" bezeichnet) sei dem Beschwerdeführer zu erteilen gewesen, weil ihm bereits mit Bescheid vom 9. August 1990 "die volle Befähigung zuerkannt" worden sei und sich diesbezüglich keine Änderung ergeben habe.
Der dagegen erhobenen Berufung der Landesinnung der Dachdecker und Pflasterer in der Sektion Gewerbe und Handwerk der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 31. März 1994 dahingehend Folge, daß der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer die Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises für das Pflastererhandwerk, eingeschränkt auf einen Standort in X, R oder S, gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 verweigert wurde. Zur Begründung wurde (nach Darlegung der Rechtslage und der Ergebnisse des Berufungsverfahrens) im wesentlichen ausgeführt, der Nachsichtswerber habe (hinsichtlich von drei als Standorte in Betracht kommenden Gemeinden) um Erteilung einer standortgebundenen Nachsicht angesucht. Zufolge § 28 Abs. 4 GewO 1994 könne daher nur eine Nachsicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. in Frage kommen. Auf das Vorliegen einer "vollen Befähigung" brauche demnach nicht eingegangen zu werden; eine solche Befähigung könne im übrigen aus den von der fachlich zuständigen Landesinnung dargelegten Gründen auch nicht angenommen werden. Das gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. kumulative Nachsichtserfordernis des Vorliegens eines persönlichen Nachsichtsgrundes habe der Nachsichtswerber weder geltend gemacht noch sei ein solcher im Verfahren hervorgekommen. Die Ablegung der Meisterprüfung sei dem Nachsichtswerber im Hinblick auf sein Alter zuzumuten, wobei ihm die Antragstellung gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. offenstehe. Sein Vorbringen, in dem in Rede stehenden örtlichen Bereich bestünden keine weiteren Pflastererbetriebe, sei weder mit der von M L hinsichtlich der Fortführung des Betriebes der G- und P-Ges. m.b.H. erteilten Auskunft noch der (nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens) in I bestehenden Niederlassung der P N-Gesellschaft m.b.H. (richtig: Gesellschaft m.b.H. & Co KG) in Einklang zu bringen. Da diese letztgenannte Niederlassung jederzeit die anfallenden Aufträge für Pflasterungsarbeiten fristgerecht ausführen bzw. bei größeren Aufträgen ihre Leistungsfähigkeit erweitern könne, würden besondere die Nachsicht rechtfertigende örtliche Verhältnisse nicht vorliegen. Schon im Hinblick auf das Fehlen eines Ausnahmegrundes könne die Nachsicht nicht erteilt werden; ob der Nachsichtswerber eine hinreichende tatsächliche Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. besitze, brauche daher nicht mehr beurteilt zu werden.
Gegen diesen Berufungsbescheid (des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten) richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht auf Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Pflastererhandwerk, eingeschränkt auf einen Standort in X, R oder S verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er stimme der belangten Behörde zu, daß entsprechend seinem Nachsichtsansuchen eine Standorteinschränkung ausgesprochen hätte werden müssen; mit einer Einschränkung auf den Standort S erkläre er sich einverstanden. Die Ansicht der belangten Behörde, daß ihm die hinreichende tatsächliche Befähigung fehle, sei rechtlich verfehlt. Mit der Frage, warum ihm die tatsächliche Befähigung abgesprochen werde, habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Da ihm als gewerberechtlicher Geschäftsführer der G- und P-Ges. m.b.H. die Nachsicht erteilt worden sei, hätte die belangte Behörde begründen müssen, wodurch eine derartige Änderung eingetreten sei, daß ihm die Befähigung nunmehr mangle. Auf die "kumulativen Erfordernisse des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a und b" hätte erst nach Klärung dieser Rechtsfrage eingegangen werden dürfen. Die belangte Behörde habe es auch hinsichtlich der "besonderen örtlichen Verhältnisse" unterlassen, die materielle Wahrheit zu erforschen. So seien keine Nachforschungen darüber angestellt worden, ob durch die Konkurseröffnung (über das Vermögen der G- und P-Ges. m.b.H.) der Betrieb eingestellt worden sei. Neben diesem "konkursverfangenen Betrieb" - der Betrieb der G- und P-Ges. m.b.H. sei nach Darstellung der Beschwerde nachweislich geschlossen - verbleibe im Großraum X nur die Zweigniederlassung der P N-Gesellschaft m.b.H. (richtig: Gesellschaft m.b.H. & Co KG). Die Größe dieses Unternehmens sei nicht festgestellt worden. Die Behauptung, daß bei Bedarf die Belegschaft des Zweigbetriebes vergrößert werden könne, sei nicht ausreichend, um die örtlichen Verhältnisse abzuklären. Die angestellten behördlichen Erhebungen seien ungenügend geblieben, um die Bedarfsprüfung vornehmen zu können.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausgehend vom Beschwerdevorbringen allein das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 strittig.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 (wortgleich mit der von der Erstbehörde anzuwendenden GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992) ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und
a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder
b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.
Diese Gesetzesstelle normiert kumulativ als Tatbestandserfordernis die hinreichende tatsächliche Befähigung, das Nichtvorliegen eines Ausschlußgrundes (§ 13) UND das Vorliegen eines der alternativ umschriebenen Ausnahmegründe. Fehlt demnach auch nur eines der positiv erforderlichen Tatbestandselemente oder ist in Ansehung des Nachsichtswerbers ein Ausschlußgrund zu bejahen, dann führt bereits dies zur Abweisung des Nachsichtsansuchens, ohne daß die Beurteilung der anderen Tatbestandselemente an diesem Ergebnis etwas ändern könnte (vgl. dazu die zur insoweit vergleichbaren früheren Rechtslage ergangenen hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0207, und vom 28. April 1992, Zl. 91/04/0320). Entgegen der Darstellung in der Beschwerde hat die belangte Behörde das Vorliegen des Tatbestandselementes der "hinreichenden tatsächlichen Befähigung" nur deshalb nicht geprüft bzw. abschließend beurteilt, weil sie zufolge Verneinung eines Ausnahmegrundes bereits zur Abweisung des Nachsichtsansuchens gelangte. Bei dieser Sachlage wäre für den Beschwerdeführer mit seinen weitgreifenden Ausführungen zum Tatbestandselement seiner Befähigung daher im Ergebnis nur dann etwas gewonnen, wenn die belangte Behörde den im Nachsichtsverfahren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ausnahmegrund der "besonderen örtlichen Verhältnisse" nicht hätte verneinen dürfen.
Unter den (im vorliegenden Beschwerdeverfahren demnach entscheidungserheblichen) "besonderen örtlichen Verhältnissen" im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 sind vor allem sonst nicht anzutreffende Bedarfsverhältnisse zu verstehen, also alle objektiv erfaßbaren Tatsachen, die in bezug auf die Gewerbeausübung in einem bestimmten örtlichen Bereich oder auch nur im gewählten Standort für die Erteilung der Nachsicht sprechen. Diese örtlichen Bedarfsverhältnisse können erst dann berücksichtigt werden, wenn der Bedarf durch die vorhandenen Betriebe nicht oder nicht ausreichend gedeckt wird und die Nachsichtserteilung deshalb im öffentlichen Interesse liegt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 1988, Zl. 86/04/0242, vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0225, und vom 10. Juni 1987, Zl. 87/04/0012).
Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen der besonderen örtlichen Verhältnisse im vorliegenden Nachsichtsverfahren allein damit begründet, daß kein weiterer Pflastererbetrieb im Bezirk X bestünde. Diese Behauptung ist aber schon deshalb widerlegt worden, weil in dem in Rede stehenden Gebiet mit der P N-Gesellschaft m.b.H. & Co KG. ein den Bedarf ausreichend deckender Pflastererbetrieb besteht. Dem Beschwerdeführer ist zu diesem Umstand im Berufungsverfahren Parteiengehör gewährt worden, er hat dazu aber nicht Stellung genommen. Demnach hat der Beschwerdeführer im Nachsichtsverfahren insgesamt keine Umstände dargetan, die auf das Vorliegen einer besonderen Bedarfssituation (im oben dargelegten Sinne) hätte schließen lassen. Selbst der in der Beschwerde behauptete (von der belangten Behörde jedoch als nicht erwiesen angesehene) Wegfall des insolvent gewordenen Betriebes der G- und P-Ges. m.b.H. alleine vermag noch nicht aufzuzeigen, warum deshalb die besonderen örtlichen Verhältnisse im Sinne der in Rede stehenden Gesetzesstelle eingetreten sein sollten (vgl. dazu nochmals das hg. Erkenntnis, Zl. 87/04/0225).
Da der Beschwerdeführer (trotz der ihm eingeräumten Gelegenheit zu weiteren Vorbringen) seiner im antragsbedürftigen Nachsichtsverfahren bestehenden Mitwirkungspflicht, eine ungewöhnliche Bedarfssituation behauptungsmäßig darzutun, somit nicht nachkam, kann der belangten Behörde kein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie über einen vom Nachsichtswerber nicht bzw. nicht ausreichend behaupteten (sondern offenbar bloß vermuteten) Sachverhalt keine Erkundigungen eingeholt hat. Auch die Erwägungen der Beschwerde, die jedenfalls nicht erkennen lassen, inwieweit die belangte Behörde bei Durchführung der vermißten Erhebungen zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, sind insgesamt nicht geeignet, die Verneinung des Vorliegens der besonderen örtlichen Verhältnisse (§ 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994) rechtswidrig erscheinen zu lassen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040077.X00Im RIS seit
11.07.2001