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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Mai 1994, Zl. St 101/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Mai 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und 5 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei am 17. November 1991 ohne Reisepaß unter Umgehung der Grenzkontrolle von Slowenien kommend in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 26. November 1991 sei sein Asylantrag abgewiesen und die vom Beschwerdeführer zunächst erhobene Berufung von diesem am 2. Oktober 1992 zurückgezogen worden. Seit 2. Juli 1992 halte sich der Beschwerdeführer aufgrund von ihm jeweils befristet erteilten Sichtvermerken, zuletzt aufgrund eines am 11. Juni 1993 bis 24. Mai 1995 gültigen Wiedereinreisesichtvermerkes im Bundesgebiet auf. Bis zu diesem Zeitpunkt verfüge er auch über eine Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes R. Der Beschwerdeführer sei bei der Firma D in R beschäftigt und mit einer österreichischen Staatsbürgerin befreundet. Er sei nicht verheiratet, von seinen Verwandten hielten sich in Österreich zwei Cousins mit ihren Familienangehörigen auf.
Während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei der Beschwerdeführer viermal rechtskräftig wegen der Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung), jeweils einmal wegen Übertretung des Meldegesetzes (Begründung eines Scheinwohnsitzes), Übertretung des § 42 Abs. 2 KFG und wegen Übertretung nach § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG (vorsätzliche Begehung der Schlepperei um seines Vorteils willen) bestraft worden.
Aufgrund der rechtskräftigen Bestrafungen wegen der Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, aufgrund der Bestrafung wegen Schlepperei auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG. Angesichts der damit verbundenen "unwiderleglichen Rechtsvermutung" sei auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Dem Argument des Beschwerdeführers, die Geringfügigkeit seiner Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG ergebe sich daraus, daß er ungeachtet dieser Verurteilungen zur Lenkerprüfung zugelassen und ihm letztlich eine österreichische Lenkerberechtigung erteilt worden sei, müsse entgegengehalten werden, daß der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht habe glaubhaft machen können, daß er die Voraussetzungen (erforderliche Fahrpraxis) für die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung im Umfang seiner nationalen (jugoslawischen) ohne weiteres erfülle. Der Beschwerdeführer habe dies jedoch ignoriert und ein Kraftfahrzeug auf den öffentlichen Straßen ohne die erforderliche Lenkerberechtigung gelenkt. Es handle sich hier um einen sehr schwerwiegenden Verstoß gegen das Kraftfahrgesetz. Es weise auch entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers eine Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs. 1 und 2 Z. 2 FrG keineswegs einen geringen Unrechtsgehalt auf. Die Gründe, die die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. dazu veranlaßt haben, dem Beschwerdeführer ungeachtet des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens wegen Verdachtes des Vergehens nach § 80 Abs. 1 und 2 Z. 2 FrG einen Wiedereinreisesichtvermerk für nahezu zwei Jahre zu erteilen, seien nicht Gegenstand des über das verhängte Aufenthaltsverbot zu führenden Berufungsverfahrens. Die Übertretung nach § 42 Abs. 2 KFG werde wegen Geringfügigkeit und das bei Gericht anhängige Verfahren wegen des Verdachtes, daß sich der Beschwerdeführer zur Erlangung der österreichischen Lenkerberechtigung gefälschter Bestätigungen über seine Fahrpraxis bedient habe, werde mangels Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung zur Begründung des Aufenthaltsverbotes nicht herangezogen. Aufgrund der Dauer seines bisherigen Aufenthaltes und des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses im Bundesgebiet sowie seiner nahen Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin werde durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Das Aufenthaltsverbot sei jedoch im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, hier im öffentlichen Interesse zur Unterbindung des Schlepperunwesens, dringend geboten sei.
Bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit ca. zweieinhalb Jahren und das rechtmäßige Beschäftigungsverhältnis sowie die nahe Beziehung zu einer Österreicherin zu berücksichtigen gewesen. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen jedoch schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die vorsätzliche Begehung eines Schleppertatbestandes wiege besonders schwer, wobei sich auch aus dem bisherigen Gesamtverhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine negative Zukunftsprognose in Bezug auf seine weitere Lebensführung ergebe. Demgemäß sei auch die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes angebracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen vier rechtskräftiger Bestrafungen nach § 64 Abs. 1 KFG und der Bestrafung nach § 80 Abs. 1 und 2 Z. 2 FrG. Daß die besagten Verwaltungsstrafen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 sowie Z. 5 FrG verwirklichen, bleibt in der Beschwerde ebenfalls unbekämpft. Der Beschwerdeführer wendet sich aber mit Recht gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 leg. cit. die "unwiderlegliche Rechtsvermutung" für die in § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme bilden würde. Eine solche "unwiderlegliche Rechtsvermutung" besteht nicht, vielmehr ordnet § 18 Abs. 1 FrG an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0196). Der Beschwerdeführer wurde aber durch diese unrichtige Rechtsauffassung nicht in seinen Rechten verletzt, weil im Ergebnis die Annahme der belangten Behörde, das Verhalten des Beschwerdeführers begründe die im § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit umschriebene Annahme, durchaus zutreffend ist: Zu den vier Bestrafungen wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG bringt der Beschwerdeführer vor, daß die seinerzeitige Nichtausstellung einer österreichischen Lenkerberechtigung aufgrund seiner ausländischen Lenkerberechtigung durch die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. rechtswidrig gewesen wäre, weil er tatsächlich über die erforderliche Fahrpraxis verfügt habe. Dies ergebe sich aus einem nunmehr vorliegenden rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Ried i.I. vom 18. April 1994, in dem festgestellt worden sei, daß er seinerzeit im Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. keine falschen Bestätigungen über seine Fahrpraxis vorgelegt (gehabt) habe. Mittlerweile habe ihm die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. auch tatsächlich eine Lenkerberechtigung erteilt. Demgemäß reduziere sich der Unrechtsgehalt dieser Verwaltungsstrafen "gegen Null".
Der Beschwerdeführer verkennt hier zum einen das Wesen der Rechtskraft einer verwaltungsrechtlichen Bestrafung, zum anderen übersieht er (offenbar bewußt) die Bedeutung der Vorschrift des § 64 Abs. 1 KFG. Gemäß § 64 Abs. 5 KFG war der Beschwerdeführer aufgrund seiner in der Bundesrepublik Jugoslawien erteilten Lenkerberechtigung lediglich berechtigt, in Österreich ein Kraftfahrzeug bis längstens 1 Jahr nach Begründung seines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet zu lenken. Danach durfte der Beschwerdeführer ein Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur aufgrund einer von der (zuständigen österreichischen) Behörde erteilten Lenkerberechtigung lenken. Ob der Beschwerdeführer die Befähigung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen aufwies, insbesondere über die erforderliche Fahrpraxis verfügte, somit an sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung aufwies, kommt es nicht an. Dies mußte dem Beschwerdeführer jedenfalls spätestens aufgrund der erstmaligen Bestrafung wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG bewußt geworden sein, zumal die für die Erteilung der Lenkerberechtigung zuständige Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. ausdrücklich unter Hinweis darauf, daß er die Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkerberechtigung nicht aufweise, eine solche seinerzeit verweigert hatte. Von daher gesehen liegt ihm hinsichtlich der mehrmaligen Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG eine gröbliche Mißachtung einer zentralen kraftfahrrechtlichen Norm zur Last, sodaß die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sehr wohl als schwerwiegend anzusehen sind. Wenn der Beschwerdeführer auch jetzt noch dazu vorbringt, es hätte ihm bereits seinerzeit von der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. eine Lenkerberechtigung erteilt werden müssen, weil er (nunmehr aufgrund des Freispruches im Strafverfahren bestätigt) über die erforderliche Fahrpraxis verfügt habe und deshalb seine mehrfachen Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG zu vernachlässigen seien, so beharrt der Beschwerdeführer weiterhin auf seinem unrichtigen Standpunkt und bringt damit zum Ausdruck, daß er sich ungeachtet rechtskräftiger Bescheide nicht an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden fühlt. Dem Hinweis des Beschwerdeführers, daß ihm die Behörde erster Instanz am 11. Juni 1993 ungeachtet seiner Bestrafung nach § 64 Abs. 1 KFG und eines anhängigen Verfahrens wegen Übertretung nach § 80 Abs. 1 und 2 Z. 2 FrG einen Wiedereinreisesichtvermerk für die Dauer von fast 2 Jahren erteilt habe, ist zunächst zu entgegnen, daß dies nichts an dem von der Judikatur einem Verstoß gegen § 64 Abs. 1 KFG zugemessenen hohen Unrechtsgehalt ändert. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sie bei Beurteilung der Frage, ob ein Aufenthaltsverbot zu verhängen ist, nicht auf eine (allenfalls unrichtige) Entscheidung einer anderen Behörde über die Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes Bedacht zu nehmen hatte. Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift im übrigen richtig darauf hin, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erteilung des Wiedereinreisesichtvermerkes durch die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. nur mit EINER Bestrafung nach § 64 Abs. 1 KFG belastet war. Erst danach, nämlich am 25. Juni, 13. Juli und 27. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen Vergehens nach § 64 Abs. 1 KFG sowie mit Straferkenntnis vom 14. September 1993 wegen der Übertretung nach § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG bestraft. In der Gegenschrift der belangten Behörde wird weiters zutreffend dargelegt, daß sich bereits aus dem Spruch des Straferkenntnisses nach § 80 Abs. 1 und 2 Z. 2 FrG ergibt, daß der Beschwerdeführer am 25. Mai 1993 den jugoslawischen Staatsangehörigen B von Tschechien, versteckt im Kofferraum seines PKW"s, mit der Absicht nach Österreich bringen wollte, dieser werde ihm nach Einreise in das Bundesgebiet offene Schulden von S 20.000,-- bezahlen. Ein derartiges Verhalten verstößt angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung der Schlepperei sehr erheblich gegen die Rechtsordnung. Demgemäß ist die Ansicht der belangten Behörde, das durch die viermaligen Bestrafungen nach § 64 Abs. 1 KFG und die Bestrafung nach § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG charakterisierte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verwirkliche die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, jedenfalls zutreffend. Da die belangte Behörde die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 42 Abs. 2 KFG sowie das damals beim Bezirksgericht Ried i.I. anhängige Verfahren wegen des Verdachtes der Vorlage von gefälschten Bestätigungen über seine Fahrpraxis ausdrücklich nicht zur Stützung des Aufenthaltsverbotes herangezogen hat, bedarf es dazu auch keiner weiteren Ausführungen.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist im Grunde des § 19 FrG zulässig. Dem in der Schleppertätigkeit des Beschwerdeführers begründeten öffentlichen Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kommt sehr großes Gewicht zu. Die belangte Behörde hat zutreffend auch die zahlreichen weiteren Bestrafungen des Beschwerdeführers nach § 64 Abs. 1 KFG mitberücksichtigt. Dies führt selbst unter der Annahme eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dazu, daß das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) wie auch zur Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten ist.
Schließlich ist auch das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat hiebei die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Beschäftigung in Österreich sowie die daraus abgeleitete Integration und sein Naheverhältnis zu einer Österreicherin berücksichtigt. Da der Beschwerdeführer nicht verheiratet ist und auch keine Kinder hat, liegt ein Eingriff in sein Familienleben nicht vor. Wenn die belangte Behörde angesichts der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit die maßgeblichen öffentlichen Interessen für gewichtiger erachtete als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210145.X00Im RIS seit
19.03.2001