Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. März 1994, Zl. St 20-1/94, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § "15 Abs. 3 Z. 2" FrG die Ausweisung verfügt und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Vietnam gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung nach Vietnam sei somit zulässig.
Der Beschwerdeführer sei am 9. April 1991 gemeinsam mit seiner Gattin aus der damaligen Tschechoslowakei unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt. Seinen Reisepaß habe er vor der Einreise nach Österreich weggeworfen. Der am 10. April 1991 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit dem im Instanzenzug ergangenen, am 27. September 1993 rechtswirksam erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1993 abgewiesen worden. Während des Asylverfahrens seien dem Beschwerdeführer Aufenthaltsberechtigungen und in weiterer Folge Sichtvermerke in Bescheidform erteilt worden, wobei die Gültigkeitsdauer des zuletzt erteilten am 17. September 1993 abgelaufen sei. Seither habe der Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei daher nicht rechtmäßig.
Da sich der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Gattin im Bundesgebiet aufhalte, werde durch die Ausweisung in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) erscheine es allerdings dringend geboten, Fremden, die unter Umgehung der für eine Einreise in das Bundesgebiet geltenden Bestimmungen in dieses gelangt seien, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu gestatten, zumal der Erteilung einer allfälligen Aufenthaltsbewilligung der zwingende Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG entgegenstehe und der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus zu stellen sein werde (§ 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz).
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, daß er in Vietnam der Todesstrafe oder sonst einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte im Falle seiner Rückkehr nach Vietnam "gravierende Nachteile" zu gewärtigen, reiche zur Dartuung stichhaltiger Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG nicht aus. Würden die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 FrG auf den Beschwerdeführer zutreffen, wäre er als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen. Es sei den Ausführungen des Bundesministers für Inneres im Bescheid vom 23. August 1993 beizupflichten, daß der bloße Wunsch, in Freiheit leben zu wollen, ohne daß er jedoch konkrete Verfolgungshandlungen gegen sich hätte anführen können, nicht als ausreichend angesehen werden könne, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zu begründen. Die bloße ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden System bilde für sich allein noch keinen Grund, einen Fremden als Flüchtling anzuerkennen. Dem Hinweis des Beschwerdeführers, daß ihm von der Vertretungsbehörde Vietnams in Österreich Schwierigkeiten bei der Erlangung eines Reisepasses gemacht worden seien, müsse entgegengehalten werden, daß daraus ebenfalls nicht zu ersehen sei, daß Leben oder Freiheit des Beschwerdeführers bedroht sein würden. Die - dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme vorgehaltenen - Informationen über die letzte Entwicklung in Vietnam ließen erkennen, daß nach Vietnam zurückkehrende Staatsangehörige selbst dann nicht verfolgt würden, wenn sie im Ausland seinerzeit Asyl beantragt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; von
der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was die mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung anlangt, so zieht der Beschwerdeführer die - nach den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen unbedenkliche - Auffassung der belangten Behörde, er halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, nicht in Zweifel.
Der Beschwerdeführer behauptet einen durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Er macht geltend, daß die Ausweisung in seinem Falle nicht dringend geboten erscheine. Die belangte Behörde begründe ihre gegenteilige Auffassung nur mit einem generellen Verweis auf § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG. Dies sei nicht gerechtfertigt, weil selbst die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur bei Erteilung der Sichtvermerke nicht vom Vorliegen dieses Versagungsgrundes ausgegangen sei. Hätte die belangte Behörde von der beantragten Einvernahme seiner Gattin als Zeugin nicht Abstand genommen, hätte sich ergeben, daß er sehr wohl im Bundesgebiet integriert sei.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Da die belangte Behörde ohnehin einen durch die Ausweisung bewirkten, im Sinne des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen hat, war eine weitere Beweisaufnahme dazu entbehrlich. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß die belangte Behörde das Dringend-geboten-sein nicht nur mit dem Vorliegen des genannten Sichtvermerkversagungsgrundes, sondern auch mit dem Fehlen der in § 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) normierten Voraussetzung begründete. Nach der unbestrittenen Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer zuletzt ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 17. September 1993 erteilt. Ein Verlängerungsantrag wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten nicht gestellt. Der Beschwerdeführer kann sich somit nicht auf § 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz stützen, sodaß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus zu stellen gewesen wäre (§ 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995). Bei Abstandnahme von der Ausweisung könnte sich der Beschwerdeführer unter Umgehung dieser genannten, ein wesentliches Element der mit dem Aufenthaltsgesetz getroffenen Regelung darstellenden Bestimmung den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0182). Wenn daher die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt ist, daß die Ausweisung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung (vgl. Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten sei, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Ob auch der notwendigen Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ein Sichtvermerkversagungsgrund entgegenstünde, ist mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz genannten Voraussetzung nicht mehr zu prüfen.
Gegen die in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung bringt der Beschwerdeführer vor, daß er aufgrund seiner Republikflucht und seines Antrages auf Asylgewährung in Vietnam massiv in seiner Freiheit bedroht sei. Es drohe ihm im Falle seiner Rückkehr die Verfolgung, Verhaftung und Anhaltung in Haft unter unmenschlichen Bedingungen. Darüber hinaus würde er in seinem Heimatland Repressalien ausgesetzt sein. Er würde verpflichtet werden, seine Ausbildungskosten an den Staat zurückzuzahlen. Seine Reintegration würde wesentlich erschwert werden, indem ihm die Möglichkeit einer geregelten Arbeit verwehrt werden würde.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Beschwerdeführer zeigt damit nicht auf, daß sein Leben oder seine Freiheit aus dem im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen bedroht wären. Die behauptete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung (§ 37 Abs. 1 FrG) entbehrt jeglicher näher konkretisierter Untermauerung. Eine bloß lapidare Behauptung in dieser Richtung reicht zur Glaubhaftmachung des Vorliegens stichhaltiger Gründe nicht hin. Mangels eines entsprechend konkretisierten Tatsachenvorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren handelte die belangte Behörde auch nicht rechtswidrig, wenn sie von der Vornahme weiterer Ermittlungen Abstand nahm (vgl. hiezu das die Ehegattin des Beschwerdeführers betreffende hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0339).
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210015.X00Im RIS seit
20.11.2000