TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/27 95/21/0012

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Veröffentlicht am 27.09.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
AVG §37;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der T in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. März 1994, Zl. St 14-1/94, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 7. März 1994 wurde unter Spruchpunkt I gegen die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG die Ausweisung verfügt und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in Vietnam gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung nach Vietnam sei somit zulässig.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 6. Juni 1991 gemeinsam mit ihrem Gatten aus der damaligen Tschechoslowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt sei. Ihr am 7. Juni 1991 gestellter Asylantrag sei mit dem im Instanzenzug ergangenen, am 22. September 1993 rechtswirksam erlassenen, Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1993 abgewiesen worden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, ausgestellte Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zu Recht bestehe, habe diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung spätestens mit der Zustellung des letztinstanzlichen negativen Bescheides des Bundesministers für Inneres (am 22. September 1993) geendet. Seither sei der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Sie und ihr Gatte lebten von Erspartem. In Österreich hätten beide sonst keine Verwandten und seien sie auch noch keiner Beschäftigung nachgegangen. Da sich die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Gatten im Bundesgebiet aufhalte, werde durch die Ausweisung in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) erscheine es dringend geboten, Fremde, die unter Umgehung der für eine Einreise in das Bundesgebiet geltenden Bestimmungen in dieses gelangt seien, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu gestatten; der Erteilung einer allfälligen Aufenthaltsbewilligung stehe der zwingende Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG entgegen und der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung werde vom Ausland aus zu stellen sein (§ 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht zu entnehmen, daß sie in Vietnam der Todesstrafe oder sonst einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sei. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie hätte im Falle der Rückkehr nach Vietnam "gravierende Nachteile" zu gewärtigen, reiche zur Dartuung stichhaltiger Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 nicht aus. Würden die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 FrG auf die Beschwerdeführerin zutreffen, wäre sie zumindest als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen. Es sei aber den Ausführungen des Bundesministers für Inneres in seinem Bescheid vom 23. August 1993 beizupflichten, daß die von der Beschwerdeführerin im Asylverfahren angeführten Schwierigkeiten mit dem kommunistischen Regime, ohne daß sie konkrete Verfolgungshandlungen gegen sie hätte anführen können, nicht als ausreichend angesehen werden können, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zu begründen. Die bloße ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden innen- und außenpolitischen System bilde für sich noch keinen Grund, einen Fremden als Flüchtling anzuerkennen. Wenn die Beschwerdeführerin meine, sie hätte bei einer Rückkehr nach Vietnam gravierende Nachteile zu gewärtigen, was schon daraus zu ersehen sei, daß ihr von der Vertretungsbehörde in Österreich Schwierigkeiten bei der Erlangung eines vietnamesischen Reisepasses gemacht worden seien, müsse ihr entgegengehalten werden, daß daraus ebenfalls nicht zu ersehen sei, daß ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein würden. Es seien somit keine stichhaltigen Gründe für die Annahme zu ersehen, daß der Beschwerdeführerin Gefahren im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG drohen würden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Was die mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung anlangt, so zieht die Beschwerdeführerin die - nach den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen unbedenkliche - Auffassung der belangten Behörde, sie halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, nicht in Zweifel. Sie macht vielmehr geltend, daß die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG unzulässig, weil nicht dringend geboten sei. Hätte die belangte Behörde auf die Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht verzichtet, hätte sie wesentliche Aufschlüsse darüber erfahren, wie durch eine Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen werde.

Die belangte Behörde ist ohnehin von einem im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgegangen, so daß in der Unterlassung der Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin kein relevanter Verfahrensmangel erblickt werden kann. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, mit denen begründet wird, warum die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei, begegnen seitens des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken. Dazu kommt, daß einerseits die Beschwerdeführerin trotz des negativen letztinstanzlichen Asylbescheides im Inland verblieb, und daß andererseits entgegen der offensichtlichen Annahme der Beschwerdeführerin ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse ist. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Von daher gesehen ist eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht, daß das Dringendgebotensein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Sinne des § 19 FrG mit der belangten Behörde zu bejahen ist.

Gegen die in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung bringt die Beschwerdeführerin vor, daß bei "exakter rechtlicher Auslegung des § 37 Abs. 1 und 2 FrG" aufgrund des festgestellten Sachverhaltes die Unzulässigkeit ihrer Abschiebung festgestellt hätte werden müssen. Darüber hinaus wird vorgebracht, daß der bloße Hinweis auf die Ergebnisse des Asylverfahren keinesfalls ausreichend sei, sondern auch von Amts wegen wesentlich gründlichere Feststellungen zu treffen seien. Es gehe im Falle der Beschwerdeführerin nämlich nicht allein darum, daß sie im Ausland Asyl beantragt habe, sondern ihr werde in ihrem Heimatland Republikflucht vorgeworfen. Bei einer eventuellen Rückkehr nach Vietnam drohten ihr gravierende Nachteile. Sie würde sofort verhaftet und unter unmenschlichen Bedingungen in Haft angehalten werden. Für den Fall der Entlassung aus der Haft sei die finanzielle Existenzmöglichkeit in ihrem Heimatland nicht gegeben, weil ihr einerseits keine Arbeit zugewiesen werden würde und andererseits sie gezwungen würde, jene Kosten, die in ihre Ausbildung von staatlicher Seite investiert worden seien, an den Staat zurückzuzahlen.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0049, mit weiteren Nachweisen). Dieser Verpflichtung hat die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung der unbedenklichen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht entsprochen. Zum einen geht aus dem Vorbringen nicht hervor, daß das Leben oder die Freiheit der Beschwerdeführerin aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wären (§ 37 Abs. 2 FrG); zum anderen entbehrt die behauptete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung (§ 37 Abs. 1 FrG) jeglicher näher konkretisierter Untermauerung. Eine bloß lapidare Behauptung in dieser Richtung reicht zur Glaubhaftmachung des Vorbringens stichhaltiger Gründe nicht hin. Mangels eines entsprechend konkretisierten Tatsachenvorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren handelte die belangte Behörde somit nicht rechtswidrig, wenn sie von der Vornahme weiterer Ermittlungen Abstand nahm. Dazu, daß die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens in Ansehung des § 37 Abs. 2 FrG - nur insoweit hat die belangte Behörde auf den Bescheid des Bundesministers für Inneres bezug genommen - nicht unzulässig, ja vielmehr naheliegend ist, wird im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0256, verwiesen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210012.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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