TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/27 95/21/0890

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Veröffentlicht am 27.09.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8;
StGB §83 Abs1;
StGB §84;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. B, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. Mai 1995, Zl. FrB-4250/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 31. Mai 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 21 Fremdengesetz ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich. Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 24. April 1992 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen und mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 4. März 1994 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt worden sei. Weiters lägen gegen den Beschwerdeführer insgesamt fünf rechtskräftige Verwaltungsstrafen vor. Durch die genannten rechtskräftigen Verurteilungen, denen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen zugrundelägen, seien gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz bestimmte Tatsachen gegeben, die gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. die Annahme rechtfertigten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Der Einwand des Beschwerdeführers, er sei zu Unrecht verurteilt worden, sei nicht relevant, weil beide Urteile in Rechtskraft erwachsen seien. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 15. Oktober 1990 in Österreich; seine Frau lebe mit den Kindern in der Türkei. Obwohl der Beschwerdeführer arbeitslos und seine gesamte Familie in der Türkei aufhältig sei, werde durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zweifelsohne in das Privatleben des Fremden eingegriffen. Dies sei jedoch gemäß § 19 leg. cit. zulässig, weil die befristete Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Der Grad der Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei aufgrund der vorliegenden Umstände als geringfügig zu werten. Wegen der Straftaten und des daraus ersichtlichen Charaktermangels wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft Bludenz als erstinstanzlicher Behörde, welche mit Bescheid vom 2. März 1995 gleichzeitig die Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagt und ein Aufenthaltsverbot für fünf Jahre erlassen hat, wendet, ist ihm zu entgegnen, daß eine allfällige Rechtswidrigkeit erstinstanzlicher Bescheide im Verwaltungsgerichtshofverfahren nicht überprüft werden kann (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 592).

2. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens sieht der Beschwerdeführer in der behaupteten Unterlassung der belangten Behörde, auf die Einwendungen und Stellungnahmen des Beschwerdeführers zur Richtigkeit der gerichtlichen Verurteilungen als auch der Verwaltungsübertretungen einzugehen. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch nicht das Vorliegen rechtskräftiger Urteile und Bescheide. Die behauptete Unrichtigkeit der gerichtlichen Verurteilungen hatte die belangte Behörde nicht zu prüfen, weil § 18 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz allein auf die Rechtskraft der gerichtlichen Verurteilung abstellt. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Handlungen nicht begangen zu haben, ist fremdenrechtlich nicht von Bedeutung. Sein Vorbringen zu den festgestellten Verwaltungsübertretungen ist schon deshalb bedeutungslos, weil die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht auf § 18 Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz gestützt hat. Die im Zusammenhang mit dem genannten Fragenkreis erhobene Verfahrensrüge geht somit ins Leere.

3. Zu Unrecht wendet sich der Beschwerdeführer gegen die zutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Diese Auffassung stößt unter Berücksichtigung des die öffentliche Sicherheit und die körperliche Integrität anderer Personen im starken Maß gefährdenden Verhaltens des Beschwerdeführers auf keine Bedenken.

4. Auch mit seinem allgemeinen Verweis auf den Inhalt des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des Ergebnisses der im Grunde des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vorgenommenen Interessenabwägung durch die belangte Behörde nicht aufzuzeigen. Dem nicht sehr langen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich steht der Umstand entgegen, daß sowohl seine Ehefrau als auch seine Kinder in der Türkei leben. Die behauptete soziale Integration des Beschwerdeführers in Österreich muß gegen das starke öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zwecks Verhinderung weiterer gegen die körperliche Integrität anderer Personen gerichteter Straftaten in den Hintergrund treten. Die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers durch Erlassung des Aufenthaltsverbotes wiegen im Grunde des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz keineswegs schwerer als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung für die öffentliche Sicherheit.

5. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, wesentliche Anträge seien durch die belangte Behörde übergangen worden, unterläßt er es, konkret aufzuzeigen, bei Befolgung welcher Anträge die belangte Behörde zu welchen Feststellungen gelangen hätte können, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis geführt hätten.

6. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210890.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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