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21/01 Handelsrecht;Norm
GrEStG 1987 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der N-AG in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. März 1994, Zl. GA 9-326/1/93, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die N-AG als übertragende Gesellschaft und die N-Holding AG als Nachfolgeunternehmerin gemäß § 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG), BGBl. Nr. 187/1954 idgF, schlossen am 27. Oktober 1989 folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Übertragungsvertrag:
"1. In der außerordentlichen Hauptversammlung der N-AG vom 27. Oktober 1989 wurde beschlossen, die Gesellschaft durch Übertragung auf die Hauptgesellschafterin, die N-Holding AG, als Nachfolgeunternehmerin nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes auf der Grundlage der Bilanz zum 30. (dreißigsten) Juni 1989 (neunzehnhundertneunundachtzig) umzuwandeln.
2. Die N-AG überträgt hiermit unter Vorbehalt der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister ihr gesamtes Vermögen gemäß der Umwandlungsbilanz zum 30. (dreißigsten) Juni 1989 (neunzehnhundertneunundachtzig), somit alle ihre Vermögenswerte, Rechte, Ansprüche und Verbindlichkeiten mit Bilanzstichtag auf die N-Holding AG.
3. Mit diesem Zeitpunkt gelten alle zum Unternehmen der N-AG gehörigen Aktiven und Passiven als der N-Holding AG übergeben, die von da an alle Lasten dieser Vermögensmasse trägt, für Gefahr und Zufall haftet und alle Besitzrechte genießt. Das Unternehmen der übertragenden Gesellschaft gilt ab dem 30. Juni 1989 als für Rechnung der Nachfolgeunternehmen geführt.
...
8. Die N-AG nimmt zur Kenntnis, daß das Unternehmen nach einer Änderung des Firmenwortlautes der N-Holding AG unter der Firma N-AG weitergeführt wird und stimmt dieser Weiterführung zu.
9. Die N-Holding AG verpflichtet sich, den übrigen Gesellschaftern der N-AG eine bare Abfindung innerhalb von zwei Monaten nach Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister zu bezahlen, die je S 7.500,-- (Schilling siebentausendfünfhundert) Nominale einer Aktien
S 1.000,-- (Schilling eintausend) beträgt. Die Angemessenheit dieses Abfindungsbetrages wurde durch ein Gutachten der I Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. bestätigt.
...
12. Zum Vermögen der N-AG gehören die in Anlage ./3, die einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet, angeführten Liegenschaften. Diese werden in Durchführung des Umwandlungsbeschlusses von der N-AG auf die N-Holding AG übereignet und übertragen und von letzterer übernommen und erworben."
Mit Bescheid vom 20. Jänner 1993 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien auf Grund dieses Übertragungsvertrages ausgehend von der Gegenleistung in der Höhe von S 263,934.060,-- Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 9,237.692,-- vor. Die Gegenleistung für die Liegenschaften ermittelte das genannte Finanzamt durch Addition der von der aufnehmenden Gesellschaft übernommenen Schulden und Lasten mit dem Wert der mit der Umwandlung untergegangenen Anteile und den ausscheidenden Gesellschaftern zu gewährenden Barabfindungen und berechnete im Wege einer Verhältnisrechnung den Teil, der von der Gesamtgegenleistung auf den Erwerb der Liegenschaften entfiel.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, es sei die Steuer vom Einheitswert der Liegenschaften zu bemessen, weil keine Gegenleistung vorliege.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte aus, der steuerpflichtige Erwerb sei § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 zu unterstellen und die Steuerschuld sei mit Genehmigung des Umwandlungsvertrages entstanden. Der Umwandlungsvertrag stelle das Verpflichtungsgeschäft dar, welches den Erwerb der Liegenschaften begründe. Wenn bereits der Umwandlungsvertrag der grunderwerbsteuerbare Vorgang sei, dann sei zweifelsohne ein Empfänger der Gegenleistung vorhanden. Empfänger der Gegenleistung sei der Vertragspartner, der das Recht auf Durchführung der vereinbarten Leistungen erwerbe. Der Umfang der Gegenleistung für die Aktiva der übertragenden Gesellschaft liege in den übernommenen Schulden, in dem Verzicht auf die vorhandenen Gesellschaftsrechte sowie in den den ausscheidenden Gesellschaftern zu gewährenden Barabfindungen.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B 940/94-6, die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Vorschreibung der Grunderwerbsteuer auf Grundlage des Wertes der Grundstücke verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall liegt eine sogenannte "verschmelzende Umwandlung auf eine bestehende Aktiengesellschaft" vor, bei der ohne Liquidation der Gesellschaft das Unternehmen im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge auf die bestehende Gesellschaft übergeht. Die verschmelzende Umwandlung stellt nach ihrem wirtschaftlichen Effekt eine Verschmelzung dar (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht2, 295).
Der Umwandlungsvertrag vom 27. Oktober 1989 ist die Vereinbarung zwischen der übertragenden Gesellschaft und der Nachfolgeunternehmerin über die Übertragung des Vermögens der übertragenden Gesellschaft; er ist unter anderem das Verpflichtungsgeschäft, das erst mit Beschluß der Hauptversammlung gemäß § 2 UmwG wirksam wird. Damit ist aber auch der Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG erfüllt, weil der Erwerbsvorgang nach dieser Bestimmung bereits durch das Verpflichtungsgeschäft verwirklicht ist (vgl. zuletzt Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/16/0074).
Strittig im Beschwerdefall ist nun, ob der (Einheits-)Wert der Grundstücke oder die Gegenleistung als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer heranzuziehen ist.
Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.
Die Steuer ist nach Abs. 2 Z. 1 leg. cit. vom Wert des Grundstückes zu berechnen, soweit eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist.
Was als Gegenleistung zu verstehen ist, wird im § 5 GrEStG nicht erschöpfend aufgezählt. Der Begriff der Gegenleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Er umfaßt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstückes empfängt (vgl. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zlen. 92/16/0179 bis 0185, samt angeführter Rechtsprechung).
Um das Vermögen der übertragenden Gesellschaft und damit auch deren Grundstücke zu erhalten, hat sich die Nachfolgeunternehmerin im Vertrag vom 27. Oktober 1989 zu bestimmten Leistungen verpflichtet bzw. solche erbracht. Neben den übernommenen Schulden und Lasten, hat sie die ausscheidenden Gesellschafter bar abgefunden (Punkt 9 des Vertrages). Daß dabei die Erbringung der Leistungen an Dritte und nicht an die in diesem Zeitpunkt noch nicht aufgelöste übertragende Gesellschaft versprochen wurde, ändert daran nichts, weil Leistungen durch ihre Erbringung an Dritte nicht ihren Charakter als Gegenleistung verlieren, wenn sie für den Erwerb der Grundstücke erbracht werden. Die vertragliche Übernahme von Leistungen, sei es gegenüber dem Vertragspartner oder einem Dritten durch den Erwerber stellt nämlich auch eine Gegenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG dar (vgl. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 92/16/0115). Dies trifft im Beschwerdefall zu, sodaß die Barabfindungen an die ausscheidenden Gesellschafter zu Recht Teil der Bemessungsgrundlage sind.
Aber auch der Verzicht auf Gesellschaftsrechte an der übertragenden Gesellschaft ist Teil der Bemessungsgrundlage (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 18. November 1993, Zlen. 92/16/0179 bis 0185). Der erklärte Verzicht des Erwerbers auf ein Recht, das den Veräußerer belastet, ist eine Gegenleistung, wenn der Veräußerer diesen Verzicht fordern kann. Bei der Umwandlung erhält die übertragende Gesellschaft die Rechtsmacht, den Vermögensübergang und damit ihren Untergang und den Untergang der Gesellschaftsrechte herbeizuführen (vgl. BFH vom 25. Jänner 1989, II R 28/86, und Boruttau-Egly-Siegloch, Grunderwerbsteuergesetz13, Rz. 539 zu § 9, samt BFH-Rechtsprechung und gegenteiliger Deutscher Lehrmeinungen).
Daran vermögen auch die auf Literaturmeinungen (Lang, ÖStZ 1988, 214 ff, und ÖStZ 1989, 159 ff, sowie Hügel, RdW 1993, 55 ff) gestützten Beschwerdeausführungen nichts zu ändern. Die belangte Behörde ist zu Recht vom Vorliegen einer Gegenleistung im Beschwerdefall bestehend aus der anteiligen Übernahme der Schulden und Lasten, dem anteiligen Wert der mit der Umwandlung untergegangenen Anteile und dem anteiligen Betrag der an die ausscheidenden Gesellschafter zu gewährenden Barabfindungen ausgegangen. Die Berechnung der Gegenleistung wurde in der Beschwerde nicht bekämpft. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhalts.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994160142.X00Im RIS seit
07.06.2001