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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Juni 1995, Zl. SD 729/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instenzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Juni 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer, der (mit Unterbrechungen) seit dem Jahre 1974 in Österreich lebe, sei von österreichischen Gerichten wie folgt rechtskräftig verurteilt worden:
Im Jahre 1989 wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Vorbehalt der Strafe,
ebenfalls im Jahre 1989 wegen gefährlicher Drohung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat,
im Jahre 1991 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Wochen,
im Jahre 1993 wegen Verbrechens des Suchtgifthandels und des Sichtgiftbesitzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten,
im Jahre 1993 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten und
im Jahre 1995 wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und unbefugten Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe.
Es bestünde daher kein Zweifel, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG (in mehrfacher Hinsicht) verwirklicht sei und die (im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene) Annahme gerechtfertigt sei, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit gefährde. Es könne kein Zweifel bestehen, daß das Aufenthaltsverbot einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Das Aufenthaltsverbot sei aber im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, die es mit allen rechtlichen Mitteln zu bekämpfen gelte, zum Schutz der Gesundheit, der Rechte anderer und der Verhinderung strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig).
Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen trotz weitgehender sozialer Integration schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer eine Suchtgiftentziehungstherapie beinahe abgeschlossen habe, sei nicht geeignet, die mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen Gefahren auszuschließen oder als gering einzuschätzen. Auch die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Mit Rücksicht auf das (geringe) Alter des Beschwerdeführers sei die Bemessung des Aufenthaltsverbotes für die Dauer von zehn Jahren ausreichend.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde wird zunächst ausgeführt, daß die Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz - trotz zunächst eingeleiteten Verfahrens - nicht zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes geführt habe. In der Folge sei der Beschwerdeführer lediglich wegen Waffenbesitzes und nicht auch - wie dies unrichtigerweise aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehe - wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Letztlich stelle daher ausschließlich die Verurteilung nach dem Waffengesetz den Anlaß für das Aufenthaltsverbot dar.
1.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nicht nur dessen bisher letzte gerichtliche Verurteilung, sondern sämtliche im angefochtenen Bescheid aufgezählten gerichtlichen Verurteilungen zum Anlaß für das Aufenthaltsverbot genommen. Aufgrund dieser Verurteilungen ist aber - auch ohne Berücksichtigung der bisher letzten - der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Die Ansicht der belangten Behörde, daß im vorliegenden Fall auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet allein schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0927) keinen Bedenken.
Daß die Fremdenbehörde unmittelbar nach der Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels kein Aufenthaltsverbot verhängte, ist auf das vorliegende Verfahren ohne Einfluß.
1.3. Daß mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein "sehr schwerwiegender Eingriff" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG verbunden ist, wurde von der belangten Behörde berücksichtigt. Ihre Beurteilung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Rechte anderer und zum Schutz der Gesundheit, dringend geboten sei, entspricht ebenfalls der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0927).
1.4. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG führt der Beschwerdeführer ins Treffen, daß er seit zwanzig Jahren in Österreich lebe. Hier lebten auch seine Eltern und sein Kind. Er sei berufstätig und krankenversichert und habe keinerlei Beziehungen mehr zu seiner Heimat. Die gerichtlichen Verurteilungen seien im wesentlichen auf seine "Suchtgiftergebenheit" zurückzuführen, von welcher er sich nunmehr befreien habe können.
1.5. Den (mit Unterbrechungen) seit zwanzig Jahren bestehenden inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde berücksichtigt. Der daraus und aus der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers abzuleitenden Integration kommt jedoch kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0286). Auch das Gewicht der Beziehung zu den Eltern wird schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer erwachsen ist, relativiert (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/0286). Daß ungeachtet dessen eine besonders enge Beziehung zu den Eltern besteht, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Unterhaltsleistungen für sein Kind, welche der Beschwerdeführer - wie die Verurteilungen wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zeigen - ohnehin nicht vollständig erbracht hat, kann er auch aus dem Ausland leisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0887).
Im Hinblick darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0202 m.w.N.), begegnet das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG keinen Bedenken. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, sich nunmehr (aufgrund einer Therapie) von der Suchtgiftabhängigkeit befreit zu haben, ist nicht geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr für die von der belangten Behörde genannten öffentlichen Interessen auszuschließen oder als nur gering einzuschätzen (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0927).
2. Wie bereits ausgeführt, ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer zuletzt nur wegen unerlaubten Waffenbesitzes oder auch wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurde, gerechtfertigt. Der mit dem Beschwerdevorbringen, die Feststellung der Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung sei unrichtig, geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Aktenwidrigkeit) fehlt es daher an der Wesentlichkeit.
3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995181212.X00Im RIS seit
20.11.2000