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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Oktober 1994, Zl. 102.429/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. Oktober 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. November 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß §§ 2 und 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes - AufG (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen.
Nach der zuletzt zitierten Gesetzesstelle dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und in der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen sei.
2.1. Unbeschadet dessen hält der Beschwerdeführer den bekämpften Bescheid für rechtswidrig, weil ihm in beiden Instanzen das Parteiengehör nicht gewährt worden sei und überdies die belangte Behörde sich mit seinem Berufungsvorbringen, wonach auf ihn die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 (zweiter Satz) AufG anzuwenden sei, nicht auseinandergesetzt habe. Ferner hätte die belangte Behörde im Hinblick auf sein Vorbringen, "bosnischer Flüchtling" und nach dem 30. April 1994 nach Österreich eingereist zu sein, "von sich aus eine Überprüfung der Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 12 AufG vorzunehmen gehabt". Schließlich sei die belangte Behörde auch nicht auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 8 MRK eingegangen.
2.2.1. Im Grunde des § 9 Abs. 3 AufG kommt es nicht allein darauf an, ob ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 AufG besteht, vielmehr schließt die Wendung "Anträge gemäß § 3" die Bedachtnahme auch auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 leg. cit. mit ein. Die Behörde hat somit - bei entsprechendem Vorbringen des Fremden im Verfahren - auch diese Bestimmung in ihre Erwägungen einzubeziehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 94/18/0870).
2.2.2. Diesem Gebot hat die belangte Behörde nicht entsprochen. Obwohl der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 15. April 1994 mit konkretem und auch entsprechend belegtem Vorbringen die Anwendung der Ausnahmeregelung (Ermessensbestimmung) des § 3 Abs. 3 zweiter Satz AufG auf seinen Fall für geboten erachtet hat, ist die belangte Behörde im Rahmen der hier angefochtenen Entscheidung auf dieses Vorbringen nicht eingegangen. Im Hinblick auf das oben 2.2.1. Gesagte wäre sie hiezu verpflichtet gewesen. Für den Fall, daß ihr die einschlägigen Berufungsausführungen nicht hinreichend konkret und/oder die angebotenen Unterlagen nicht ausreichend erschienen sein sollten, sie also Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers gehabt haben sollte, wäre sie gehalten gewesen, diese Zweifel durch Gewährung des Parteiengehörs auszuräumen und solcherart (allenfalls durch zusätzliche Ermittlungsschritte) den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen (§ 37 AVG).
3. Da die der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel, deren Wesentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG nicht ausgeschlossen werden kann, offensichtlich (vgl. die Bescheidbegründung, die ausschließlich auf den "in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch" abstellt) auf ein Verkennen der Rechtslage zurückzuführen sind, war der angefochtene Bescheid, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des die Stempelgebühren betreffenden Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage lediglich einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180971.X00Im RIS seit
02.05.2001