TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/28 95/06/0032

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Veröffentlicht am 28.09.1995
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs3 Z3 impl;
VwGG §49 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde 1. des F V, und 2. des K V, beide in I und beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tir LReg vom 24. November 1994, Zl. Ve1-550-2249/4, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mP:

1. R GesmbH in I, und 2. Gemeinde I, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 6. Juni 1994 ersuchte die erstmitbeteiligte Partei um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Siedlungsanlage bestehend aus fünf Reihenhäusern und zwei Wohnblöcken auf Grundparzelle 292/2, KG. I. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. August 1994 wurde diese Bewilligung unter Beifügung einer Reihe von Auflagen erteilt. Eine Berufung der Beschwerdeführer, die Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft (Gp 299/2) sind, gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 1994 abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer erging der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde, mit welchem die Vorstellung abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführer in der am 17. Juni 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgebracht hätten, daß sie gegen das Bauvorhaben deshalb Einspruch erheben, weil am unteren Teil des Baugrundstückes ein landwirtschaftliches Servitut zugunsten der Grundparzelle 299/2 bestehe und durch die beabsichtigte Bauführung dieses Servitutsrecht der Vorstellungswerber in Anspruch genommen würde. Darüberhinaus sei darauf hingewiesen worden, daß der Zufahrtsweg zum Baugrundstück oberhalb des Hauses des Erstbeschwerdeführers zu Beeinträchtigungen dieses Hauses führen könne. Nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes und Darstellung der Rechtslage hinsichtlich der Parteistellung der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren und der möglichen Präklusion setzt sich die belangte Behörde mit den Einwänden betreffend das Fehlen einer entsprechenden Zufahrt und der Gefährdung, die für das Haus des Beschwerdeführers durch Mängel der Zufahrtsstraße entstehen könnten, sowie der Schmälerung des Weiderechtes auseinander. Mit diesen Einwänden würden keine subjektiv öffentlichen Rechte geltend gemacht.

Zum behaupteten Verfahrensmangel der Befangenheit des Vizebürgermeisters, der an der Abstimmung über die Berufung teilgenommen hatte, wird ausgeführt, daß der Beschluß einstimmig gefaßt worden sei, sodaß selbst unter der Annahme der Befangenheit eines Gemeindevorstandsmitgliedes kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der ausdrücklich die Verletzung "im subjektiven öffentlichen Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren" und im subjektiv-öffentlichen Recht "auf Einhaltung der Abstandsvorschriften gemäß § 30 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 1 TBO" und des Rechtes "auf Eignung der Beschaffenheit des Bauplatzes gemäß § 30 Abs. 4 iVm § 4 TBO" geltend gemacht wird und überdies der Sache nach die schon im Administrativverfahren geltend gemachte Beeinträchtigung des Weiderechts und die Frage der Eignung der Zufahrt zum Baugrundstück als Rechtsverletzungen behauptet werden. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die mitbeteiligte Gemeinde hat eine Stellungnahme zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zu den Abstandsvorschriften:

In der mündlichen Verhandlung am 17. Juni 1994, zu der die Beschwerdeführer nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden, hat der (damalige) Vertreter der Beschwerdeführer Einwendungen hinsichtlich des von den Beschwerdeführern behaupteten Servitutsrechtes und der Eignung des Zufahrtsweges zum Baugrundstück erhoben. Eine Einwendung hinsichtlich des Seitenabstandes wurde in dieser Verhandlung nicht erhoben (sondern der Seitenabstand erstmals in der Berufung angesprochen). Die belangte Behörde ist daher im Recht, wenn sie davon ausgeht, daß andere als die genannten Einwendungen präkludiert sind. Die Beschwerdeführer können in dem in der Beschwerde geltend gemachten Recht auf Einhaltung von Seitenabständen im Hinblick auf die eingetretene Präklusion nicht verletzt sein. Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen bezüglich der Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG geht schon deshalb ins Leere, da die Beschwerdeführer in der Verhandlung am 17. Juni 1994 durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten waren.

2. Zur Eignung der Beschaffenheit des Bauplatzes:

Gemäß § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, BGBl. Nr. 33/1989, in der Fassung des Landesgesetzes LBGl. Nr. 7/1994, können subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b

des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Vorschriften betreffend die Beschaffenheit des Bauplatzes enthält - wie in der Beschwerde richtig dargelegt wird - § 4 Tiroler Bauordnung 1989. Insoweit könnten Anrainer eines Bauvorhabens nach der Tiroler Bauordnung tatsächlich in bestimmten Belangen entsprechende Einwendungen erheben. Wie oben bereits dargestellt, wurden derartige Einwendungen jedoch in der mündlichen Verhandlung am 17. Juni 1994 nicht erhoben (eine etwaige Gefährdung wurde lediglich im Zusammenhang mit dem Zufahrtsweg zum Baugrundstück geltend gemacht). Soweit die Beschwerdeführer sich nunmehr auf Gefährdungen durch die Errichtung der Siedlungsanlage selbst berufen wollen, ist diese Einwendung somit ebenfalls präkludiert. Wenn in diesem Zusammenhang in der Beschwerde behauptet wird, die Beschwerdeführer hätten "während des gesamten Verfahrensverlaufes wiederholt auf die Gefährdung hingewiesen, die aus der Hanglage des Baugrundstückes bzw. der Zufahrt zu diesem" resultiere, so ist dieses Vorbringen aktenwidrig (vgl. insbesondere die genannte Verhandlungsschrift vom 17. Juni 1994, die nur die oben wiedergegebenen Einwendungen enthält und vom damaligen Vertreter der Beschwerdeführer gezeichnet ist; auch in der Beschwerde wird - abgesehen davon, daß dies angesichts des Unterbleibens von Einwendungen gegen das im Protokoll über die mündliche Verhandlung Festgehaltene gemäß § 15 AVG nunmehr auch nicht mehr beachtlich wäre - nicht behauptet, daß die genannte Niederschrift nicht vollständig wäre; eine allenfalls vor der Verhandlung eingebrachte Stellungnahme findet sich ebenfalls nicht im Akt). Der angefochtene Bescheid ist daher auch insoweit nicht rechtswidrig.

3. Zum geltend gemachten Verfahrensmangel betreffend die Mitwirkung eines befangenen Organs:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß an der Abstimmung über die Berufung im Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde auch der Vizebürgermeister, der zugleich Obmann der Agrargemeinschaft der mitbeteiligten Gemeinde sei, mitgewirkt habe. Diese Agrargmeinschaft sei zum Zeitpunkt der Bauverhandlung noch Eigentümerin der Bauparzelle GP 292 gewesen. Im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse der Agrargemeinschaft an der reibungslosen Abwicklung der Veräußerung sei Befangenheit anzunehmen.

Zu diesem Vorbringen ist auf die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung hinzuweisen, die der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht. Da der Berufungsbescheid auf einem einstimmigen Beschluß des Gemeindevorstandes beruht, kann der Hinweis auf die Befangenheit eines einzelnen Mitglieds des Gemeindevorstandes keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufzeigen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis VwSlg. 8171 A/1972).

4. Zur Frage der Zufahrt zum Bauplatz:

Soweit in der Beschwerde auch inhaltliche Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die Problematik der Zufahrtsstraße geltend gemacht wird, ist folgendes auszuführen:

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, gewährt § 30 Abs. 4 Tir BauO kein subjektives Recht des Nachbarn hinsichtlich der Beschaffenheit der Zufahrt zum Bauplatz (vgl. Hauer, Tiroler Baurecht2, E 33 zu § 30). Der angefochtene Bescheid ist daher auch insoweit nicht rechtswidrig; eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer durch die erteilte Baubewilligung liegt daher nicht vor.

In gleicher Weise ist keine Rechtsverletzung im Hinblick auf das geltend gemachte Weiderecht gegeben, da auch insoweit der Hinweis der belangten Behörde auf die hg. Rechtsprechung zutreffend ist. Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht stattgefunden haben, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenbegehrens der mitbeteiligten Gemeinde stützt sich auf § 48 Abs. 3 Z. 3 VwGG, demzufolge nur für die schriftliche Äußerung zur Beschwerde selbst, nicht jedoch für Schriftsätze, die allein zur Frage der aufschiebenden Wirkung Stellung nehmen, Schriftsatzaufwand vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1984, Zl. 83/03/0316).

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare UnrichtigkeitenSchriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des PauschbetragesNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Befangenheit innerhalb der GemeindeverwaltungEinfluß auf die SachentscheidungBefangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060032.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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