TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/28 95/06/0044

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Veröffentlicht am 28.09.1995
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Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
BauO Tir 1989 §27 Abs1;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauO Tir 1989 §50 Abs1;
BauRallg;
GdO Tir 1966 §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Dezember 1994, Zl. Ve1-550-2218/1-3, betreffend einen baupolizeilichen Abtragungsauftrag und eine Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstands der Gemeinde St. Johann im Walde vom 29. Juli 1993 hinsichtlich des Ausspruches betreffend den Abtragungsauftrag durch den Bescheid der Aufsichtsbehörde erster Instanz vom 4. Juli 1994 bestätigt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Grundparzelle in der KG S, auf welcher ein Alpgebäude steht. Dieses Gebäude besteht nach den Feststellungen der Behörden der Gemeinde St. Johann im Walde aus einem in jüngerer Zeit errichteten Wohnteil im Ausmaß von 5,60 m X 5,40 m und einem daran hangaufwärts anschließenden, älteren Wirtschaftsteil, bestehend aus einem Stall. Über beide Teile des Gebäudes wurde ein Dach errichtet, welches sich über Wohnteil und alten Wirtschaftsteil hinzieht. Nachdem ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung des Rechtsvorgängers des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden war, erging am 24. Juni 1992 ein Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Johann im Walde, mit welchem dem Beschwerdeführer ein Abbruchauftrag erteilt wurde. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der Bescheid des Gemeindevorstands der Gemeinde St. Johann im Walde vom 29. Juli 1993, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Entgegen dem vom Bürgermeister gem. Par. 44 Abs. 3 lit. a Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33 anfangs 89 TBO, am 24.06.1992 erteilten Abbruchsauftrages wird der Abbruch des im Grenzbereich der Grundstücke Nr. n1, n2 und n3, jeweils KG S situierten Gebäudes, bestehend aus einem ca. 5,60 X 5,40 m großen Wohnteil (Wohnküche und anschließendes Zimmer mit zwei Stockbetten) und daran hangaufwärts anschließendem Wirtschaftsteil, errichtet aus altem Holz, teilweise Rundholzstämmen, außen mit Schindeln verkleidet, mit neu errichtetem Dachstuhl und mit Wellpappe eingedeckt, nicht aufgetragen bzw. ein Weiterbestand des betr. Alpgebäudes lt. eines Beschlusses des Gemeindevorstandes vom 04.05.1993 (Abstimmungsergebnis 2:1) genehmigt. Ein Abbruch ist daher nicht durchzuführen."

Dieser Bescheid wurde von der Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Bescheid vom 4. Juli 1994 in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 113 Tiroler Gemeindeordnung i.V.m. § 68 Abs. 4 lit. a und d (gemeint: Z. 1 und 4) AVG aufgehoben. Begründet wurde diese Aufhebung im wesentlichen damit, daß nach der rechtskräftigen Abweisung des Bauansuchens des Rechtsvorgängers des Beschwerdeführers der Gemeindebehörde keine Kompetenz mehr zukam, über die Zulässigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens abzusprechen. Der Gemeindevorstand sei lediglich zuständig gewesen, über die Rechtmäßigkeit des vom Bürgermeister erlassenen Abbruchbescheides zu erkennen. Da der Gemeindevorstand in dieser Hinsicht keinerlei Aussage getroffen habe, sei der Bescheid aufzuheben gewesen. Der Gemeindevorstand sei nicht nur unzuständig gewesen, die Erteilung der Baubewilligung widerspräche auch § 31 Abs. 4 lit. a Tiroler Bauordnung 1989, weil das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, in welchem die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abwies, "daß der Nichtigkeitsgrund des lit. d des § 68 Abs. 4 AVG entfällt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten insofern verletzt erachtet, als die belangte Behörde entgegen den geltenden Bestimmungen der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und einen falschen Abbruchsbescheid herbeigeführt habe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat gemäß § 66 Abs. 4 AVG den bei ihr angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheid dahingehend abgeändert, daß die Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 29. Juli 1992 ausdrücklich nur auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt werde.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen - der Behörde erster Instanz folgend - mit der Frage der Erteilung einer Baubewilligung für das in Rede stehende Objekt auseinandergesetzt. Die belangte Behörde hat sich damit auch der Sache nach die Argumentation der Behörde erster Instanz zu eigen gemacht, daß der von der Aufsichtsbehörde erster Instanz aufgehobene Bescheid des Gemeindevorstandes keinen Abspruch über die Berufung gegen den Abbruchauftrag enthalte.

Wie hiezu in der Beschwerde zutreffend festgestellt wird, muß jedoch der Spruchteil, daß "der Abbruch des im Grenzbereich der Grundstücke ... situierten Gebäudes ... nicht aufgetragen" werde, als Entscheidung über die Berufung gegen den Abbruchauftrag gewertet werden.

Wenngleich der belangten Behörde zuzustimmen ist, daß der Gemeindevorstand auf Grund der Berufung gegen den Abbruchauftrag nicht zuständig war, über die Genehmigung des in Rede stehenden Objektes abzusprechen, betrifft diese damit festgestellte Überschreitung der Zuständigkeit durch den Gemeindevorstand nur den Satzteil "bzw. ein Weiterbestand des betr. Altgebäudes lt. eines Beschlusses des Gemeindevorstandes vom 04.05.1993 (Abstimmungsergebnis 2:1) genehmigt." Der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters vom 24. Juni 1992, gegen den sich die Berufung des Beschwerdeführers richtete, sprach nur einen baupolizeilichen Auftrag aus. Die Frage der allfälligen Erteilung einer Baubewilligung für das gegenständliche Objekt war nicht Gegenstand dieses erstinstanzlichen Verfahrens. Der Gemeindevorstand konnte daher aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers nicht über die Frage der Baubewilligung abspreche. Dafür, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich seines 1992 eingebrachten Bauansuchens einen Devolutionsantrag gestellt hätte, finden sich im Akt keinerlei Hinweise; die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde genannte Eingabe vom 12. März 1993, in der der Beschwerdeführer nunmehr einen Devolutionsantrag erblickt, stellt lediglich eine Stellungnahme im Verwaltungsverfahren dar, die keinen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht enthält. So ist das Schreiben insbesondere mit der Formel "Mit der Bitte um Kenntnisnahme" gezeichnet und enthält Ausführungen zur Frage, weshalb der Beschwerdeführer das Gebäude benötige. Der Umstand, daß die Aufforderung des Bürgermeisters der Gemeinde St. Johann am Walde zur Stellungnahme, aufgrund derer diese Eingabe verfaßt wurde, im Bauverfahren erging (und nicht im Verfahren über den Abbruchauftrag), ändert nichts daran, daß im Bauverfahren die Zuständigkeit des Bürgermeisters gegeben war, auch wenn dieser - offenbar irrtümlich - den Beschwerdeführer zur Abgabe einer Stellungnahme gegenüber dem Gemeindevorstand aufgefordert hatte. Aus diesem Verwaltungsgeschehen kann nicht abgeleitet werden, daß es der Wille des Beschwerdeführers gewesen wäre, einen Devolutionsantrag zu stellen. Schließlich ergibt sich auch weder aus der Einleitung noch aus der Begründung des Bescheids des Gemeindevorstands der Gemeinde St. Johann im Walde, daß dieser mit diesem Bescheid etwa den Willen gehabt hätte, aufgrund eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers auch über sein Baubewilligungsansuchen abzusprechen. Insoweit liegt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen (Aufhebungs-)Bescheides vor.

Hinsichtlich der Feststellung, daß der Abbruch nicht aufgetragen werde, bestand jedoch aufgrund der Berufung gegen den Abtragungsauftrag des Bürgermeisters eine Zuständigkeit des Gemeindevorstandes gemäß § 46 Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4. Die Aufsichtsbehörde wäre sohin unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit nur berechtigt gewesen, den Bescheid vom 29. Juli 1993 hinsichtlich des Ausspruches betreffend die Genehmigung des Baus aufzuheben.

Da die belangte Behörde den erstinstanzlichen aufsichtsbehördlichen Bescheid dahingehend abgeändert hat, daß die Aufhebung ausdrücklich nur auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt wird, ist nicht zu untersuchen, ob - wie dies von der Aufsichtsbehörde erster Instanz zumindest für den Teil der Baubewilligung angenommen wurde - die Aufhebung auch hinsichtlich des Auspruches betreffend den Abbruchauftrag etwa im Hinblick auf § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG gerechtfertigt war.

Da die belangte Behörde im Ergebnis auch die Aufhebung des Bescheids des Gemeindevorstands vom 29. Juli 1993 hinsichtlich des Ausspruches über die Berufung gegen den Abtragungsauftrag bestätigt hat (wenngleich sie davon ausgegangen ist, daß dieser Bescheid gar keinen derartigen Abspruch enthalte), ist auch die Aufhebung dieses Teils des Bescheids nur mit der (angeblichen) Unzuständigkeit begründet. Die belangte Behörde hat somit den Bescheid des Gemeindevorstands unzutreffenderweise auch betreffend den Ausspruch über den Abbruchauftrag wegen mangelnder Zuständigkeit des Gemeindevorstandes aufgehoben; der angefochtene Bescheid war daher insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid jedoch die Aufhebung des Bescheids des Gemeindevorstands vom 29. Juli 1993 bezüglich der Wortfolge "bzw. ein Weiterbestand des betreffend Alpgebäudes lt. eines Beschlusses des Gemeindevorstandes vom 04.05.1993 (Abstimmungsergebnis 2:1) genehmigt" bestätigt wurde, war die Beschwerde aus den oben genannten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den verzeichneten Aufwand für Stempelgebühren für eine nichterforderliche Ausfertigung.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Baurecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Parteistellung Parteienantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060044.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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