TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/4 93/15/0126

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Veröffentlicht am 04.10.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §207;
BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §3 Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des Dipl.Ing. E, 2) des Dr. W und 3) des Dr. S, alle in W, alle vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom 14. Juni 1993, Zl. 6/4-4167/92-09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für die Jahre 1983 und 1985 sowie Einkünftefeststellung für diese Jahre, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer betrieben vom Dezember 1982 bis 1988 ein technisches Büro unter der Firmenbezeichnung "ARGE für Biotechnologie" und waren zu je einem Drittel an dieser Gesellschaft beteiligt. Die nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinne aus selbständiger Arbeit wurden gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt. In den den Abgabenerklärungen für die Streitjahre beigelegten Einnahmen-Ausgabenrechnungen führten die Beschwerdeführer u.a. vom Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft erhaltene Einnahmen in Höhe von S 660.000,-- (1983) und S 375.000,-- (1985) an, welche sie als gemäß § 3 Z. 5 EStG 1972 steuerfrei bezeichneten. Die Einkünfte für diese Jahre wurden zunächst erklärungsgemäß festgestellt.

Im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der für die Streitjahre festgestellten Einkünfte gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und versagte in den damit verbundenen Sachbescheiden die für die genannten Beträge in Anspruch genommene Steuerfreiheit mit der Begründung, die Hälfte der öffentlichen Mittel habe von vornherein Entlohnungscharakter für die Förderungsempfänger aufgewiesen, weshalb die Kriterien für die unmittelbare Förderung von Wissenschaft und Forschung im Sinne des § 3 Z. 5 EStG 1972 nicht erfüllt seien. Im Betriebsprüfungsbericht heißt es hiezu, daß von den in Höhe von S 2,150.000,-- projektierten Kosten ein großer Teil - nämlich S 1,064.000,-- - als "Personalkosten" für die Beschwerdeführer gefördert worden sei. Als nachgereichte Begründung für die Wiederaufnahme der Verfahren führte das Finanzamt aus, es sei nicht nur die Tatsache neu hervorgekommen, daß die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit fehlten, die Finanzverwaltung habe auch erstmalig vom Inhalt der bestehenden Vereinbarungen mit dem Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft (neues Beweismittel) erfahren.

In dem die Wiederaufnahms- und Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre betreffenden Berufungsverfahren brachten die Beschwerdeführer vor, es liege kein Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 4 BAO vor. Die streitgegenständlichen Beträge seien in der Beilage zu den Steuererklärungen offen als steuerfrei gemäß § 3 Z. 5 EStG 1972 ausgewiesen worden. Gemäß § 161 Abs. 1 BAO habe die Behörde die Abgabenerklärungen zu prüfen und durch schriftliche Aufforderung den Abgabepflichtigen zu veranlassen, Zweifel zu beseitigen. Bei Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärungen seien die Behörden gemäß Abs. 2 der eben zitierten Gesetzesstelle verpflichtet, die zur Erforschung des Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen. Wenn diese Verpflichtung verletzt werde, so könne nicht davon gesprochen werden, daß Tatsachen neu hervorgekommen seien. Es liege daher kein Wiederaufnahmsgrund vor. Außerdem sei bereits Bemessungsverjährung gemäß § 207 Abs. 2 BAO eingetreten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens sei nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Nun sei aber weder aus den die Streitjahre betreffenden Erklärungen noch aus den jeweiligen Einnahmen- Ausgabenrechnungen hervorgegangen, daß die vom Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft gewährten Zuschüsse zu einem erheblichen Teil Entlohnungscharakter aufgewiesen hätten. Auch seien die zwischen den Beschwerdeführern und dem Forschungsförderungsfonds geschlossenen Übereinkommen erstmalig im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens vorgelegt worden. Selbst wenn das Finanzamt die ihm obliegende Pflicht zur Ermittlung des Sachverhaltes im seinerzeitigen Verfahren verletzt haben sollte, schließe dies eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen nicht aus. Ob Bemessungsverjährung eingetreten sei, sei nicht schon im Gewinnfeststellungsverfahren, sondern erst in den die einzelnen Beteiligten betreffenden Abgabenfestsetzungsverfahren zu prüfen. Was die abgabenrechtliche Beurteilung der Subventionszahlungen betreffe, so sei im Berufungsverfahren nicht einmal der Versuch unternommen worden, die Feststellungen des Prüfers in bezug auf den Entlohnungscharakter der Zahlungen zu entkräften. Die Beschwerdeführer hätten auch nicht entsprechend der sie bei abgabenrechtlichen Begünstigungen treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände dargetan, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könne. Die Verwaltungsakten böten hingegen keinen Anhaltspunkt für die Feststellung, daß durch die den Beschwerdeführern unbestrittenermaßen zugeflossenen Beträge Wissenschaft oder Forschung unmittelbar gefördert worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Obwohl die Beschwerde einräumt, daß dem Finanzamt bei der abgabenbehördlichen Prüfung "weitere Sachverhaltselemente bekannt wurden", vertritt sie die Rechtsansicht, diese Behörde habe auf Grund der abgabenbehördlichen Prüfung lediglich ihre Rechtsansicht geändert. Sie meint, das Finanzamt wäre seinerzeit auch dann nicht zu einem anderen Bescheid gelangt, wenn es die im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung neu hervorgekommenen Sachverhaltselemente schon in den früheren Feststellungsverfahren gekannt hätte.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend entgegen, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens ausdrücklich auf neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel gestützt wurde und daß im Zeitpunkt der ursprünglich erklärungsgemäß erlassenen Feststellungsbescheide der Entlohnungscharakter der streitgegenständlichen Einnahmen dem Finanzamt unbestrittenermaßen nicht bekannt war, aber im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bekannt wurde. Da nach der hg. Judikatur Bezüge nach § 3 Z. 5 EStG 1972 nicht als steuerfrei zu beurteilen sind, wenn die Mittel auch den Charakter einer Entlohnung des Auftragnehmers aufweisen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 91/13/0164), sind sohin anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung bei Finanzamt Tatsachen neu hervorgekommen, deren Kenntnis schon in den abgelaufenen Feststellungsverfahren im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt hätte. Daß es an den Rechtsvoraussetzungen für die Wiederaufnahme der die Streitjahre betreffenden Feststellungsverfahren gefehlt hätte, trifft daher nicht zu.

Auch die Verjährungseinrede der Beschwerdeführer ist unbegründet, weil nach Lehre und Rechtsprechung Feststellungsbescheide nicht der Bemessungsverjährung unterliegen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, S 2161 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Da weiters kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf die Klarstellung der im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993150126.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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