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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der H-GesmbH in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Vorsitzenden der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 21. Juni 1995, Zl. B-H9-10/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1988 bis 1993 verfügenden Bescheide, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid geht der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt hervor:
Im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung bei der Beschwerdeführerin nahm das Finanzamt unter gleichzeitiger Erlassung neuer Sachbescheide die Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1988 bis 1993 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf. Mit Schriftsätzen ihres steuerlichen Vertreters vom 18. Juli, 19. September und 16. November 1994 ersuchte die Beschwerdeführerin "um Fristverlängerung zur Einbringung einer Berufung gegen die Umsatz-, Gewerbe- (und) Körperschaftsteuerbescheide 1988 bis 1993". Das Fristerstreckungsersuchen wurde ursprünglich mit der Unvollständigkeit der zur Einbringung einer Berufung notwendigen Unterlagen und mit einer in derselben Sache anhängigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid war damit lediglich eine Sachbescheide betreffende Beschwerde gemeint), zuletzt auch noch mit dem Hinweis auf das Vorliegen neuer Erkenntnisse des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften begründet. Dem Fristerstreckungsersuchen gab das Finanzamt jeweils statt. Die sowohl gegen die Wiederaufnahmsbescheide als auch gegen die damit verbundenen Sachbescheide erhobene Berufung vom 19. Jänner 1995 wurde in der Folge ohne Bedachtnahme auf die verspätete Erhebung der Berufung gegen die Wiederaufnahmsbescheide mittels Berufungsvorentscheidung meritorisch erledigt. Nach Stellung des Antrages auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde die Berufung, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1988 bis 1993 richtet, gemäß § 282 in Verbindung mit § 278 und § 273 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Begründend heißt es im wesentlichen, hinsichtlich der Wiederaufnahmsbescheide sei keine Verlängerung der Rechtsmittelfrist beantragt worden. Die Fristerstreckungsanträge hätten auch unter Bedachtnahme auf die jeweils gegebene Begründung keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme geboten, daß die Beschwerdeführerin sich nicht nur die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen die Sachbescheide, sondern auch die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen die Wiederaufnahmsbescheide offenhalten wollte. Die fast sechs Monate nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erhobene Berufung gegen die Wiederaufnahmsbescheide hätte daher schon vom Finanzamt gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO zurückgewiesen werden sollen. Mangels einer solchen Zurückweisung durch das Finanzamt sei diese Maßnahme gemäß § 282 in Verbindung mit § 278 BAO durch den Vorsitzenden des Berufungssenates zu treffen gewesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein strittig, ob sich die erwähnten Ansuchen zur Erstreckung der Berufungsfrist über die Sachbescheide hinaus auch auf die ihnen zugrundeliegenden Wiederaufnahmsbescheide bezogen haben. Die diese Rechtsansicht vertretende Beschwerde stützt sich lediglich auf die örtliche und langjährige Verwaltungspraxis beim Finanzamt, bei dem es bis jetzt immer üblich gewesen sei, Fristverlängerungsansuchen für Berufungen gegen nach abgabenbehördlichen Prüfungen erlassene Bescheide automatisch als beide Bereiche betreffend zu verstehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung von Anbringen zwar nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt des Anbringens ist aber eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zl. 93/13/0213, m.w.N.).
Eine von diesen Grundsätzen abweichende Beurteilung von Anbringen (hier: von Ansuchen um Erstreckung der Berufungsfrist) verletzt, selbst wenn dies der Verwaltungspraxis entsprechen sollte, das Gesetz. Das Unterbleiben der Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Bescheid, welche Verwaltungspraxis beim Finanzamt bestanden hat, stellt keinen Verfahrensmangel dar.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abgewiesen werden. Dies konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995150107.X00Im RIS seit
11.07.2001