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44 ZivildienstNorm
B-VG Art44 Abs1Leitsatz
Entstehen der Zivildienstpflicht und der Ausnahme von der Wehrpflicht bereits ex lege durch die Abgabe einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Erklärung; Verstoß der Bestimmung des ZivildienstG über den Eintritt dieser Rechtsfolgen erst mit Rechtskraft eines Feststellungsbescheides des Innenministers über die rechtswirksame Abgabe dieser Erklärung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Leistung des ZivildienstesSpruch
§2 Abs2 vorletzter und letzter Satz des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. Nr. 679, in der Fassung der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. Nr. 675, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Die aufgehobenen Vorschriften sind nicht mehr anzuwenden.
Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B2069/92 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Der Beschwerdeführer brachte im Juni 1992 beim Militärkommando Steiermark eine Erklärung nach §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. 675, (im folgenden: ZDG), ein, wonach er die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen könne und daher Zivildienst leisten wolle.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 1992 stellte der Bundesminister für Inneres (im folgenden: BMI) fest, daß diese Erklärung nicht rechtswirksam werden könne. Der Spruch des Bescheides lautet:
"Gemäß §5 Abs4 und 5 Z6 ZDG, BGBl. Nr. 675/91, wird festgestellt: Ihre Erklärung vom 23.06.1992, wonach Sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen gegen die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen nicht erfüllen können, kann wegen Fehlens des Lebenslaufes (§2 Abs2 ZDG) nicht rechtswirksam werden."
Der Bescheid ist wie folgt begründet:
"Gemäß §2 Abs2 ZDG hat der Wehrpflichtige der Erklärung nach §2 Abs1 ZDG einen Lebenslauf und eine Strafregisterbescheinigung gemäß §10 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. Nr. 277, beizuschließen, deren Ausstellungsdatum nicht länger als einen Monat zurückliegen darf.
Zu Ihrer Erklärung fehlt der Lebenslauf.
Da das Fehlen des Lebenslaufes gemäß §5 Abs5 Z6 ZDG als gesetzlicher Mangel gilt und für Feststellungen gemäß §5 Abs4 ZDG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Einbringens der Erklärung maßgeblich ist, war spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid wendet sich die eingangs erwähnte Beschwerde.
2. Die hier maßgebende Rechtslage stellt sich seit der ZDG-Novelle 1991, BGBl. 675, wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Vorschriften - s.u. I.3. - sind hervorgehoben):
"§1. ...
§2. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl. Nr. 305, der tauglich zum Wehrdienst befunden wurde, kann nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5 ausdrücklich erklären,
1.
die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil er es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnt, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würde,
2.
aus den in Z1 angeführten Gründen Zivildienst leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft erfüllen zu wollen und
3.
keinem der in §5 a Abs1 Z2 genannten Wachkörper anzugehören.
Er hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten. Die Dauer des Zivildienstes kann die Dauer des Wehrdienstes übersteigen.
(2) Der Wehrpflichtige hat der Erklärung nach Abs1 einen Lebenslauf und eine Strafregisterbescheinigung gemäß §10 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. Nr. 277, oder den Nachweis über die Einbringung des Antrages auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung beizuschließen, deren Ausstellungsdatum nicht länger als einen Monat zurückliegen darf. Mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem die rechtsgültige Abgabe der Erklärung nach Abs1 festgestellt wird (§5 Abs4), ist der Wehrpflichtige zivildienstpflichtig. Ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Einberufungsbefehl tritt außer Kraft.
(3) Der Zivildienst (Abschnitt II a) ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.
§§3. - 4 a. ...
§5. (1) Das Recht, eine Erklärung nach §2 Abs1 abzugeben, ruht
1. bei der Einberufung des Wehrpflichtigen, der noch keinerlei Grundwehrdienst geleistet hat, nach Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des Einberufungsbefehles oder allgemeiner Bekanntmachung der Einberufung bis zur Entlassung aus dem Grundwehrdienst, ...
2. - 3. ...
(2) Die Erklärung nach §2 Abs1 ist im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission, sonst bei dem nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Militärkommando schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben.
(3) Das Militärkommando, oder im Stellungsverfahren die Stellungskommission, hat innerhalb von zwei Wochen die Erklärung an den Bundesminister für Inneres unter Bekanntgabe des Beschlusses über die Eignung zum Wehrdienst weiterzuleiten.
(4) Der Bundesminister für Inneres hat ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber zwei Monate, nachdem die Erklärung nach §2 Abs1 bei ihm eingelangt ist, mit Bescheid festzustellen, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Weist die Erklärung Mängel auf (Abs5), wodurch sie nicht rechtswirksam werden kann, so sind diese im Feststellungsbescheid einzeln anzuführen.
(5) Als Mängel nach Abs4 gelten:
1.
Untauglichkeit für den Wehrdienst (§2 Abs1 erster Satz),
2.
Unvollständigkeit der Erklärung (§2 Abs1 Z1 bis 3),
3.
Vorliegen von Tatsachen gemäß §5 a Abs1,
4.
Abgabe der Erklärung unter Vorbehalten oder Bedingungen,
5.
Ruhen des Rechtes zur Abgabe der Erklärung (§5 Abs1 Z1 bis 3) und
6.
Fehlen des Lebenslaufes oder der Strafregisterbescheinigung oder des Nachweises über die Einbringung des Antrages auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung (§2 Abs2).
(6) Das Bundesministerium für Inneres hat innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides diesen unter Angabe des Tages des Eintrittes der Rechtskraft dem nach Abs2 zuständigen Militärkommando zur Kenntnis zu bringen.
(7) ..."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat am 18. März 1993 beschlossen, aus Anlaß der erwähnten Beschwerde (s.o. I.1.) gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs2 vorletzter und letzter Satz ZDG zu prüfen.
Er ging vorläufig davon aus, daß er bei Entscheidung über die - anscheinend zulässige - Beschwerde unter anderem §2 Abs2 ZDG anzuwenden hätte und daß die in der Folge aufgezeigten Bedenken ihren Sitz in den beiden letzten Sätzen dieser bundesgesetzlichen Bestimmung haben.
Seine Bedenken umschrieb der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt:
"§2 Abs1 ZDG nF dürfte im Hinblick darauf, daß er als Verfassungsbestimmung erlassen wurde, - ebenso wie die Vorgängerbestimmung - ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung einräumen. Dieser Verfassungsbestimmung zufolge scheint das erwähnte Recht ex lege mit Abgabe der (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden) Erklärung zu entstehen. Dies dürfte sich aus dem Zusammenhalt des §2 Abs1 ZDG mit §5 Abs4 leg.cit. ergeben (der im Hinblick auf die in der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 gebrauchte Wendung 'nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5' gleichfalls auf Verfassungsstufe zu stehen scheint), wonach der BMI bescheidmäßig festzustellen hat, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Das Gesetz spricht in §5 Abs4 leg.cit. ausdrücklich von einem 'Feststellungsbescheid'. Ein solcher dient dazu, Rechte oder Rechtsverhältnisse zur Abwendung einer Rechtsgefährdung der Partei klarzustellen (s. VfSlg. 11764/1988, S 830). Ein Feststellungsbescheid könnte also bloß deklarative Wirkung haben und nur auf eine der Rechtskraft fähige Weise aussprechen, was auch ohne ihn zutrifft, nämlich daß die Erklärung nach §2 Abs1 ZDG nF - falls sie den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht - 'rechtswirksam' abgegeben wurde.
Treffen die erwähnten Annahmen zu, so wird auf Verfassungsebene vorgeschrieben, daß bereits im Zeitpunkt der Abgabe einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Erklärung ex lege die Pflicht zur Leistung des Zivildienstes (und die Befreiung von der Wehrpflicht) eintreten.
§2 Abs2 vorletzter und letzter Satz ZDG (die auf der Stufe eines einfachen Gesetzes stehen) bestimmen nun anscheinend - im Gegensatz zu den soeben erörterten Verfassungsnormen - , daß die Zivildienstpflicht (und die Befreiung von der Wehrpflicht) nicht schon ex lege mit Abgabe der (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden) Erklärung, sondern erst mit Rechtskraft des erwähnten Bescheides des BMI eintreten; demnach hätte - anders als es die Verfassungsnormen vorsehen - der Bescheid des BMI konstitutive Wirkung.
Die zu prüfende Bestimmung scheint auch deshalb mit dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht unvereinbar zu sein, weil das ZDG idF der Novelle 1991 keine Vorschrift enthält, wonach die Verpflichtung zur Leistung des Wehrdienstes bis zum Eintritt der Rechtskraft des über die Erklärung nach §2 Abs1 leg.cit. ergehenden Bescheides des BMI zumindest aufgeschoben wäre. Bleibt jemand, der eine solche Erklärung abgegeben hat, so lange wehrpflichtig, bis der Bescheid des BMI, der die rechtsgültige Abgabe der Erklärung feststellt, in Rechtskraft erwachsen ist, (nach §2 Abs2 vorletzter und letzter Satz ZDG nF scheint das der Fall zu sein), wäre er also in diesem Zeitraum zur Befolgung eines Einberufungsbefehles und somit zum Antritt des Präsenzdienstes verpflichtet, obwohl - bei Zutreffen der oben unter litb dargelegten Annahmen - bereits mit Abgabe der (den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden) Erklärung seine Befreiung von der Wehrpflicht eingetreten ist.
Diese Problematik kann insbesondere dann praktische Bedeutung erlangen, wenn bereits ein Einberufungsbefehl erlassen wurde und der betreffende Wehrpflichtige erst innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung die Erklärung gemäß §2 Abs1 ZDG abgibt (daß dies - bei Wehrpflichtigen, die noch keinerlei Grundwehrdienst geleistet haben - zulässig ist, ergibt sich als Umkehrschluß aus §5 Abs1 Z1 leg.cit.): Gerade in diesem Fall ist nämlich keineswegs auszuschließen, daß zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Betreffende seinen Präsenzdienst laut Einberufungsbefehl anzutreten hat, ein rechtskräftiger Bescheid des BMI, der die rechtsgültige Abgabe der Erklärung feststellt, noch nicht vorliegt.
Der Umstand, daß sich die in Prüfung gezogene Bestimmung im selben Gesetz findet und zum selben Zeitpunkt erlassen wurde wie die Verfassungsnormen, zu denen sie anscheinend im Gegensatz steht, schließt nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB. VfSlg. 8027/1977, S 224) die Annahme einer Verfassungswidrigkeit nicht aus."
4. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 8. Juni 1993 eine Äußerung.
Darin stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß §2 Abs2 vorletzter und letzter Satz ZDG nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind. Für den Fall der Aufhebung wird begehrt, gemäß Art140 Abs5 B-VG ein Außerkrafttreten mit Ablauf des 31. Dezember 1993 festzulegen, da §2 ZDG mit diesem Zeitpunkt außer Kraft tritt (§76 Abs3 leg. cit.).
Die Bundesregierung begründet die Äußerung wie folgt:
"1. §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. Nr. 679/1986 in der Fassung der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. Nr. 675 (im folgenden als 'ZDG' bezeichnet), der in Verfassungsrang steht, ordnet an, daß ein Wehrpflichtiger im Sinne des Wehrgesetzes, der tauglich zum Wehrdienst befunden wurde, nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5 ZDG eine ausdrückliche Erklärung betreffend die Zivildienstleistung abgeben kann. Der Inhalt dieser Erklärung ist in §2 Abs1 Z1 bis 3, aber auch in den Bestimmungen des §5 Abs4 und 5 näher geregelt.
Der im Verfassungsrang stehende §2 Abs1 ZDG macht §5 Abs1, 4 und 5 leg.cit. dadurch mittelbar zu seinem Bestandteil, daß ein Wehrpflichtiger die Erklärung gemäß §2 ZDG nur 'nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5' abgeben kann. Damit erstreckt sich der Verfassungsrang des §2 Abs1 ZDG mittelbar auch auf §5 Abs1, 4 und 5 ZDG. Von dieser Annahme läßt sich offenbar auch der Verfassungsgerichtshof in dem Beschluß, mit dem das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde, leiten (vgl. die Ausführungen unter Punkt II.2.b).
2.1. Gemäß §5 Abs4 ZDG - welche Vorschrift im Wege des soeben angesprochenen ausdrücklichen Verweises in der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 leg.cit. mittelbar zum Bestandteil dieser Bestimmung wird - hat der Bundesminister für Inneres einen Feststellungsbescheid darüber zu erlassen, 'ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Weist die Erklärung Mängel auf (Abs5), wodurch sie nicht rechtswirksam werden kann, so sind diese im Feststellungsbescheid einzeln anzuführen.'.
2.2. Gemäß §5 Abs5 ZDG, welche Vorschrift in gleicher Weise mittelbar von der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 leg.cit. erfaßt wird, wird als - im vorliegenden Anlaß maßgeblicher - Mangel unter anderem das Fehlen eines Lebenslaufes statuiert.
Wie bereits erwähnt kann eine Erklärung in Folge eines derartigen Mangels - offenbar von vorneherein! - im Hinblick auf §5 Abs4 ZDG nicht rechtswirksam werden.
2.3. Durch die Formulierung 'wodurch sie (nämlich die Erklärung) nicht rechtswirksam werden kann' im §5 Abs4 leg. cit. dürfte zum Ausdruck kommen, daß der Akt der Erklärung des Wehrpflichtigen alleine - anders als dies im Einleitungsbeschluß angenommen wird - nicht ausreicht, die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes zu begründen.
Vielmehr wird nach dem Wortlaut sowohl des §2 Abs1 ZDG ('nach Maßgabe des §5 Abs...4') als auch des §5 Abs4 ZDG (vgl. die zitierte Passage) die Erklärung erst rechtswirksam, wenn dies - hinsichtlich einer mängelfreien Erklärung - mit Bescheid festgestellt wurde.
Ein Gegensatz zwischen dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht einerseits und der Regelung in §2 Abs2 - nach dieser Regelung tritt die Zivildienstpflicht (und die Befreiung von der Wehrpflicht) nicht schon ex lege mit Abgabe der (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden) Erklärung ein, sondern erst mit der Rechtskraft des Bescheids des Bundesministers für Inneres - dürfte nach dem Wortlaut des §2 Abs1 iVm §5 Abs4 leg.cit. daher nicht bestehen.
Dieses Verständnis des §2 Abs1 iVm §5 Abs4 und 5 ZDG wird im übrigen auch in den Gesetzesmaterialien zur Zivildienstgesetz-Novelle 1991 vertreten. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage, 249 BlgNR XVIII. GP, wird ausdrücklich festgestellt, daß erst mit der Rechtskraft des Bescheides, der die Rechtsgültigkeit einer Erklärung feststellt, die Zivildienstpflicht begründet wird (vgl. a.a.O. Seite 15). Die Erläuterungen gehen im übrigen auch davon aus, daß 'die verfassungsrechtliche Deckung der im einzelnen getroffenen Regelungen nunmehr durch die Verfassungsbestimmung des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes (nämlich der Zivildienstgesetz-Novelle 1991) gewährleistet wird' (vgl. a.a.O. Seite 14).
Die in Prüfung gezogenen beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZDG folgen insofern konsequent den genannten verfassungsrechtlichen Regelungen, als der Wehrpflichtige nicht bereits mit der Abgabe der Erklärung, sondern erst mit der Rechtskraft des Feststellungsbescheides des Bundesministers für Inneres zivildienstpflichtig wird und auch ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Einberufungsbefehl erst mit diesem Zeitpunkt außer Kraft tritt.
3. In dem Beschluß, mit dem das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde, wird ferner auf den Charakter des Bescheides des Bundesministers für Inneres gemäß §5 Abs4 ZDG als 'Feststellungsbescheid' hingewiesen und daraus der Schluß gezogen, daß die konstitutive Wirkung dieses Bescheides im Lichte des 'verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht und auf Zivildienstleistung' bedenklich erscheine.
Dazu ist folgendes zur Erwägung zu stellen:
In §5 Abs4 ZDG (der - wie erwähnt - den Verfassungsrang des §2 Abs1 leg.cit. teilt) ist für den Fall, daß die Erklärung des Wehrpflichtigen Mängel aufweist, ausdrücklich folgendes geregelt: Dann, wenn die Erklärung Mängel aufweist, kann sie nicht rechtswirksam werden; derartige Mängel sind im Feststellungsbescheid im übrigen im einzelnen anzuführen.
Die Verwendung des Begriffes 'Feststellungsbescheid' im §5 Abs4 leg.cit. dürfte dabei nicht im Widerspruch zu dem in der österreichischen Rechtsordnung üblichen Wortgebrauch stehen: So ist nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 6050/1969 die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen - im vorliegenden Fall betreffend die Frage, ob die 'Erklärung' den 'gesetzlichen Anforderungen' entspricht (vgl. §5 Abs4 leg.cit) - dann zulässig, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gegeben ist; im vorliegenden Fall besteht eine solche (verfassungs)gesetzliche Grundlage in §5 Abs4 ZDG iVm §2 Abs1 ZDG (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen bei Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, Wien 1991, RZ 406ff mit Hinweisen auf Judikatur und Lehre).
Darüber hinaus kommt nach dem Wortlaut des §2 Abs1 iVm §5 Abs4 leg.cit. diesem Bescheid auch keine konstitutive Wirkung in dem Sinn zu, daß darüber abzusprechen wäre, daß ein Wehrpflichtiger zivildienstpflichtig wird. Der ex lege Eintritt dieser Verpflichtung ist vielmehr im Zivildienstgesetz selbst, nämlich in §2 Abs1 iVm §5 Abs4 und 5 leg.cit. verfassungsgesetzlich geregelt und auch in §2 Abs2 leg.cit. statuiert. Der (richtig wohl: Die) Rechtskraft des Bescheides, mit dem festgestellt wird, daß eine Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, hat hinsichtlich des Eintritts der Zivildienstpflichtigkeit lediglich eine durch die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG und die darin verwiesenen Bestimmungen geregelte Tatbestandswirkung.
Es wird nicht übersehen, daß man argumentieren könnte, aus §5 Abs4 ZDG sei bloß abzuleiten, daß nur eine mangelhafte Erklärung von vornherein nicht rechtswirksam werden kann. Eine solche Auslegung kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, weil es diesem offensichtlich darum zu tun war, eine möglichst klare Rechtslage zu bewirken. Diese Rechtssicherheit ist aber nur dann gegeben, wenn auch für den Fall der mängelfreien Erklärung die Rechtswirkungen - ex lege - mit der Rechtskraft des Feststellungsbescheides ausgelöst werden.
4. Im Beschluß, mit dem das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wird, wird ferner das Bedenken erhoben, die in Prüfung gezogenen Regelungen könnten auch deshalb mit dem durch §2 Abs2 ZDG verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht unvereinbar sein, weil das ZDG keine Vorschriften enthalte, wonach die Verpflichtung zur Leistung des Wehrdienstes bis zum Eintritt der Rechtskraft des über die Erklärung nach §2 Abs1 leg.cit. ergehenden Bescheid des Bundesministers für Inneres zumindest aufgeschoben wäre, zumal bereits mit Abgabe der (den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden) Erklärung eine Befreiung von der Wehrpflicht eingetreten sei.
Ohne die praktische Relevanz dieser Erwägung zu übersehen, ist darauf hinzuweisen, daß im Hinblick auf die o.e., insbesondere in Pkt. 2 dargestellten Regelungen eine Erklärung gemäß §2 Abs1 ZDG erst mit Bescheid des Bundesministers für Inneres gemäß §5 Abs4 ZDG rechtswirksam wird.
Die Anknüpfung an die 'Rechtskraft' des Bescheides des Bundesministers für Inneres im §2 Abs2 vorletzter Satz ergibt sich aus ArtII Abs4 EGVG, wonach ua. das AVG auf das behördliche Verfahren der Bundesministerien in allen Fällen anzuwenden ist, in denen sie als erste Instanz - wie dies nach §2 Abs1 iVm §5 Abs4 und 5 ZDG der Fall ist - einschreiten.
Ein allenfalls erlassener Einberufungsbefehl, der einem Wehrpflichtigen zugekommen ist, tritt - im Lichte der in Rede stehenden verfassungsgesetzlichen Regelungen - erst mit der Rechtswirksamkeit der Erklärung, das ist mit der Rechtskraft des Bescheides des Bundesministers für Inneres außer Kraft.
Im Falle des Außerkrafttretens des Einberufungsbefehls ist ein bereits angetretener Wehrdienst zu beenden. Um den Fall, daß eine Erklärung gemäß §2 Abs1 ZDG erst wirksam wird, nachdem der Wehrdienst angetreten werden mußte, möglichst hintanzuhalten, ist im übrigen der Bundesminister für Inneres gemäß §5 Abs4 ZDG verpflichtet, 'ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber zwei Monate, nachdem die Erklärung nach §2 Abs1 bei ihm eingegangen ist,' den Bescheid gemäß §5 Abs4 ZDG zu erlassen. Auch für die Zustellung des Einberufungsbefehles bestehen nach §35 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305 idgF bestimmte Fristen: der Einberufungsbefehl zum Grundwehrdienst ist spätestens vier Wochen vor dem Einberufungstag zuzustellen, sofern militärische Erfordernisse nicht entgegen stehen; der Einberufungsbefehl zu Truppenübungen, zu Kaderübungen, sowie zu freiwilligen Waffenübungen und Funktionsdiensten ist, sofern militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, spätestens acht Wochen vor dem Einberufungstag zuzustellen.
Die zuletzt genannten Regelungen werden es nicht ausschließen können, daß in einzelnen Fällen ein Wehrpflichtiger einem Einberufungsbefehl nachkommen muß, obwohl er eine Erklärung gemäß §2 des Zivildienstgesetzes abgegeben hat, weil diese Erklärung mangels Bescheides des Bundesministers für Inneres gemäß §5 Abs 4 leg.cit. noch nicht rechtswirksam werden konnte. Diese Rechtslage entspricht aber dem Wortlaut der einschlägigen verfassungsgesetzlichen Regelungen.
Schließlich trifft das Zivildienstgesetz im §5 Abs1 ZDG (der im Hinblick auf den diesbezüglichen Verweis des §2 Abs1 ZDG gleichfalls - mittelbar - im Verfassungsrang steht) auch eine ausdrückliche Regelung über das Verhältnis der Erklärung gemäß §2 Abs1 leg.cit. zu einem Einberufungsbefehl: Gemäß §5 Abs1 Z1 leg.cit. ruht das Recht, eine Erklärung nach §2 Abs1 abzugeben, bei der Einberufung des Wehrpflichtigen, der noch keinerlei Grundwehrdienst geleistet hat, nach Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des Einberufungsbefehls.
5. Mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung wollte der Gesetzgeber offensichtlich einen Schwebezustand verhindern, in welchem Unklarheit über die Zivildienst- bzw. Wehrpflicht bestünde. Die letzten beiden Sätze des §2 Abs2 stellen somit einen der Rechtssicherheit dienenden Kompromiß dar."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Grundlage seiner Entscheidung ist u.a. der ganze §2 Abs2 ZDG. Ungeachtet dessen, daß der angefochtene Bescheid nicht auf die in Prüfung gezogenen beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZDG gegründet wird, hätte der Verfassungsgerichtshof doch auch diese Gesetzesbestimmungen anzuwenden, um die rechtliche Bedeutung und damit die Verfassungsmäßigkeit des im Anlaßverfahren bekämpften Bescheides beurteilen zu können. Falls sich die im Prüfungsbeschluß geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken als zutreffend erweisen sollten, würde die Aufhebung der beiden zitierten Sätze eine Rechtslage herstellen, die nicht mehr mit den dargelegten Bedenken belastet wäre. Diese beiden Sätze sind sohin präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - wogegen im übrigen die Bundesregierung nichts vorbringt -, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Die Äußerung der Bundesregierung (s.o. I.4.) vermochte nicht, die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken (s.o. I.3.) im Ergebnis zu zerstreuen.
a) Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluß - zusammengefaßt - die Bedenken geäußert, daß die auf der Stufe eines einfachen Gesetzes stehenden beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZDG dem ausdrücklich als Verfassungsbestimmung erlassenen §2 Abs1 ZDG in Zusammenhalt mit §5 Abs1, 4 und 5 ZDG (der Verfassungsgerichtshof nahm im Prüfungsbeschluß vorläufig an, daß im Hinblick auf die in der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 gebrauchte Wendung "nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5" diese zuletzt zitierten Vorschriften gleichfalls auf Verfassungsstufe stünden) widersprächen. Während nämlich den eben genannten Verfassungsnormen zufolge die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung ex lege mit Abgabe der dem Gesetz entsprechenden Erklärung iS des §2 Abs1 ZDG eintrete, ergäbe sich aus den in Prüfung gezogenen einfachgesetzlichen Vorschriften, daß diese Wirkung erst mit Rechtskraft des (positiven) Bescheides des BMI entstehe. Diese einfachgesetzliche Regelung könne zur Folge haben, daß jemand den Wehrdienst antreten müsse, der eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Erklärung abgegeben hat.
Die Bundesregierung bejaht in ihrer Äußerung ausdrücklich, daß die zuletzt erwähnte vorläufige Annahme des Prüfungsbeschlusses zutrifft. Sie meint aber im Gegensatz zu der im Prüfungsbeschluß geäußerten Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, daß die in Prüfung gezogenen einfachgesetzlichen Bestimmungen mit den erwähnten, auf Verfassungsebene stehenden Normen in Einklang stünden:
Insbesondere §5 Abs4 ZDG bringe - aufgrund des Verweises in §2 Abs1 ZDG in Verfassungsrang - zum Ausdruck, daß die Erklärung erst rechtswirksam werde (und damit die Befreiung von der Wehrpflicht herbeiführe), wenn die Mängelfreiheit mit Bescheid des BMI festgestellt werde. Dem stehe der Ausdruck "Feststellungsbescheid" im §5 Abs4 nicht entgegen. Der positive Bescheid des BMI habe hinsichtlich des Eintrittes der Zivildienstpflichtigkeit den erwähnten Verfassungsnormen zufolge keine konstitutive Wirkung, sondern lediglich eine durch diese Vorschriften geregelte Tatbestandswirkung. Die Rechtssicherheit erfordere, daß auch im Fall einer mängelfreien Erklärung die Rechtswirkungen - ex lege - erst mit der Rechtskraft des Bescheides des BMI ausgelöst würden. Die beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZDG stellten einen der Rechtssicherheit dienenden Kompromiß dar.
b) Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluß vorläufig davon aus, daß nicht nur dem ausdrücklich als Verfassungsbestimmung erlassenen §2 Abs1 ZDG, sondern auch den darin mit der Wendung "nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5" verwiesenen Normen Verfassungsrang zukomme. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung dieselbe Meinung.
Zwar hat sich - wie sogleich näher ausgeführt wird - diese Ausgangsposition als unzutreffend erwiesen. Dennoch gelangt der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung zum Ergebnis des Prüfungsbeschlusses (s. dazu die folgende litc).
§2 Abs1 ZDG gewährleistet auf Verfassungsstufe das Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Leistung des Zivildienstes. Die im ersten Satz dieser Norm gebrauchte Wendung "nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5" bedeutet aber nicht, daß mit dieser Verweisung die zuletzt zitierten Vorschriften auf Verfassungsebene gehoben worden wären. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil keine Gesetzesbestimmung im Verfassungsrang steht, die nicht ausdrücklich als "Verfassungsbestimmung" bezeichnet ist (Art44 Abs1 B-VG).
Die zitierte Wendung im ersten Satz des §2 Abs1 ZDG beläßt also die verwiesenen Normen auf der Ebene eines einfachen Bundesgesetzes; sie bringt zum Ausdruck, daß der Verfassungsgesetzgeber hinsichtlich des erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes die Erlassung von Formal- und Ordnungsvorschriften in der Art und Weise, wie sie §5 Abs1, 4 und 5 ZDG vorsehen, als zulässig und geboten erachtet. Dem einfachen Gesetzgeber wird damit von Verfassungs wegen erlaubt, die näheren Modalitäten, unter denen eine Erklärung iS des §2 Abs1 ZDG zur Ausnahme von der Wehrpflicht führt, zu regeln; solche Regelungen dürfen nur nicht zu Lasten des Zivildienstwerbers von dem in §5 Abs1, 4 und 5 ZDG vorgegebenen Standard abweichen.
Die Wirkungen der Erklärung sind bereits in der erwähnten Verfassungsvorschrift vorausbestimmt. Die in dieser Norm angeführten verwiesenen Absätze des §5 ZDG bieten eine Hilfe für die Interpretation des §2 Abs1 ZDG.
c) Zu klären ist, welcher Inhalt der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG vor dem geschilderten Hintergrund zukommt, welchen Rahmen sohin diese Verfassungsnorm für das einfache Gesetz absteckt.
Die (soeben unter lita zusammengefaßt wiedergegebenen) Annahmen der Bundesregierung sind aus folgenden Gründen verfehlt:
§2 Abs1 ZDG ist so zu verstehen, daß ex lege mit Abgabe der Erklärung die Verpflichtung, Zivildienst zu leisten, entsteht und gleichzeitig die Wehrpflicht erlischt, sofern die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wie sie sich aus §5 Abs1 und 5 ZDG ergeben. Zum Eintritt dieser Rechtswirkung bedarf es also keiner behördlichen Bewilligung.
In diesem Sinn besagen die Erläuterungen zu der die ZDG-Novelle 1991 betreffenden Regierungsvorlage, 249 BlgNR
18. GP, S 17:
"Eine förmliche Befreiung ist nun nicht mehr vorgesehen. Eine rechtsgültig abgegebene Erklärung, deren nähere Modalitäten in den §§5 und 5a geregelt sind, ist für das Entstehen der Zivildienstpflicht ausreichend."
Genügt die Erklärung den im Gesetz umschriebenen Anforderungen nicht, so tritt die erwähnte Rechtswirkung nicht ein. Ob dies der Fall ist, hat nach dem aus der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG ableitbaren Prinzip (zunächst) jede Behörde für das bei ihr anhängige Verfahren erforderlichenfalls selbst zu klären, so etwa das Militärkommando dann, wenn es in Aussicht nimmt, einen Einberufungsbefehl zu erlassen, nachdem vom Wehrpflichtigen eine Erklärung iS des §2 Abs1 ZDG abgegeben wurde (Incidenter-Prüfung). Im Interesse der Rechtssicherheit sieht jedoch §5 Abs4 ZDG die Erlassung eines Feststellungsbescheides durch den BMI vor, der allgemein verbindlich auszusprechen hat, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Jeden Zweifel am dargelegten Inhalt des §2 Abs1 ZDG beseitigt §5 Abs4 ZDG, der - wie in der vorstehenden litb dargetan - zur Auslegung des §2 Abs1 ZDG heranzuziehen ist. Dort ist ausdrücklich von der Verpflichtung des BMI die Rede, einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Zwar schildert die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend die Voraussetzungen, unter denen Feststellungsbescheide ergehen dürfen; damit widerlegt sie aber nicht die Annahme im Prüfungsbeschluß, daß ein Feststellungsbescheid begrifflich nur auf eine der Rechtskraft fähige Weise aussprechen kann, was auch ohne ihn zutrifft, nämlich hier, daß die Erklärung nach §2 Abs1 ZDG - falls sie den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht - "rechtswirksam" abgegeben wurde (vgl. zum Wesen eines Feststellungsbescheides zB VfSlg. 11764/1988, S 830, wonach dieser dazu dient, Rechte oder Rechtsverhältnisse zur Abwendung einer Rechtsgefährdung der Partei klarzustellen).
Der von der Bundesregierung in ihrer Äußerung ins Treffen geführte Passus in den zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage der ZDG-Novelle 1991, wonach (erst) mit Rechtskraft des die Rechtsgültigkeit der Erklärung feststellenden Bescheides die Zivildienstpflicht begründet werde (Seite 15 der Erläuterungen), hat somit in der mehrfach erwähnten Verfassungsbestimmung der ZDG-Novelle 1991 keinen Niederschlag gefunden.
Auch der - gleichfalls von der Bundesregierung angesprochene - Umstand, daß im letzten Satz des §5 Abs4 ZDG davon die Rede ist, daß die Erklärung aufgrund von Mängeln nicht rechtswirksam werden kann, vermag die zuvor angestellten Überlegungen nicht zu entkräften. Zwar müßte der in Rede stehende Passus des §5 Abs4 ZDG im gegebenen Zusammenhang grammatikalisch richtig lauten:
"... rechtswirksam werden konnte". Ein Argument für den Standpunkt der Bundesregierung läßt sich jedoch aus der Verwendung des Wortes "kann" angesichts des oben dargestellten, unzweifelhaft feststehenden Wesens eines Feststellungsbescheides nicht ableiten.
Daß der in Rede stehende Bescheid ein Feststellungsbescheid ist, wird im übrigen auch von der Bundesregierung nicht bestritten. Sie geht jedoch davon aus, daß dieser Feststellungsbescheid ex lege bestimmte Rechtswirkungen auslöse. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt, die in Rede stehenden Rechtswirkungen erst als Folge der Bescheiderlassung (bzw. der Rechtskraft des Bescheides) eintreten zu lassen, wäre dieses Ergebnis auf weitaus einfacherem Wege zu erreichen gewesen - nämlich indem der Bescheid des Innenministers nicht als Feststellungs-, sondern als Rechtsgestaltungsbescheid konstruiert worden wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber eine derartig komplizierte Rechtskonstruktion gewählt haben sollte, wie sie von der Bundesregierung angenommen wird.
Die angeführten Überlegungen werden durch einen weiteren Umstand bekräftigt: Nach den oben zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage der ZDG-Novelle 1991 war vorrangiges Ziel dieser Novelle die Schaffung eines einfacheren Zuganges zum Zivildienst (s. Seite 14 f. der Erläuterungen). Darunter ist offenkundig zu verstehen, daß für denjenigen, der aus Gewissensgründen die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen ablehnt, sichergestellt sein soll, von der Wehrpflicht ausgenommen zu werden und folglich keinen Wehrdienst leisten zu müssen, daß es dem (Verfassungs-)Gesetzgeber also primär, aber nicht ausschließlich um die Abschaffung der Gewissensprüfung durch die Zivildienstkommission gegangen ist. Träfe die Auslegung der Bundesregierung zu, so stünde die in Rede stehende Neuregelung mit dem oben erwähnten Ziel nicht in Einklang, weil insofern der Zugang zum Zivildienst gegenüber der vor der ZDG-Novelle 1991 geltenden Regelung erschwert würde (s. §6 Abs4 und 5 ZDG idF vor der Novelle 1991, wonach die Verpflichtung zur Leistung des Wehrdienstes nach Abgabe des Zivildienstantrages grundsätzlich aufgeschoben war, solange das Verfahren über diesen Antrag nicht abgeschlossen war), als nach der nunmehrigen Rechtslage allenfalls der Wehrdienst angetreten werden müßte, obgleich eine gesetzmäßige Erklärung nach §2 Abs1 ZDG abgegeben wurde.
Damit aber steht fest, daß die beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZDG, die auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehen, zu dem als Verfassungsbestimmung erlassenen §2 Abs1 ZDG in Widerspruch stehen. Sie schließen es nämlich aus, daß die Zivildienstpflicht und die Ausnahme von der Wehrpflicht schon ex lege mit Abgabe der (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden) Erklärung entstehen; ihnen zufolge treten diese Rechtsfolgen erst mit Rechtskraft des erwähnten Bescheides des BMI ein.
Die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen waren daher als verfassungswidrig aufzuheben (erster Absatz des Spruches).
3. Der zweite Absatz des Spruches gründet sich auf Art140 Abs6 B-VG.
Das Gesetz ist - wie sich aus den obigen Ausführungen zu II.2.b ergibt - auch nach Wegfall der aufgehobenen Bestimmungen und ohne daß eine Ersatzregelung getroffen wird, vollziehbar. Der Verfassungsgerichtshof nahm daher davon Abstand, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist zu setzen; vielmehr sah er sich veranlaßt, von der ihm nach Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen (dritter Absatz des Spruches).
4. Der Verwaltungsgerichtshof beantragte aus Anlaß der bei ihm zu den Zlen. 93/11/0002 und 93/11/0004 anhängigen Beschwerden gegen Bescheide des BMI (die dem zu B2069/92 beim Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid gleichen - s.o. I.1.) gemäß Art140 Abs1 B-VG die Aufhebung der mit dem oben zu I.3. zitierten Beschluß in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ZDG. Diese - zu den hg. Zlen. G92/93 und G93/93 protokollierten - Anträge langten beim Verfassungsgerichtshof am 2. Juni 1993 ein.
Eine formelle Einbeziehung dieser Anträge in das Gesetzesprüfungsverfahren war wegen des fortgeschrittenen Prozeßgeschehens nicht mehr möglich. Im Hinblick auf den auf Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG gegründeten Ausspruch, daß die aufgehobenen Vorschriften nicht mehr anzuwenden sind (s. den dritten Absatz des Spruches), erübrigt sich eine weitere Erledigung dieser vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsanträge (vgl. zB VfSlg. 10737/1985, 12293/1990, 12673/1991).
5. Die Kundmachungsverpflichtung des Bundeskanzlers (letzter Absatz des Spruches) erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz und Art140 Abs6 letzter Satz B-VG sowie §64 Abs2 VerfGG.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Zivildienst, Feststellungsbescheid, Stufenbau der Rechtsordnung, Wirksamkeit eines Gesetzes, ex lege Wirkung, VerweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G74.1993Dokumentnummer
JFT_10069299_93G00074_00