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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der A P und 2. des J P, beide in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. August 1994, Zl. 8 BauR1-254/1/1994, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom 18. September 1992 beantragten die Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung einer Strandhütte auf dem Grundstück Nr. n/2, KG L. In einer Stellungnahme des Bezirksbauamtes vom 15. Oktober 1992 wurde darauf hingewiesen, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück zum Teil als Grünland-Liegewiese, zum Teil als Grünland-Kabinenbauten und zum Teil als Grünland-Land- und Forstwirtschaft gewidmet sei. Das beantragte Bauvorhaben in einer Größe von 8 m x 12 m sei im Bereich der Widmung "Grünland - Land- und Forstwirtschaft" vorgesehen. Nach dem Gemeindeplanungsgesetz sei die Errichtung von Gebäuden in dieser Widmungskategorie nur zulässig, soweit es für die Nutzung des Grünlandes (hier: land- und forstwirtschaftliche Nutzung) erforderlich sei. Das Erfordernis liege bei einer Strandhütte bzw. einem Kabinengebäude nicht vor. Mit Schriftsatz vom 24. November 1992 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführer dahingehend geändert, daß das vorgesehene Kabinengebäude im Bereich der Widmung Grünland-Kabinenbauten zu liegen komme. Mit Schriftsatz vom 8. März 1993 erging gemäß § 13 Abs. 3 AVG ein mit 30. April 1993 befristeter Verbesserungsauftrag des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei an die Beschwerdeführer, da § 10 der Kärntner Bauordnung für den Fall, daß ein Vorhaben nach § 4 lit. a bis c leg. cit. auf einer Fläche errichtet werden solle, für die eine gemäß § 6 Z. 2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 ersichtlich zu machende Nutzungsbeschränkung bestehe und das diese Nutzungsbeschränkung enthaltende Gesetz (im vorliegenden Fall Kärntner Naturschutzgesetz) eine Bewilligung vorsehe, dem Bewilligungswerber aufzutragen sei, dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung auch diese Bewilligung anzuschließen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 14. Oktober 1993 wurde die von den Beschwerdeführern beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung für das vorliegende Bauvorhaben gemäß § 5 Abs. 1 lit. i und §§ 8, 9 und 10 des Kärntner Naturschutzgesetzes 1986 sowie gemäß § 2 Pkt. 4 der Verordnung, mit der der Turner See und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird, LGBl. Nr. 53/1970, versagt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 12. Jänner 1994 wurde der angeführte Bauantrag der Beschwerdeführer zurückgewiesen, da dem Verbesserungsauftrag betreffend die Vorlage der naturschutzrechtlichen Bewilligung nicht entsprochen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom 13. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Auch der Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Gemäß § 10 Abs. 4 der Kärntner Bauordnung 1992 habe die Behörde für den Fall, daß ein Vorhaben nach § 4 lit. a leg. cit. gemäß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes einer Bewilligung bedürfe, dem Bewilligungswerber aufzutragen, dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung diese Bewilligung anzuschließen. Gemäß § 2 Z. 1 der Verordnung vom 3. Februar 1970, mit der der Turner See und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden sei, bedürfe die Errichtung von Gebäuden im Landschaftsschutzgebiet in Gebieten, für die kein Bebauungsplan bestehe, einer Bewilligung. Ferner bedürfe die Anschüttung von Sumpf- oder Moorböden gemäß § 2 Z. 4 dieser Verordnung einer Bewilligung. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 14. Oktober 1993 sei die für das Bauvorhaben beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung gemäß § 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes sowie gemäß § 2 Z. 4 der angeführten Verordnung versagt worden. Die Baubehörde sei daher verpflichtet gewesen, die Bauwerber gemäß § 10 Abs. 4 der Kärntner Bauordnung 1992 zur Beibringung der naturschutzbehördlichen Bewilligung aufzufordern. Die Einwendungen der Beschwerdeführer seien deshalb nicht von Bedeutung, weil sich die Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung neben dem § 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes auch auf § 2 Z. 4 der Verordnung, mit der der Turner See und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird, stützte. Eine solche Maßnahme gemäß § 2 Z. 4 der angeführten Verordnung sei unabhängig von der Existenz eines Bebauungsplanes bewilligungspflichtig.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 4 lit. a der Kärntner Bauordnung 1992 in der Stammfassung (in der Folge: BO) bedarf u.a. die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen einer Baubewilligung. Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde für den Fall, daß ein Vorhaben nach § 4 lit. a bis c auf einer Fläche errichtet werden soll, für die eine gemäß § 6 Z. 2 Gemeindeplanungsgesetz 1982 ersichtlich zu machende Nutzungsbeschränkung besteht und das diese Nutzungsbeschränkung enthaltende Gesetz (es wird u.a. das Kärntner Naturschutzgesetz genannt) eine Bewilligung für Vorhaben nach § 4 lit. a bis c BO vorsieht, dem Bewilligungswerber aufzutragen, dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung auch diese Bewilligung anzuschließen. Im § 6 Z. 2 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes werden u.a. Landschaftsschutzgebiete angeführt. Gemäß § 10 Abs. 4 BO hat die Behörde für den Fall, daß ein Bauvorhaben gemäß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes oder gemäß § 12 des Kärntner Nationalparkgesetzes einer Bewilligung bedarf, dem Bewilligungswerber aufzutragen, dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung die in Betracht kommende Bewilligung anzuschließen. Werden Belege gemäß § 10 Abs. 1, 2 und 4 BO nicht oder nicht vollständig beigebracht, so sieht § 10 Abs. 5 BO vor, daß gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen ist.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung des Anbringens. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Gemäß § 5 Abs. 1 lit. i des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986, bedarf in der freien Landschaft, das ist der Bereich außerhalb von geschlossenen Siedlungen und der zum Siedlungsbereich gehörigen besonders gestalteten Flächen, wie Vorgärten, Haus- und Obstgärten, u. a.
"i) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen auf Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesen sind" einer Bewilligung.
Gemäß § 69 Abs. 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes gelten Verordnungen aufgrund des § 3 des Landschaftsschutzgesetzes 1981 bis zur Erlassung von Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes, mit denen diese Verordnungen ersetzt oder abweichende Regelungen getroffen werden, als landesgesetzliche Regelungen weiter. Maßnahmen oder Vorhaben in solchen Landschaftsschutzgebieten dürfen nur bewilligt werden, wenn diese die besondere landschaftliche Eigenart oder Schönheit oder den Erholungswert des Gebietes nicht nachteilig beeinträchtigen. Gemäß der Verordnung der Landesregierung vom 3. Februar 1970, LGBl. Nr. 53, wurde der Turner See und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Das verfahrensgegenständliche Grundstück fällt in dieses Landschaftsschutzgebiet. Gemäß § 2 dieser Verordnung bedarf einer Bewilligung
"1. die Errichtung von Gebäuden in Gebieten, für die kein Bebauungsplan besteht;
2.
...
3.
...
4.
die Anschüttung von Sumpf- oder Moorböden .... ."
Das verfahrensgegenständliche Grundstück ist im Flächenwidmungsplan teils als Grünland-Landwirtschaft, teils als Grünland-Kabinenbauten und Grünland-Liegewiese gewidmet. Es besteht und bestand (im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 13. April 1994, zugestellt am 15. April 1994) in der Gemeinde X auch betreffend das vorliegende Grundstück ein Bebauungsplan (Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 22. April 1992, mit der ein Grünland-Bebauungsplan für die Gemeinde erlassen wurde; genehmigt von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 27. Jänner 1993).
Nach Auffassung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, daß für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben eine naturschutzrechtliche Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes erforderlich sei. Die angeführte Verordnung gelte als landesgesetzliche Bestimmung gemäß § 69 Abs. 5 leg. cit. weiter. Sie stelle eine lex specialis zu § 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes dar. Das beabsichtigte Bauvorhaben stelle keine Maßnahme im Sinne dieser Verordnung dar, die die landschaftliche Eigenart oder Schönheit oder den Erholungswert im Sinne des § 69 Abs. 5 leg. cit. zweiter Satz nachteilig beeinträchtigen würde. Eine Bewilligungspflicht gemäß § 2 Z. 1 der Verordnung komme nicht in Betracht, da für die mitbeteiligte Partei ein Bebauungsplan bestehe. Der Tatbestand des § 2 Z. 1 (die Errichtung von Gebäuden in Gebieten, für die kein Bebauungsplan bestehe) und Z. 4 (die Anschüttung von Sumpf- oder Moorböden) schlössen sich aus, da die Errichtung von Gebäuden jedenfalls immer eine Veränderung des Bodens, auf welchem das Gebäude errichtet werden solle, mit sich bringe. Die Errichtung einer Strandhütte sei keinesfalls den Tatbestand der "Anschüttung von Sumpf- oder Moorböden" gemäß § 2 Z. 4 der angeführten Verordnung zu unterstellen bzw. gleichzusetzen.
Mit dieser Rüge sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß § 10 Abs. 4 BO ist maßgeblich, daß ein Bauvorhaben gemäß § 4 lit. a nach § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes einer Bewilligung bedarf. Liegt dies vor, dann ist dem Bauansuchen die naturschutzrechtliche Bewilligung anzuschließen. Im vorliegenden Fall hat nun die Naturschutzbehörde (die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt) mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 die von den Beschwerdeführern selbst beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben gemäß § 5 Abs. 1 lit. i i. V.m. §§ 8, 9 und 10 des Naturschutzgesetzes und gemäß § 2 Pkt. 4 der angeführten Verordnung, LGBl. Nr. 53/1970, versagt. Die für die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit einer naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß § 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes maßgebliche Behörde hat somit für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben eine Bewilligungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 lit. i leg. cit. angenommen. Die Naturschutzbehörde ist als jene Behörde anzusehen, die über die Frage des Erfordernisses der naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß dem Kärntner Naturschutzgesetz als Hauptfrage im Sinne des § 38 AVG zu entscheiden hat. Diese Entscheidung der Naturschutzbehörde wurde von den Beschwerdeführern nicht bekämpft und somit rechtskräftig. Daraus ergibt sich, daß die Baubehörden, die nach Eintritt der Rechtskraft des naturschutzrechtlichen Bescheides entschieden haben (Zustellung am 18. Oktober 1993), die Frage des Erfordernisses einer Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes im Sinne des § 10 Abs. 4 BO im vorliegenden Fall nicht mehr als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eigenständig beurteilen durften, sondern an die diesbezügliche rechtskräftige naturschutzbehördliche Entscheidung gebunden waren. Das vorliegende baubehördliche Verfahren bietet somit keine Möglichkeit einer neuerlichen Überprüfung der von der belangten Behörde unter Berufung auf die Ansicht der Naturschutzbehörde vertretenen Auffassung, daß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes neben den Regelungen der Verordnung LGBl. Nr. 53/1970 eine normative Bedeutung zukomme. Die Baubehörden haben daher zu Recht - wenn auch nicht unter ausdrücklicher Berufung auf die in dieser Hinsicht bindende Wirkung des naturschutzrechtlichen Bescheides - ein Verbesserungsverfahren gemäß § 10 Abs. 4 und 5 BO i.V.m. § 13 Abs. 3 AVG vorgenommen.
Im Lichte der bisherigen Ausführungen kommt aber auch den verfahrensrechtlichen Rügen der Beschwerdeführer keine Bedeutung zu, daß die belangte Behörde und die Baubehörden der Gemeinden nicht überprüft hätten, ob durch die beabsichtige Bauführung gemäß § 69 Abs. 5 zweiter Satz des Kärntner Naturschutzgesetzes die besondere landschaftliche Eigenart oder Schönheit oder der Erholungswert des Gebietes nachhaltig beeinträchtigt werde und ob es sich bei der geplanten "Baustelle" um eine Sumpf- oder Moorfläche handle. Im Hinblick auf die dargelegte Bindung der Baubehörde an die rechtskräftige Entscheidung der Naturschutzbehörde über die Bewilligungspflicht des Bauvorhabens gemäß § 5 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes erübrigten sich für die Baubehörden in dieser Hinsicht eigene Ermittlungen. Derartige Verfahrensmängel waren daher von der belangten Behörde nicht aufzugreifen.
Da sich somit die vorliegende Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Baurecht Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994050295.X00Im RIS seit
11.07.2001