Entscheidungsdatum
23.03.2023Index
82/04 Apotheken, ArzneimittelNorm
AWEG 2010 §2 Z2 litcText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Ertl-Lorenz über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 29.07.2022, Zl. ..., wegen Übertretung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes, zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge soweit sie sich gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids wendet, gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Im Übrigen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids – den Ausspruch des Verfalls – wendet, als unbegründet abzuweisen.
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
1. Aufgrund einer im Wege des Fernabsatzes von dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) getätigten Bestellung, wurde am 28.04.2022 vom örtlichen Zollamt eine Lieferung von 60 Stück Tadalista Super Active (Tadalafil), 62 Stück Vilitra 20 (Vardenafil), 2 Stück Sildenafil und 2 Stück Vidamax 20 mg (Tadalafil) festgestellt. Die genannte Bestellung wurde dabei von D., C., in das Bundesgebiet eingebracht. Das Zollamt verständigte den Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk (im Folgenden: belangte Behörde) darüber und tätigte nachstehende nähere Angaben zu den Arzneiwaren:
KN-Code
Waren-beschreibung
Mengen-art
Menge
Wert in EUR
VL
UL
BL
30049000
60 Stück
Tadalista Super
Active (Tadalafil)
Gramm
30,00
0,00
AE
unbek.
AT
30049000
62 Stück Vilitra
20 (Vardenafil)
Gramm
18,60
0,00
AE
unbek.
AT
30049000
2 Stück Sildenafil
Gramm
1,0
0,00
AE
unbek.
AT
30049000
2 Stück Vidamax
20 mg (Tadalafil)
Gramm
0,80
0,00
AE
unbek.
AT
2. Dem Bf wurde mit Schreiben vom 13.06.2022 von der belangten Behörde eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. Dieser kam der Bf nicht nach.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.07.2022, Zl. ..., wurde das angefochtene Straferkenntnis erlassen und der Verfall der zuvor näher genannten Substanzen ausgesprochen. Dem Bf wurde zur Last gelegt, er „vorsätzlich im Fernabsatz mit der Empfängeradresse Wien, E.-straße und somit vom Inland aus, dem Anwendungsbereich des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010) unterliegende und unter Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur der EU (§ 2 Z 1 lit. c AWEG 2010) fallenden Arzneiwaren, nämlich
? 60 Stück Tadalista Super Active (Tadalafil), 30,00 Gramm, KN-Code 30049000
? 62 Stück Vilitra 20 (Vardenafil), 18,60 Gramm, KN-Code 30049000
? 2 Stück Sildenafil, 1,00 Gramm, KN-Code 30049000
? 2 Stück Vidamax 20mg (Tadalafil), 0,80 Gramm, KN-Code 30049000
per Fernkommunikationsmittel bestellt, welche durch den Versender F., ..., D. aufgrund der von Ihnen getätigten Bestellung im Postversand – Flugverkehr durch die Österreichische Post AG am 28.04.2022 in das Bundesgebiet eingeführt und vom Zollamt Österreich, Zollstelle Wien, im Postverteilzentrum Halban-Kurz-Straße 9-11, 1230 Wien, entdeckt wurden und haben somit zu verantworten, dass entgegen § 3 AWEG 2010, wonach die Einfuhr und das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkehr nur zulässig ist, wenn vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde, die vorgenannten Arzneiwaren ohne Vorliegen der erforderlichen Einfuhrbescheinigung somit in das österreichische Bundesgebiet eingeführt wurden“. Dies stelle einen Verstoß gegen §§ 21 Abs. 1 Z 1 i.V.m. 3 Abs. 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG 2010) dar. Es wurde nach § 21 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz AWEG 2010 eine Geldstrafe iHv EUR 210,-- bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Stunden verhängt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen ausführte, dass gemäß §§ 11 Abs. 7 und 17 Abs. 2 AWEG 2010 AWEG sowie einem näher genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 17.10.2018 keine strafbare Tat vorliege. Weder bestritt er die Bestellung der Waren noch behauptete er, dass er über eine Einfuhrbescheinigung oder eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung verfüge.
5. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde sowie die Bezug habenden Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vor. Im Vorlageschreiben verzichtete die Behörde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und im Falle der Durchführung einer solchen auf die Teilnahme daran.
6. Mit Schreiben vom 01.02.2023 fordert das Verwaltungsgericht der Bf auf, seine persönlichen Verhältnisse unter Verwendung eines dem Schreiben beiliegenden Formulars bekannt zu geben.
7. Mit dem am 17.02.2023 beim Verwaltungsgericht eingelangten Schreiben übermittelte der Bf das Formular unausgefüllt mit der Begründung wieder zurück, er habe keine Verwaltungsübertretung begangen, weshalb er das Formular nicht auszufüllen brauche, und verwies abermals auf die in Kopie beigelegte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien vom 17.10.2018, wonach das Strafverfahren gegen ihn in einer vergleichbaren Angelegenheit eingestellt worden sei. Im Vertrauen auf diese Entscheidung habe er nun abermals eine solche Bestellung getätigt. Weiters führte er aus, dass die von ihm bestellte Ware vom Zoll beschlagnahmt und entgegen § 17 AWEG vernichtet worden sei.
II. Feststellungen
Der Bf bestellte im Rahmen des Fernabsatzes mit der Empfängeradresse Wien, E.-straße, 60 Stück Tadalista Super Active (Tadalafil), 62 Stück Vilitra 20 (Vardenafil), 2 Stück Sildenafil und 2 Stück Vidamax 20 mg (Tadalafil) im Postversand und wurden diese am 28.04.2022 ohne Einfuhrbescheinigung in das Bundesgebiet eingeführt. Es handelt sich bei diesen Waren um Arzneiwaren, die unter die Position 3004 der im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1. Der Bf verfügt über keine Einfuhrbescheinigung für diese.
Der Beschwerdeführer weist keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen auf. Er verfügt über durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Das vom Bf näher genannte Verfahren am Verwaltungsgericht Wien, welches mit Erkenntnis vom 17.10.2018 abgeschlossen wurde, betrifft ebenfalls den Vorwurf der Übertretung des AWEG 2010 durch den Bf hinsichtlich Arzneiwaren mit denselben Inhaltsstoffen. Mit dieser Entscheidung wurde der Beschwerde mit der Begründung Folge gegeben, dass ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 AWEG 2010 in diesem Gesetz nicht zur Verwaltungsübertretung erklärt werde und daher nicht strafbar sei. Als einzige Konsequenz sei lediglich nach § 17 Abs. 2 AWEG 2010 die Zurückübermittlung oder der Verfall der Waren normiert. Mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde in Einem das Straferkenntnis der ersten Instanz behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
III. Beweiswürdigung
Die Feststellungen gründen sich auf den gesamten Akteninhalt, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit kein Zweifel besteht, und auf der Würdigung des Vorbringens des Bf. Das Erkenntnis vom 17.10.2018 ist gerichtsbekannt.
Mangels Angaben des Bf zu dessen Vermögens- und Einkommensverhältnissen waren diese zu schätzen.
IV. Rechtliche Beurteilung
1. Die hier relevanten Bestimmungen des AWEG 2010, BGBl. I Nr. 79/2010 idF BGBl. I Nr. 163/2015 lauten auszugsweise wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:
1. Arzneiwaren: nachstehende Waren im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. Nr. L 256 vom 07. 09. 1987, S 1:
…
c) Waren der Position 3004, […]
Einfuhr, Verbringen, Behördenzuständigkeit
§ 3. (1) Die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, ist, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.
(2) Für die Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen und die Entgegennahme von Meldungen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zuständig.
[...]
4. Abschnitt
Fernabsatz
Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten im Fernabsatz
§ 17. (1) Der Bezug von Arzneiwaren und Blutprodukten, die im Fernabsatz bestellt wurden, durch Personen, die nicht zur Antragstellung auf Ausstellung einer Einfuhrbescheinigung oder einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder zur Meldung berechtigt sind, ist verboten.
(2) Arzneiwaren und Blutprodukte, die entgegen Abs. 1 eingeführt oder verbracht werden, sind dem Absender zurück zu übermitteln, oder sofern dies nicht möglich ist, zu vernichten. Die Kosten dafür trägt jeweils der Besteller.
[…]
Befugnisse der Organe der Zollverwaltung
§ 19. (1) Die Einfuhrbescheinigung gemäß § 3, der Nachweis der erfolgten Meldung gemäß § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 oder § 14 Abs. 1, die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gemäß § 12 Abs. 1 und die Einfuhrbescheinigung gemäß § 18 Abs. 1 sind erforderliche Unterlagen zur Zollanmeldung im Sinne des Art. 162 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Zollkodex), ABl. Nr. L 269 vom 10.10.2013 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 287 vom 29.10.2013 S. 90. Ferner sind diese Unterlagen den Zollbehörden und ihren Organen im Rahmen der diesen gemäß § 29 ZollR-DG und diesem Bundesgesetz eingeräumten Befugnisse auf Verlangen vorzuweisen.
(2) Zur Sicherung des Verfalls oder zu Zwecken der Beweissicherung können Waren auch durch die Organe der Zollverwaltung vorläufig beschlagnahmt werden. Diese Organe haben die Beschlagnahme der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde ungesäumt anzuzeigen und die beschlagnahmten Waren dieser abzuliefern.
[...]
Strafbestimmungen
§ 21. (1) Wer
1. Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt, oder
[...]
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Waren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, können für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist. Auf den Verfall dieser Waren kann auch selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann.“
2. Die einschlägigen Normen des VStG lauten wie Folgt:
§ 5 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018 lautet auszugsweise wie folgt:
„Schuld
§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
…
(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte“.
§ 45 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
…
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen; …“
3. Zur Bestrafung nach dem AWEG 2010:
Gemäß § 21 Abs. 1 AWEG 2010 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu bestrafen, wer Arzneiwaren entgegen § 3 leg. cit. ohne Einfuhrbescheinigung einführt.
Im gegenständlichen Fall hat der Bf unbestrittenermaßen im Wege des Fernabsatzes Arzneiwaren im Sinne des § 2 Z 1 lit. c AWEG 2010 bestellt und sohin in das Bundesgebiet einführen lassen, ohne, dass er über eine Einfuhrbescheinigung verfügte. Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung ist somit erfüllt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Judikatur des VwGH zum Bezug von Arzneiwaren durch Privatpersonen im Fernabsatz hingewiesen, wonach ein Verhalten, das sowohl § 3 Abs. 1 als auch § 17 Abs. 1 AWEG 2010 verwirklicht, nach § 21 Abs. 1 Z 1 AWEG 2010 strafbar ist (vgl. VwGH 27.02.2019, Ro 2019/10/0004; 21.11.2019, Ra 2018/10/0050).
Gegenständlich liegt ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG vor, sodass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts Anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass der Bf die Arzneiwaren ausgehend von einer dieselben Arzneiwaren betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien aus dem Jahr 2018 in der Annahme bestellte, dass dies keine strafbare Tat darstelle.
Ein entschuldbarer Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG setzt voraus, dass dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen (vgl. VwGH vom 24. März 2015, 2013/03/0054, mwH). Selbst guter Glaube stellt den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht dar, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen (vgl. etwa VwGH 25.05.2021, Ra 2021/02/0069, mwH). Einer Auskunft durch die zuständige Behörde kann eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in einem Verwaltungsstrafverfahren - dem Grunde nach - gleichgehalten werden (vgl. VwGH 09.03.2021, Ra 2019/04/0143, mwN).
Da sich der Bf auf die dieselben Arzneiwaren betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts berufen konnte, entschuldigt dies das Unerlaubte des Verhaltens des BF, zumal die ihrige Gesetzesauslegung unverschuldet war. Ausgehend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts blieben somit keine Zweifel bei dem BF und stellt der Rechtsirrtum einen Schuldausschließungsgrund dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
4. Zum Verfall:
Für die gegenständliche Verwaltungsübertretung des § 21 Abs. 1 Z 1 iVm. § 3 Abs. 1 AWEG ist durch § 21 Abs. 3 leg. cit. ausdrücklich die Strafe des Verfalls vorgesehen (Vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] § 17 Rz 3). Der Bf ist auch Eigentümer der Arzneiwaren und es sind im Verfahren auch keine dinglichen Berechtigungen Dritter an diesem im Verfahren hervorgekommen bzw. von der Beschwerdeführerin eingewendet worden (Vgl. Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg.), Verwaltungsstrafgesetz2 [2016] § 17 Rz 6; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 1054). Der Verfall steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat sowie dem die Beschwerdeführerin treffenden Tatvorwurf. Weiters ist festzustellen, dass in § 21 Abs. 3 AWEG 2010 der Verfall von Gegenständen explizit als Strafe für eine Übertretung des § 3 iVm § 21 Abs. 1 Z 1 leg. cit. angedroht wird, sofern die Tat vorsätzlich begangen wurde.
Im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Für die Verwirklichung eines Vorsatzdeliktes genügt, wenn – wie hier – von Gesetzes wegen nicht anders bestimmt, bereits „dolus eventualis“ (vgl. etwa VwGH 19.3.1990, 89/10/0208), d.h. der Täter hält es ernstlich für möglich, dass er einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, und findet sich damit ab. Der Vorsatz muss die Handlung an sich betreffen, nicht jedoch die Rechtwidrigkeit der Tat. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls ein vorsätzliches Handeln der Beschwerdeführerin gegeben, da dieser im Willen des Erwerbs der Arzneimittel, für welche eine Einfuhrbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 AWEG 2010 bzw. eine Meldung benötigt würde, diese im Fernabsatz bestellte.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
5. Entfall der Verhandlung
Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien abgesehen werden, da sich die Beschwerde nur gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung richtet, zumal der Bf inhaltlich einen Rechtsirrtum vorbringt, welchen die Behörde nicht annahm, und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0021). Der Beschwerdeführer wurde in der Rechtsmittelbelehrung des in Beschwerde gezogenen Bescheides auf sein Recht hingewiesen, in der Beschwerde eine öffentliche mündliche Verhandlung zu beantragen; ein solcher Antrag erfolgte nicht. Weiters konnte nach § 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG von der mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da im Bescheid keine EUR 500 Euro übersteigende Strafe verhängt wurde, sondern lediglich eine Straf iHv EUR 210,--. Zudem ist der Sachverhalt im vorliegenden Fall unstrittig und war vor dem Hintergrund einer einschlägigen ständigen Judikatur bloß eine Rechtsfrage ohne besondere Komplexität zu lösen, sodass dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen (vgl. etwa EGMR 5.9.2002, Appl. Nr. 42.057/98, Speil [ÖJZ 2003, 117]; 7.3.2017, Appl. Nr. 24.719/12, Tusnovics).
6. Ausschluss der Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Rechtsirrtum bzw Verfall ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arzneiwaren; Einfuhr; Bescheinigung; Fernabsatz; entschuldbarer Rechtsirrtum; Entscheidung des Verwaltungsgerichts; Schuldausschließungsgrund; VerfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.001.097.10571.2022Zuletzt aktualisiert am
25.04.2023