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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft reg.Gen.m.b.H. in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Dezember 1993, Zl. BauR-011088/3-1993 Gr/Lan, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1.) D in T, 2.) Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführerin unter Vorschreibung von Auflagen die baubehördliche Bewilligung "für den Neubau des Hauses II - Wohnbebauung "S"" auf dem Grundstück Nr. 120/1, EZ. 382 des Grundbuches über die Kat. Gem. S, erteilt. Auf die für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch bedeutsame Einwendung, die der Erstmitbeteiligte anläßlich der vorausgegangenen Bauverhandlung erhoben hatte, wonach er "eine Wohnanlage in unmittelbarer Nähe (140 m)" seines "Gewerbebetriebes (Sägewerk)" ablehne, da die beabsichtigten Bauten eine Höhe von ca. 17 m erhalten sollen, sodaß durch den Betrieb des Sägewerkes Lärmemissionen entstünden, weshalb "zu befürchten" sei, "daß die höher gelegenen Wohnungen in diesen Wohnanlagen durch den Lärm des Betriebes unzumutbar belästigt werden", wurde in diesem Baubewilligungsbescheid nicht eingegangen.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid u.a. auch vom Erstmitbeteiligten erhobenen Berufung erging der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. September 1993, mit welchem u.a. auch das Rechtsmittel des Erstmitbeteiligten abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt worden ist. Zum Vorbringen des Erstmitbeteiligten bemerkte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, es sei auf die einschlägige, ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach einem gewerblichen Betriebsinhaber kein Recht darauf zukomme, daß er sich gegen die Errichtung eines Wohnhauses in der Nähe seines Betriebes mit der Begründung wehren könne, es würden sich dadurch in Zukunft für seinen Betrieb Schwierigkeiten "in Form verstärkter Auflagen und dergleichen" ergeben. Im übrigen sei das in der Berufung erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1992, B 614/92 (= Slg. Nr. 13210), aus den in der Folge angeführten Erwägungen im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Sachverhalt mit dem in Rede stehenden nicht verglichen werden könne.
Unter Spruchpunkt I. des Bescheides der OÖ. Landesregierung vom 13. Dezember 1993 wurde den von fünf Nachbarn erhobenen Vorstellungen gegen den erwähnten Berufungsbescheid mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß diese durch den bekämpften Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt werden. Der Vorstellung des Erstmitbeteiligten wurde jedoch unter Spruchpunkt II. mit der Feststellung Folge gegeben, daß dieser durch den bekämpften Bescheid in seinen Rechten verletzt wird, weshalb dieser Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen worden ist.
In der Begründung zu dem Spruchteil II. vertrat die Aufsichtsbehörde die Auffassung, daß die bereits vorstehend unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1992 erwähnte Begründung des Berufungsbescheides "SO nicht geeignet" sei, "die gegen die Rechtmäßigkeit der erteilten Baubewilligung vorgebrachten Bedenken VON VORNHEREIN zu zerstreuen, unterstellt doch die Berufungsbehörde dem besagten VfGH-Erkenntnis einen Sachverhalt, der ihm in Wahrheit nicht zugrunde lag". Nach näheren diesbezüglichen Erwägungen führte die Aufsichtsbehörde sodann aus, daß die Begründung des Berufungsbescheides den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht gerecht werde, weshalb dieser Bescheid eindeutig mit einem Verfahrensmangel behaftet sei. Dieser in der mangelhaften Begründung liegende Verfahrensfehler sei "insofern als wesentlich bzw. beachtlich einzustufen, als die Berufungsbehörde im Falle einer ordnungsgemäßen und hinreichenden Auseinandersetzung mit dem obzitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ... unter Umständen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können". Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß der bekämpfte Berufungsbescheid infolge Verletzung von die Begründungspflicht betreffenden Verfahrensbestimmungen rechtswidrig sei. Der Erstmitbeteiligte sei daher insoweit in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.
Über die - erkennbar nur - gegen den Spruchpunkt II. dieses Bescheides eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erwogen:
§ 46 der im Beschwerdefall anzuwendenden OÖ Bauordnung 1976 hat nachstehenden Wortlaut:
"(1) Nachbarn sind die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüber hinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.
(2) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
(3) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen."
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß im Baubewilligungsverfahren nur solche Einwendungen von Bedeutung sind, mit welchen der Nachbar geltend macht, DURCH DAS BAUVORHABEN in subjektiven Rechten verletzt zu werden. Sofern es sich dabei nicht um eine in der Privatrechtsordnung begründete Einwendung handelt, muß der Nachbar also behaupten, daß DAS BAUVORHABEN gegen die im vorstehend wiedergegebenen Abs. 3 aufgezählten baurechtlich relevanten Normen verstößt, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch jenem der Nachbarschaft dienen. Mit der bei der Bauverhandlung geäußerten Befürchtung, "daß die höher gelegenen Wohnungen" in der den Gegenstand des Bauansuchens bildenden Wohnanlage "durch den Lärm des Betriebes unzumutbar belästigt werden", hat der Erstmitbeteiligte als Nachbar nicht behauptet, daß das auf Grund der beantragten Baubewilligung zu errichtende Bauvorhaben als Quelle von Emissionen anzusehen sei, also nicht geltend gemacht, daß er im Falle der Realisierung des zu bewilligenden Projektes mit Immissionen zu rechnen habe, die von diesem ausgehen. Nur solche Immissionen können aber auf dem Boden des § 46 leg. cit. Gegenstand von Nachbareinwendungen sein, weshalb dem Inhaber eines Betriebes als Nachbar kein in der Bauordnung verankertes Recht zusteht, im Falle der Verwirklichung eines Wohnobjektes nicht mit allfälligen (zusätzlichen) Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz des Bauwerbers vor den vom benachbarten Betrieb ausgehenden Emissionen belastet zu werden. In dieser Hinsicht gleicht die im Beschwerdefall maßgebende Rechtslage jener in anderen österreichischen Bauordnungen, die bereits Gegenstand mehrerer, die in Rede stehende Problematik behandelnde hg. Erkenntnisse gewesen ist (vgl. etwa das zur Bauordnung für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0073, sowie insbesondere die zur NÖ Bauordnung ergangenen hg. Erkenntnisse vom 6. März 1984, Slg. Nr. 11.346/A, vom 23. Februar 1993, Zl. 92/05/0252, vom 14. Mai 1985, Zl. 82/05/0185, BauSlg. Nr. 440, u.a.). Der Umstand, daß zufolge § 31 Abs. 5 der OÖ Bauordnung 1994 "bei Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) auch Einwendungen zu berücksichtigen sind, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten baulichen Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken", kommt im Beschwerdefall keine rechtliche Bedeutung zu, weil diese Bestimmung zufolge § 60 Abs. 1 leg. cit. erst am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten ist und daher von der Berufungsbehörde bei der Erlassung ihres dem angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheid zugrunde liegenden Bescheides vom 3. September 1993 nicht anzuwenden war.
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist daher davon auszugehen, daß die erwähnte Einwendung des Erstmitbeteiligten nicht als solche im Sinne des § 46 Abs. 2 der OÖ Bauordnung 1976 zu qualifizieren und daher von den Baubehörden als im Baubewilligungsverfahren unbeachtlich zurückzuweisen gewesen wäre. Daraus folgt aber weiters, daß durch die unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides in Erledigung der Berufung des Erstmitbeteiligten ausgesprochene Aufhebung des Baubewilligungsbescheides der Berufungsbehörde Rechte der Beschwerdeführerin verletzt worden sind, weil der von der belangten Behörde entsprechend der vorstehend wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides angenommene, der Berufungsbehörde angelastete Begründungsmangel angesichts des Umstandes, daß dem Erstmitbeteiligten kein Rechtsanspruch auf eine meritorische Behandlung seiner Einwendung zukommt, nicht ins Gewicht fällt und daher nicht zu einer Aufhebung des Berufungsbescheides führen durfte. Selbst "im Falle einer ordnungsgemäßen und hinreichenden Auseinandersetzung mit dem ... Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1992", WELCHEM FÜR DEN
VORLIEGENDEN BESCHWERDEFALL KEINE BINDENDE WIRKUNG ZUKOMMT,
dürfte die Berufungsbehörde im fortgesetzten Verfahren zu keinem anderen Bescheid kommen, weil auf dem Boden der vorstehenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen ist, daß die Einwendung des Erstmitbeteiligten mangels baurechtlicher Relevanz inhaltlich nicht zu erörtern ist, zumal nicht einzusehen ist, daß der Emittent einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen zur Hintanhaltung der im § 23 Abs. 2 der OÖ Bauordnung 1976 umschriebenen Umwelteinwirkungen haben soll (siehe in diesem Sinne HAUER, Kann sich der Inhaber eines immissionsträchtigen Betriebes im Baubewilligungsverfahren gegen eine heranrückende Wohnbevölkerung wehren?, ÖJZ 1995, 361). Der Berufung des Erstmitbeteiligten ist daher von der Baubehörde zweiter Instanz mit Recht keine Folge gegeben worden.
Die Beschwerdeführerin ist also durch die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufhebung des Baubewilligungsbescheides der Berufungsbehörde in ihren Rechten verletzt worden, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994050026.X00Im RIS seit
11.07.2001