TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/10 95/20/0453

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995, Zl. 4.310.947/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 27. Februar 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 1. März 1991, ihm Asyl zu gewähren. Er gab am 5. April 1991 - von der Beschwerde unwidersprochen - unter anderem an, daß er nach Verlassen der Türkei auf dem Landweg über Bulgarien, Rumänien (ca. vier Wochen Aufenthalt) und das ehemalige Jugoslawien am 27. Februar 1990 nach Österreich eingereist sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. April 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen zur Feststellung als Flüchtling erfülle, gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und verwehrte die Asylgewährung. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf die Sachverhaltsfeststellung und die rechtliche Beurteilung ihres früheren, über den Asylantrag des Beschwerdeführers ergangenen Bescheides vom 4. November 1993 (aufgehoben durch das hg. Erkenntnis vom 5. September 1994, Zl. 94/20/0195). Davon ausgehend stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer auch deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 5. April 1991 aus, wonach er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Jugoslawien aufgehalten habe und kam zum Ergebnis, daß er dort sicher vor Verfolgung gewesen sei.

Die belangte Behörde habe diese Annahme am 12. April 1995 dem Beschwerdeführer vorgehalten. Er habe sich dahingehend geäußert, daß er zwar im damaligen Jugoslawien keinerlei Verfolgung seitens der dortigen Behörden ausgesetzt gewesen sei, jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt den sich aufbauenden "Haß" in der Zivilbevölkerung bemerkt hätte. Aus diesem Grunde, und da in Österreich "die Menschenrechte mehr akzeptiert würden", hätte er sich entschlossen, nach Österreich zu gelangen.

Der Beschwerdeführer erblickt in der vom erstinstanzlichen Bescheid abweichenden Annahme der "Verfolgungssicherheit"

Rechtswidrigkeit und führt aus:

"Da entsprechend meiner Rüge in der Berufungsschrift von der belangten Behörde eine Ergänzung und Wiederholung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich meiner vorgebrachten Fluchtgründe durchgeführt werden mußte, hätte sich der Bundesminister für Inneres in seinem Berufungsbescheid ausschließlich mit diesen Gründen auseinander zu setzen gehabt. Da nach dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ. vom 19.4.1991 im maßgeblichen erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren keine Ausschließungsgründe festgestellt wurden, kann sich auch die belangte Behörde gemäß § 20 AsylG nicht mehr auf derartige Umstände in ihrer Begründung der Berufungsentscheidung stützen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, daß die unbekämpft gebliebene Tatsache, daß er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im ehemaligen Jugoslawien aufgehalten hat, bereits im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren, nämlich in der niederschriftlichen Einvernahme vom 5. April 1991 enthalten ist. Es handelt sich daher um ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz, und die Behörde hat sich nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, "über § 20 Abs. 1 Asylgesetz hinweggesetzt". Welche Schlüsse und Ergebnisse die Behörde zweiter Instanz jedoch aus einem solchen Ermittlungsverfahren zieht, ist nicht eine Sache der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, sondern eine Frage der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung. Hiezu trifft § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG eine eindeutige Anordnung. Danach ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Sie ist infolgedessen nicht an die im Bescheid der Unterinstanz enthaltenen Feststellungen gebunden, sondern hat ihrer Entscheidung den ihrer Überzeugung nach maßgebenden Sachverhalt zugrundezulegen (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 549 ff, zitierte

hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde konnte sohin zu Recht das im Ermittlungsverfahren erster Instanz bereits zutage getretene Sachverhaltselement des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Jugoslawien ihrer Entscheidung zugrundelegen.

Über das zitierte Vorbringen hinaus hat der Beschwerdeführer jedoch nichts dargetan, was die - anläßlich des Vorhaltes vom 12. April 1995 de facto zugestandene - Annahme der belangten Behörde, er sei im ehemaligen Jugoslawien sicher vor Verfolgung gewesen, hätte als rechtswidrig erscheinen lassen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag in der Beurteilung der belangten Behörde im Hinblick auf die "Verfolgungssicherheit", wobei sie im wesentlichen die Rechtslage richtig erkannt hat (vgl. insbesondere die grundlegenden hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Selbst wenn die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als gegeben erachtet hätte, käme die Asylgewährung für den Beschwerdeführer nicht in Betracht, weil dieser der von der belangten Behörde zu Recht herangezogene Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 entgegenstünde (vgl. für viele z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1190). Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung mit den die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers betreffenden Beschwerdeausführungen und mit den in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensmängeln unterbleiben.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Gerichtes über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200453.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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